Kamala Harris gegen Donald Trump: Wie sind die jeweiligen Siegeschancen, wo fällt die Entscheidung und was kommt jetzt auf Österreich und die Welt zu? Die WZ sucht Antworten auf die drängendsten Fragen.
Was wird am 5. November eigentlich alles in den USA gewählt?
Zunächst einmal geht es darum, wer für die nächsten vier Jahre Präsident:in der USA wird. Zur Wahl stehen auf Seite der Republikaner Donald Trump und auf Seite der Demokraten Kamala Harris. Zudem werden alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses und ein Drittel des Senats neu bestimmt. Hinzu kommen Entscheidungen über Gouverneur:innen und Kongresse in den einzelnen Bundestaaten. Abgestimmt wird auch über Fragen wie etwa, ob Maine eine neue Flagge bekommt oder ob in Denver künftig Pelze verboten sind. Millionen von US-Amerikaner:innen haben bereits die Möglichkeit des „early voting“ genutzt und sind schon zur Urne geschritten.
Welche Eigenheiten hat das US-Wahlsystem?
Die US-Bürger:innen wählen den Präsidenten/die Präsidentin nicht direkt, sondern sie küren in ihrem jeweiligen Bundesstaat Wahlmänner, die auch weiblich sein können. Diese Wahlmänner wählen dann den Präsidenten/die Präsidentin. Aufgrund historischer Erfahrungen ist jetzt das Wahlergebnis in über 40 Bundesstaaten sicher. Die Entscheidung fällt in folgenden „Swing-States“, auch „Battleground-States“ genannt: Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, Nevada, Arizona, Georgia und North Carolina.
Welcher dieser Swing States ist für den Wahlausgang der wichtigste?
Pennsylvania. Dort sind mit 19 relativ viele Wahlleute zu holen und das Rennen ist in diesem Staat extrem eng. Ein Sieg hier ist für Harris sogar noch einen Deut wichtiger als für Trump. Abseits davon gilt es als sicher, dass es einige wenige Wahlsprengel in den „Battleground States“ sind, die entscheidend sein werden.
Mit welchen Versprechungen wollen Trump bzw. Harris die Wähler:innen überzeugen?
Das dominante Thema im Wahlkampf waren die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Die Preise sind nach der Covid-Pandemie in die Höhe geschossen und Trump verspricht, dass die Ausgaben der Menschen für den täglichen Bedarf unter seiner Präsidentschaft bald wieder so niedrig sein werden wie in der Vergangenheit. Sein Plan, ausländische Waren hoch zu besteuern, würde laut Berechnungen von Ökonom:innen das Preisniveau weiter anheben. Allgemein billigen die US-Amerikaner:innen Trump aber mehr Wirtschaftskompetenz zu als seiner Konkurrentin. Trump verspricht seinen Wähler:innen außerdem, dass er Millionen illegaler Migrant:innen abschieben und die Grenze zum Süden dichtmachen würde.
Harris wiederum setzt voll auf das Thema Abtreibung. Die Republikaner wollen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einschränken, Harris kämpft dagegen an. Hier kann sie vor allem beim weiblichen Teil der US-Bevölkerung klar punkten. Zentral ist die Frage der Demokratie. Harris-Wähler:innen befürchten, dass Trump das Land in Richtung Tyrannei lenkt, während Trump-Wähler:innen sehr häufig davon überzeugt sind, dass ihr Kandidat bei der letzten Wahl widerrechtlich um seinen Sieg gebracht wurde. Die republikanischen Wähler:innen sehen deshalb ihrerseits die Zukunft der Demokratie in den USA gefährdet.
Was sagen die neuesten Meinungsumfragen?
Die jüngsten Umfragen sagen in den „Swing-States“ ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Die Demoskop:innen rechnen mit einem beispiellos knappen Rennen. Das Momentum schien zuletzt eher bei Trump zu liegen. Neben den Umfragen, wen die Wähler:innen gern als Präsidenten, als Präsidentin hätten, gibt es noch jene, die die Beliebtheit der Kandidat:innen als Person messen. Hier liegt Harris vorn. Bei den Wettquoten ist wiederum Trump voran. Es wird also ungemein spannend.
Wie sind die Vorhersagen für die Kongresswahl?
Derzeit ist es so, dass die Demokraten eine knappe Mehrheit im Senat, die Republikaner eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus haben. Es wird für die Demokraten enorm schwierig werden, den Senat zu halten, weil sie bei der anstehenden Wahl dort viel mehr Sitze verteidigen müssen als die Republikaner. Umgekehrt könnte aber das Repräsentantenhaus an die Demokraten gehen. Generell gilt: Hat ein Präsident, eine Präsidentin den gesamten Kongress gegen sich, ist er/sie zu einer Existenz als „lame duck“ verurteilt. Er/sie wird seine/ihre Projekte nur sehr schwer bis gar nicht umsetzen können.
