Er ersucht beim Gespräch mit dem KURIER nur darum: Kein Name, auch nicht der des Fußballklubs, und keine Erwähnung seines Jobs heute. Doch so viel: Markus arbeitet im Sozialbereich. Und außerdem als Yogalehrer. Vor 15 Jahren wurde er Buddhist. „Ich kann sagen, dass ich nichts ausgelassen habe“, meint er heute. Auf dem Fußballplatz ist er nur noch selten. Früher war der seine Heimat.
Auch deshalb, weil ihm ein echtes Zuhause fehlte. „Ich hatte ein schwierige Kindheit, bin im Heim aufgewachsen. Und dort hat das Recht des Stärkeren gegolten“, erzählt er.
Loyalität
Als Jugendlicher entdeckte er die Fantribüne für sich. „Im Stadion hatte ich das Gefühl von Familie.“ Er schloss sich einer Fangruppe an. Loyalität sei das Um und Auf gewesen, erzählt er. „Du hast da ja zuerst auch eine Probezeit. Und du musst deine Loyalität beweisen und mitmachen. Im Gegenzug kommen die anderen, wenn du ein Problem hast. Als Jugendlicher fühlst du dich dadurch plötzlich unangreifbar.“
Der Fußball wurde zu seinem Lebensinhalt. „Plötzlich hatte ich 50 beste Freunde.“ Alle Schichten waren vertreten. Firmenchefs, Rechtsanwälte, aber auch Arbeitslose. Und Markus, ein Heimkind.
Gemeinsam ging man zu den Spielen, fuhr zu den Auswärtsmatches. Und ließ die Fäuste sprechen, wenn man auf die Anhänger der gegnerischen Klubs traf. „Das ist ein Adrenalinkick. Zwei Gruppen laufen aufeinander zu, dann fliegen die Fäuste.“ Doch es gab Regeln: Waffen waren tabu, wer am Boden lag, wurde nicht mehr angegriffen.
Bei 200 Raufereien, so schätzt Markus, war er dabei. Er selbst habe nur einmal einen gebrochenen Arm gehabt. „Die Cuts waren kleine Andenken.“ Dass er jemanden schwer verletzten könnte, daran habe er nie gedacht. „Ich hatte da keine Skrupel. Wenn ich jemanden erwischt hätte und der wäre blöd mit dem Kopf auf den Boden gefallen – das wäre mir damals wurscht gewesen“, gibt er offen zu. Doch dann gab es einen Knackpunkt in seinem Leben. Er war mit einem Freund in Salzburg unterwegs. Es kam zu einer Schlägerei, Markus attackierte einen Polizisten und wurde später bei einem Gerichtsverfahren zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt. „Ich musste deshalb zur Bewährungshilfe“, erzählt er.
Nachdenkpause
Es seien intensive Gespräche mit seinem Bewährungshelfer bei „Neustart“ gewesen, erinnert er sich. „Die meiste Zeit haben wir über Fußball geredet. Und irgendwann habe ich angefangen über mich nachzudenken. Du kannst weitermachen – oder etwas ändern.“ Dass Markus in seiner Bewährungszeit dann doch noch einmal daneben griff, verlängerte seine Nachdenkpause.
Und schließlich lernte der Salzburger seine Lebensgefährtin kennen – die hielt wenig von seiner Erlebnis-orientierten Freizeitgestaltung. „Der Ausstieg war kein Problem“, sagt er. „Lebensumstände ändern sich.“ Beim Fußball hat er den Verein gewechselt – er ist jetzt Fan von Manchester United. Dabei hat ausgerechnet England in einem langwierigen Prozess das Hooligan-Problem in den Griff bekommen. Gibt es eine Lösung, wie man hierzulande derartige Ausschreitungen wie beim Wiener Derby verhindert? „Lebenslanges Stadionverbot ist das Schlimmste.“ Pyrotechnik, sagt er, gehört aber dazu. „Das wird man nicht eindämmen. Das Zeug reinzukriegen, ist das Einfachste. Es haben ja viele Leute Zutritt ins Stadion.“
Und Austria und Rapid – „das ist eine richtige Feindschaft“, sieht er keine Lösung.