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Für Österreich bin ich ein neues Verhältnis

von Max

KURIER: In Ihren Koch-Videos werden Sie gefragt: „Sepp, was machst du?“ Bezogen auf Ihre neue Rolle: Wie würden Sie diese Frage für Tiktok beantworten?

Josef Schellhorn: Das Richtige. Jeder von uns kann einen Beitrag leisten, dass es besser wird. Von diesem Leitsatz bin ich geprägt. Und mit dem unternehmerischen Know-how aus meinem früheren Leben arbeite ich dafür im richtigen Staatssekretariat.

Was ist derzeit „das Richtige“?

Engagement zu zeigen und für Entlastung zu sorgen. Und wenn aufgrund des Defizits keine steuerlichen Entlastungen möglich sind, will ich wenigstens den bürokratischen Dschungel ausholzen, der die Unternehmen am meisten belastet. Das heißt: weniger Filz, mehr Freiheit.

Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer kümmert sich auch um Entbürokratisierung. Ist das nicht eine klassische Doppelgleisigkeit?

Das haben wir schon geklärt. Ich habe einen Brief an alle Ministerien verschickt, dass nicht der Eindruck entstehen darf, dass wir Doppelgleisigkeiten abschaffen wollen, sie gleichzeitig aber aufbauen. Ich habe das beste Einvernehmen mit dem Wirtschaftsminister, wir haben generell ein sehr gutes Einvernehmen in der Regierung.

Apropos „Einvernehmen“: Muss sich der Wirtschaftsminister mit Ihnen bei der Entbürokratisierung laut Bundesministeriengesetz eigentlich abstimmen? Oder ist das egal, weil Sie davon ausgehen, dass er das sowieso macht?

Davon gehe ich aus, wir werden uns ja gegenseitig nicht das Haxel stellen. Das schadet ja den Betrieben und Bürgerinnen und Bürgern. Wir haben mit dieser Regierungsbildung den Ernst der Lage erkannt. Wir müssen das Budget sanieren und gleichzeitig wirtschaftliche Anreize setzen.

Dem „Profil“ haben Sie im September gesagt, Sie sehen sich als Staatssekretär für Landeshauptleute, weil „an denen scheitert alles“. Was muss sich in dem Bereich ändern?

Es hat drei Verhandlungsrunden zur Bundesregierung gegeben. Ab der zweiten hat sich die Landeshauptleutekonferenz, unter Führung von Wilfried Haslauer, aktiv eingebracht und gesagt, sie möchte einen Beitrag zu Reformen leisten. Gerade aufgrund des noch höheren Budgetdefizits müssen wir alle sparen. Schaffen wir das nicht, dann ist der an der Macht, der keine guten Jahre bringen wird.

Wo gäbe es im Föderalismus Sparpotenzial? Haben Sie ein Beispiel?

Ob in der digitalen Welt noch jede Gemeinde ihre eigene Verrechnungsstelle für Personalagenden oder ihr eigenes Bauamt benötigt, ist herauszufinden. In Estland bekommen alle mit der Geburt einen Referenzcode, mit dem sie jeden behördlichen Weg gehen können – solche Strukturreformen gilt es zu überlegen.

Die Länder erhalten heuer beim Finanzausgleich eine zusätzliche Milliarde. Gehört die eingespart?

Wir alle, Bund, Länder und Gemeinden, müssen jetzt einen Beitrag zur Sanierung leisten und mit diesem Kirchturmdenken aufhören.

Die Regierung will entlasten, und Entbürokratisierung kostet im Gegensatz zu Steuersenkungen eher nichts. Hilft das hohe Budgetdefizit Ihren Vorhaben?

Mir wäre es zehnmal lieber, unsere Wirtschaft würde florieren. Und zur Frage, ob es mir hilft oder nicht: Ich bin das Arbeiten gewohnt und ich liebe auch den Widerstand. Den habe ich mein Leben lang gehabt, erst beim Widerstand werde ich so richtig stark.

Die Regierung feilt an einer Bürokratiebremse. Abseits vom Ende der Belegpflicht unter 35 Euro: Können Sie das Paket etwas konkretisieren?