War es aus Sicht der Demokraten richtig, Amtsinhaber Joe Biden zum Verzicht auf die Kandidatur zu bewegen und mit Harris ins Rennen zu gehen?
Die Frage kann eindeutig mit Ja beantwortet werden. Der altersschwache Präsident vermochte nicht mehr zu mobilisieren, mit Harris hat sich für die Demokraten eine neue Dynamik ergeben. Diese ist zuletzt allerdings wieder abgeebbt. Ein großes Plus für Harris ist, dass sie deutlich jünger als Trump ist und diesem nun Altersschwäche vorwerfen kann. Und: Harris hat im „Sun Belt“, in den für den Wahlausgang wichtigen Swing-States Arizona oder Nevada, deutlich bessere Chancen auf einen Sieg, als Biden es gehabt hätte.
Wird Trump diesmal eine mögliche Wahlniederlage eingestehen?
Sollte Trump die Wahl verlieren, ist davon auszugehen, dass er vehement auf Betrug plädiert und seine Niederlage nicht eingesteht. Er wird, wie bei den letzten Wahlen 2020, alles daransetzen, das Ergebnis umzukehren. Trump ist weiterhin ein Mensch, der eine Niederlage um keinen Preis akzeptiert. Er hat bereits ein Heer an Rechtsanwält:innen in Stellung gebracht, um jede minimale Unregelmäßigkeit zu beeinspruchen.
Was würde ein Wahlsieg Trumps, ein Wahlsieg Harris‘ für die Welt bedeuten?
Der Republikaner hat angekündigt, dass er den Krieg in der Ukraine „innerhalb von 24 Stunden“ beenden könne. Es wird angenommen, dass er die Ukraine zur Abgabe von Territorien im Osten drängen und die finanzielle Hilfe für Kiew einschränken wird. Was China und die EU betrifft, wird Trump wohl die Handelskonflikte seiner ersten Amtszeit fortführen und massive Zollerhöhungen auf Importe vor allem aus China anstreben. Was Trump im Endeffekt will, ist ein „Deal“ mit China, bei dem die USA gut aussteigen. Was den Nahen Osten betrifft, wird Trump wohl Israels Premier Benjamin Netanjahu den Rücken stärken und sich klarer als Präsident Joe Biden auf die Seite Israels schlagen.
Harris will die bisherige militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine aufrechterhalten. Die Demokratin tritt in Nahost für eine Zwei-Staaten-Lösung ein und kritisiert das israelische Vorgehen im Gazastreifen. Was China betrifft, sind Trump und Harris politisch eher auf einer Linie: Die aufstrebende Supermacht soll durch Sanktionen, Handelsbarrieren und ein enges Geflecht von Bündnissen im asiatisch-pazifischen Raum eingedämmt werden.
Und was würde ein Präsident Trump für Österreich bedeuten?
Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte ein speziell gutes Verhältnis zu Trump und wurde von diesem nach Washington eingeladen. Für einen möglichen künftigen Kanzler Karl Nehammer (ebenfalls ÖVP) ist das nicht zu erwarten. Unter Trump würden sich die Exporte österreichischer Güter in die USA wohl verteuern, was für die heimische Wirtschaft schlecht wäre. Österreichische Unternehmen mit Sitz in den USA würden aber von niedrigeren Steuern und Deregulierung profitieren.
Wann werden wir wissen, wer gewonnen hat?
Das ist völlig unklar. Nachdem die Meinungsumfragen in den USA in der Vergangenheit beträchtliche Unschärfen aufwiesen, könnte ein halbwegs verlässliches Ergebnis schon am 6. November in der Früh vorliegen. Wird es aber das prognostizierte knappe Ergebnis und liegt Trump ein wenig zurück, kann es Tage dauern, bis ein Sieger, eine Siegerin feststeht. Beeinspruchungen vor Gericht, erzwungene Neuauszählungen und ähnliches könnten die Auszählung stark verzögern. Das war schon oft so bei US-Wahlen. Im Jahr 2000 hat es 36 Tage gedauert, bis der Sieger feststand.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
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Das Electoral College, das in den USA alle vier Jahre den Präsidenten/die Präsidentin wählt, besteht aus 538 Wahlleuten. Der Sieger, die Siegerin braucht also 270 Wahlleute, um ins Weiße Haus zu kommen. Ein Patt ist theoretisch denkbar. Dann entscheidet der Kongress, wer Präsident:in wird.
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Der Sieger, die Siegerin steht erst dann offiziell fest, wenn am 6. Jänner 2025 die Stimmen des Electoral College im Kongress ausgezählt werden. Dann wird quasi amtlich verkündet, wer in den nächsten vier Jahren Präsident:in sein wird.
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Laut Umfrage erwartet knapp jedes zweite deutsche Industrieunternehmen bei einer Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten negative Auswirkungen auf den eigenen Betrieb. 44 Prozent befürchten dies, für rund 51 Prozent macht es keinen Unterschied, wer gewinnt.