Startseite Politik „Gegen Korruption, für die Freiheit“

„Gegen Korruption, für die Freiheit“

von Max

Sonntag in Belgrad, knapp vor 12 Uhr Mittag bei der Technischen Universität. High Noon für Studenten und Studentinnen, die sich neben der Statue von Nikola Tesla, dem berühmten Ingenieur, Forscher und Erfinder, sammeln. Die Fahrer vorbeikommender Autos drücken ihre Zustimmung lautstark mit Hupen aus, Menschen, die auf den Bus warten, applaudieren plötzlich den Demonstrierenden. Viele Passanten bleiben stehen, machen Fotos und Videos, wollen das Geschehen festhalten.

Es ist nur einer von vielen kleinen Protesten in Belgrad, sie alle zielen gegen Präsident Aleksandar Vučić und dessen Machtapparat. Um 11.52 Uhr betreten die mit Warnwesten bekleideten Studenten den Bulevar Kralja Aleksandra und blockieren damit eine der Verkehrsadern Belgrads. Für 15 Minuten steht der Verkehr still, 15 Minuten Schweigen für 15 Opfer. Sie gedenken jener Menschen, die im November beim Einsturz eines Bahnhofsvordachs in der Stadt Novi Sad ums Leben gekommen sind. Erst am Samstag starb das 16. Opfer nach dem Unglück.

Sie fordern Gerechtigkeit für die Toten, eine Aufklärung über die Hintergründe der folgenreichen und womöglich korrupten Bahnhofsrenovierung. Es ist plötzlich ein ganz neues Bild nach über einem Jahrzehnt an autoritärer Politik von Vučić. Menschen wie Vladimir gehen auf die Straße. Er hält dabei ein Schild hoch mit dem Schriftzug: „Architektur der Liebe“. Man protestiere gegen Vučić. „Gegen Korruption und gegen die Mauern, die uns nach wie vor umgeben. Wir stehen für Freiheit.“

Der Zwiespalt

Hunderttausende Menschen waren in der jüngsten Vergangenheit in Belgrad auf die Straße gegangen, es wirkt, als würde der Präsident zunehmend an Rückhalt verlieren. Freilich nicht bei allen, wie eine Taxifahrt ins Zentrum verdeutlicht. Der etwas ältere Chauffeur nennt Vučić in einem Atemzug mit Russlands Präsident Putin und US-Präsident Trump. Und merkt an, dass die Proteste ohnehin von jemanden bezahlt werden. Von wem genau, weiß er nicht.

Und ein Spaziergang durch die Einkaufsstraße Kneza Mihaila offenbart einem auch eine andere Perspektive – kein Souvenirstand ohne Devotionalen von Tito, Trump oder Putin.

Und dennoch handelt es sich in den vergangenen Monaten um die größten regierungskritischen Proteste, die das Land je erlebt hat. Die Massen-Demos im Zentrum der Hauptstadt zeigten zuletzt Wirkung und sorgten international für Solidarität. Vorige Woche soll die Polizei  eine Schallkanone eingesetzt haben, um die Menge auseinander zu treiben. Und Vučić? Der meldete sich am Wochenende via Instagram zu Wort: Serbien habe die Proteste satt, meldete der Präsident dort. Er kündigte eine Mobilisierung seiner Anhängerschaft an, die „auf würdevolle Weise zeigen“ würden, dass sie ein „freies Serbien wollen“. 

Vladimir und seine Kollegen und Kolleginnen setzen auch auf das Motto des steten Tropfen, der den Stein höhlt. „Wir kommen fast jeden Tag hierher und protestieren. Und das machen viele andere an anderen Orten auch.“ Allerdings wirken die Proteste nach wie vor zu wenig organisiert und koordiniert. Auf die Frage nach der nächsten Groß-Demo wirkt Vladimir dann doch etwas ratlos: „Vielleicht noch heute Abend, vielleicht aber auch morgen. Auf jedem Fall wieder im Zentrum.“

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