Wer hilft, was die Unwetter mit dem Klimawandel zu tun haben und was wir daraus lernen sollten.
Was ist passiert?
Von Donnerstag bis Montagvormittag regnete es besonders in Niederösterreich und Wien die zwei- bis fünffache Menge eines durchschnittlichen gesamten Septembers. Teilweise wurden bis zu 400 Millimeter gemessen, das entspricht 400 Litern pro Quadratmeter – zum Vergleich: Eine durchschnittliche Badewanne hat eine Füllmenge von 150 bis 180 Litern. „Im Mittel aller Wetterstationen regnete es von Donnerstag bis Montag am Vormittag in Niederösterreich rund 180 Millimeter und in Wien rund 200 Millimeter“, berichtet Alexander Orlik von der GeoSphere Austria gegenüber der Austria Presseagentur (APA). „Das ist hier deutlich mehr als bei den letzten großen Regenereignissen. In St. Pölten zum Beispiel regnete es von Samstag auf Sonntag 225 Millimeter. Das ist die zweithöchste jemals in Österreich registrierte 24-Stunden-Regenmenge.“ In Lilienfeld waren es ganze 371 Millimeter (der bisherige Rekord von 273 Millimeter datierte aus dem Jahr 1997), in Lunz am See 342 Millimeter (alter Rekord: 297 Millimeter im Jahr 2007), in Langenlebarn 357 Millimeter (1967: 142 Millimeter). Am Sonntag wurde ganz Niederösterreich zum Katastrophengebiet erklärt.
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Wer hat geholfen?
Seit Beginn der Unwetterlage wurden allein in Niederösterreich insgesamt 10.033 Einsätze verzeichnet. 1.493 Feuerwehren waren und sind mit rund 20.000 Einsatzkräften und 2.630 Fahrzeugen im Einsatz. Dazu kommen 6.500 aus der Steiermark, 10.000 aus Oberösterreich und 2.700 aus dem Burgenland, berichtet Andreas Rieger vom Österreichischen Feuerwehrverband. Besonders betroffen sind die Bezirke Tulln, St. Pölten und Melk, wo 19 Züge des Katastrophenhilfsdienstes (KHD) aus Niederösterreich an den Brennpunkten arbeiten. Zusätzlich unterstützen 15 KHD-Züge aus anderen Bundesländern die laufenden Einsätze.
Einmal mehr zeigt sich hier, wie wichtig das Engagement der Freiwilligen Feuerwehren ist. „Die Bewältigung dieser Einsätze wäre ohne die überwältigende Unterstützung und das Entgegenkommen der Arbeitgeber:innen gegenüber ihren Mitarbeiter:innen nicht möglich“, betont Rieger. Ob Freiwillige Feuerwehrleute freigestellt werden, ist Ermessenssache des jeweiligen Unternehmens und unter anderem abhängig von Krankenständen, der Auftragslage und anderweitigen Abwesenheiten. Es gibt also keine gesetzliche Verpflichtung zur Dienstfreistellung. An dieser Regelung will der Österreichische Bundesfeuerwehrverband nichts ändern, weil sie im Großen und Ganzen funktioniert. Alle zwei Jahre werden auf Bundesebene „Feuerwehrfreundlicher Arbeitgeber:innen“ ausgezeichnet. Die nächste Ehrung (für 16 Unternehmen) findet am 8. Oktober 2024 statt.
Wer bezahlt mir die Schäden?
Grundsätzlich sind Schäden am Hausrat, die durch Starkregen, Hochwasser oder Sturm entstehen, durch die meisten Haushalts- und Eigenheimversicherungen gedeckt, allerdings oft begrenzt. Die Arbeiterkammer spricht hier von 4.000 bis 10.000 Euro. Gebäudeschäden sind oft mit 20.000 Euro gedeckelt. Gegen einen Aufpreis sind höhere Versicherungssummen möglich. Umgekehrt decken manche Versicherungen in Gebieten mit latenter Hochwassergefahr gar nichts. Uniqa-Chef Klaus Kraigher hat am Wochenende einmal mehr darauf hingewiesen, dass die Versicherungsbranche sich eine Einbeziehung der Katastrophenschäden in die Feuerversicherung der Eigenheim- und Haushaltsversicherung wünscht. „Dadurch würden sich die Prämien für alle Versicherungsnehmer überschaubar erhöhen, dafür wären die Schäden zu 100 Prozent gedeckt.“ Höhere Polizzen könnten aber so oder so drohen, weil die Versicherungen die zunehmenden Schadensdeckungen durch häufigere Unwetter wieder hereinbekommen müssen.
Wer akut einen Schaden erlitten hat, sollte diesen möglichst rasch dokumentieren und fotografieren und sich damit an die eigene Haushaltsversicherung wenden. Wurde ein Fahrzeug durch das Wasser in Mitleidenschaft gezogen, springt – sofern vorhanden – die Kaskoversicherung ein. Schäden sollten grundsätzlich immer schriftlich bei der Versicherung gemeldet werden. Lehnt die Versicherung die Zahlung ab, kann man sich auch an den jeweiligen Katastrophenfonds wenden. Hier gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Vorgaben für die jeweilige finanzielle Hilfe. Und in der nächsten Arbeitnehmerveranlagung können Katastrophenschäden als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt geltend gemacht werden, und zwar nicht nur der Wert der beschädigten Gegenstände, sondern auch Ausgaben für die Beseitigung von Wasser, Schlamm oder Sperrmüll, Reparaturen am Dach oder das Mieten von Trocknungsgeräten.