Wir arbeiten intensiv daran, ich bin drei Wochen im Amt. Aber vieles ist fragwürdig. Zum Beispiel, warum die Gasflasche in Leogang nicht gleich weit von der Hausmauer wegstehen darf wie in Hochwurzen. Oder, dass es neun Baurechtsgesetze gibt. Das ist alles absurd und teuer.

Vor ein paar Jahren hätten Sie einfach gesagt, die Bundesländer gehören abgeschafft…

Nein. Ich hätte gesagt, dass wir uns die Frage stellen müssen, ob wir stärker zentralisieren oder einen gelebten Verantwortungs-Föderalismus machen – analog zur Schweiz. Beides geht, der aktuelle Status ist jedenfalls unbefriedigend.

Sepp Schellhorn: "Für Österreich bin ich ein neues Verhältnis"

Sie wollen Unternehmensgründungen in wenigen Stunden ermöglichen. Wie?

Es muss für alle leichter werden, ein Unternehmen zu gründen und zu errichten. Wir müssen eine Liberalisierung der Gewerbeordnung und kürzere Genehmigungspflichten auf den Weg bringen. Dafür werden wir uns Best-Practice-Beispiele anschauen. In den Niederlanden gibt es bereits seit 20 Jahren eine Entbürokratisierungsstabstelle. Das ist also nichts Neues. Aber für Österreich gibt es neue Verhältnisse, für Österreich bin ich ein neues Verhältnis. Ich engagiere mich, dass das Unternehmertum auch in die Bundesregierung einzieht.

Die Regierung will 2027 die Lohnnebenkosten senken – insofern es budgetär möglich ist. Welche Lohnnebenkosten könnte man aus Ihrer Sicht streichen?

Man könnte den Familienlastenausgleichsfonds über das Budget abwickeln. Zuerst müssen wir aber andere finanzielle Brocken lösen, wir müssen das Doppelbudget erstellen und ein bisschen mehr nachlegen. Je besser uns das gelingt, umso leichter können wir danach entlasten.

Die Ministerien müssen heuer 1,1 Milliarden einsparen. Soll da noch mehr kommen?

Die 1,1 Milliarden sind Konsens. Wir müssen uns aber Gedanken machen, wie wir den Rest finanzieren.

Als Unternehmer hätten Sie bei niedrigeren Lohnnebenkosten mehr Geld zur Verfügung gehabt. Wie viel hätten Sie an die Arbeitnehmer weitergegeben?

Ich habe immer wieder gesagt, dass ich meinen Mitarbeitern gerne netto zehn Prozent mehr geben würde. Wenn wir den Konsum anheben wollen, muss die Nettorate steigen. Von den Gehaltserhöhungen kommt aktuell zu wenig bei den Mitarbeitern an. 

In der Gastronomie gibt es Aufruhr, weil die ÖGK hohe Steuer-Nachforderungen beim Trinkgeld stellt. Welche politische Lösung schlagen Sie vor?

Trinkgeld ist ein Geschenk, ein Dank. Ich werde mit Zähnen und Krallen verteidigen, dass es ein Geschenk bleibt. Mitarbeiterinnen und Unternehmer liefern bereits die große und die kleine Trinkgeldpauschale ab. Warum sollten dann auch noch Sozialversicherungsbeiträge anfallen, die ohnehin Lohnbestandteil sind? Hier muss es endlich Klarheit geben.

Sepp Schellhorn: "Für Österreich bin ich ein neues Verhältnis"

Bei der Wirtschaftskammerwahl lag die Wahlbeteiligung nur bei 26,5 Prozent. Wie oder wo könnte man die WKO deregulieren?

Man könnte die Gewerbeordnung offener machen, den Protektionismus abschaffen. Man könnte hinterfragen, wofür die hohen Kammerrücklagen wichtig sind. Man könnte hinterfragen, ob die Mitglieder für Kurse von Energetikern oder Homöopathen zahlen wollen. Es gibt viele Gründe zu hinterfragen, warum die Wahlbeteiligung so gering ist.

Als Oppositioneller waren Sie für kantige Sager berüchtigt. Bereuen Sie das in Ihrer neuen Rolle manchmal?

Nein, ich glaube, ich habe heute auch ein paar kantige gemacht. Ich habe einen authentischen Stil und bin keiner, der sich verstellt.

Der Stil bleibt?

Der bleibt.

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