Was haben die Unwetter mit dem Klimawandel zu tun?
Die Luftmassen über dem europäischen Kontinent sind um zwei bis drei Grad wärmer als in der vorindustriellen Zeit. Ein wärmeres Klima führt zu stärkeren Extremniederschlägen, da warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann als kältere. In der Folge nehmen Wetterlagen wie derzeit über Mitteleuropa mehr Feuchtigkeit auf als noch vor 50 oder 60 Jahren und lassen diese in Form von Regen ab. Laut dem Weltklimarat ist davon auszugehen, dass aus diesem Grund Starkniederschläge in vielen Weltregionen stärker werden.
Da außerdem das Mittelmeer nach dem heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen ungewöhnlich warm ist, verdunstet mehr Feuchtigkeit, was ebenfalls zu stärkeren Niederschlägen führt. Die Erwärmung des Mittelmeers wiederum sei, so der Klimaforscher Douglas Maraun vom Wegener Center for Climate and Global Change in Graz, nur zum Teil auf den Klimawandel zurückzuführen, denn auch verschärfte Schadstoffregelungen würden hierbei eine Rolle spielen. Insbesondere aus der Schifffahrt gelange nicht mehr so viel Schmutz in die Luft, wodurch weniger Sonnenlicht ins Weltall zurückgestreut werde – und das wiederum heize das Klima zusätzlich auf. Einen dritten Grund für das warme Meer sehen Forscher:innen in natürlichen Schwankungen; das zeigt, dass die Ursachenfindung nicht ganz einfach ist.
„Es besteht ein direkter Zusammenhang von Extremwetterereignissen mit dem Klimawandel. Allerdings fällt die Zuordnung zu Einzelereignissen deswegen nicht leicht, weil es Zusammenhänge auf vielen Ebenen gibt“, sagt die Umweltökonomin Siegrid Stagl zur WZ: „Eines gilt allerdings als gut belegt: Mit einer steigenden Konzentration an Klimagasen werden diese Ereignisse häufiger.“
Muss in Zukunft anders gebaut werden?
„So haben wir schon immer gebaut.“ Dieser Satz wird wohl in Zukunft nicht mehr so oft zu hören sein. Denn auch die Baubranche muss umdenken. Das beginnt bei der Flächenwidmung. Diese müsse restriktiver sein, man dürfe eben nicht mehr in Hochwassergebieten bauen, lautet der Tenor bei einem Rundruf in der Baubranche. Bei der Planung müsse man bestimmte Aspekte besser berücksichtigen. Dabei gehe es etwa um die Entwässerung und um Abdichtungen. Die Abdichtungen der Keller und Rückstauklappen müssten verstärkt bedacht werden.
Das alles kostet jedoch Geld. „Der Hochwasserschutz durch Einbau druckwasserdichter Fenster und Türen ist möglich, jedoch sehr teuer“, sagt Michael Balak, Geschäftsführer des OFI (Österreichisches Forschungsinstitut für Chemie und Technik), zur WZ. Auch er sieht das größte Problem darin, dass viele Gebäude in hochwassergefährdeten Gebieten errichtet worden sind, da der Baugrund dort billig war. Präventiver Hochwasserschutz kostet viel Geld und Zeit und ist oft nicht umsetzbar. Abgesehen davon kurbeln gerade solche Unwetterkatastrophen die Bauwirtschaft an, da viel zu sanieren ist.
In Wien gibt es laut der Baupolizei (MA 37) „keine wesentlichen Schäden“. Die Statik sei jedenfalls ausreichend für Unwetterkatastrophen. Die Regelungen der Bauordnungsnovelle vom vergangenen Jahr würden auf solche Ereignisse bereits Bezug nehmen, heißt es. Die Begrünung von Dächern, die mit der neuen Bauordnung bei Neubauten verpflichtend ist, stoppe den Abfluss des Wassers. Das wirke sich jedoch erst nach und nach mit den neuen Baubewilligungen aus. „Nachträglich lässt sich so etwas schwer einbauen, weil die Statik so viel Gewicht nicht automatisch hergibt“, erklärt die Baupolizei. Für weitere Maßnahmen bräuchte es Lösungen auf Bundesebene. Die Bundesländer haben hier nur zum Teil Gesetzgebungskompetenz.
Wie geht es jetzt weiter?
Ab Dienstag sollte sich die Wettersituation bessern, prognostiziert die GeoSphere Austria. Dann sind bis zum Wochenende nach aktuellem Stand keine flächendeckend großen Regenmengen mehr zu erwarten. Zumindest zeitweise soll sich sogar die Sonne zeigen.
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