SPÖ-Chef Andreas Babler ist Vizekanzler der Dreierkoalition von ÖVP, SPÖ und Neos und als solcher Minister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.
KURIER: Wann haben Sie das Gefühl gehabt, dass es klappt mit der Koalition?
Andreas Babler: Ich habe schon während der Verhandlungen gespürt, dass es das Bemühen gibt, zu einem positiven Abschluss zu kommen.
Nachdem die ersten Verhandlungen abgebrochen sind, wurden Sie teils als Buhmann ausgemacht. Ist das Vertrauen zu Beate Meinl-Reisinger wieder aufgebaut?
Die Beziehung war nie schlecht. Das, was geschrieben wurde, hat wenig bis nichts mit der Realität zu tun gehabt. Mir ist wichtig, dass wir Herbert Kickl als Kanzler verhindert haben.
Sie sind als Choleriker bezeichnet worden.
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich noch nie in meinem Leben cholerisch war, sondern immer sehr ruhig, höflich und zurückhaltend.
Reicht Kickl als Kitt für die Koalition?
Das wäre viel zu wenig. Aber: Auf europäischer Ebene ist eine Erleichterung spürbar, dass die FPÖ nicht in der Regierung ist. Das hat mehr Impact als man glauben mag.
Haben Sie noch Kontakt zu Karl Nehammer?
Nein, aktuell nicht.
Verhandlungen zwischen Andreas Babler, Karl Nehammer und Beate Meinl-Reisinger im Jänner 2025
Als Bundesrat haben Sie einen Teil Ihres Gehalts gespendet. Spenden Sie nach wie vor?
Natürlich spende ich laufend.
Viele sagen, die SPÖ hätte sich bei den Verhandlungen durchgesetzt. Stimmt das?
Wir haben uns so aufeinander zubewegt, dass sich alle im Regierungsprogramm wiederfinden. Ich sehe diese 211 Seiten als gemeinsames Werk und nicht, wer wo gewonnen hätte.
Sie haben der ÖVP das Finanzministerium abgerungen, dort Ihren Wunschkandidaten gegen Michael Ludwig durchgesetzt und die Bankenabgabe steht im Regierungsprogramm.
Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, jetzt das Finanzministerium zu übernehmen. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt, in dieser schwierigen Situation als Finanzminister einen der besten Experten dieses Landes haben.
Markus Marterbauer, Peter Hanke, Christoph Wiederkehr
Was kann Markus Marterbauer besser als Peter Hanke?
Es geht hier nicht um einen Vergleich. Wir haben viele geeignete Kandidatinnen und Kandidaten. Markus Marterbauer ist Vizepräsident des Fiskalrats, beriet viele andere Regierungen und kommt aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut. Er hat die beste Expertise in diesem Bereich. Vergleichen wir ihn jedenfalls bitte nicht mit Finanzministern der letzten Regierungen.
Wollen Sie jemanden namentlich nennen?
Nein, aber wir haben schon einige gehabt.
Das Momentum Institut kritisiert, dass nur ein Viertel des Sparpakets über neue Einnahmen finanziert werde und Haushalte besonders stark betroffen seien. Das klingt eher danach, als würde die breite Masse, aber nicht breite Schultern, von denen Sie oft sprechen, das Budget sanieren.
Es stimmt, dass die breiteren Schultern jetzt mehr beitragen. Es gibt breitere Abgaben im Bankensektor, in der Energiewirtschaft, der Immo-Besteuerung von Grundstückdeals und vielem anderen, das uns wichtig war. Gleichzeitig gibt es beispielsweise keine Pensionskürzungen, wie sie noch im Dezember diskutiert wurden. Das ist ein gutes Indiz, dass es nicht die breite Masse zahlt.
Die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten ist keine Pensionskürzung?
Insofern nicht, weil wir es gleichzeitig abfedern. Die bisherige Rezeptgebührenobergrenze soll in eine Arzneimittelobergrenze umgewandelt werden. Das bedeutet, dass alle Arzneimittel in diese Obergrenze eingerechnet werden, auch wenn diese billiger sind als die Rezeptgebühr, Pensionistinnen und Pensionisten, die 1.200 oder 1.300 Euro pro Monat verdienen und Medikamente nehmen müssen, ersparen sich netto sogar etwas. Zusätzlich wird die Rezeptgebühr im Jahr 2026 mit dem Wert 2025 eingefroren. Auch das kommt Pensionisten zugute.
Andreas Babler im KURIER-Gespräch mit Michael Hammerl und Johanna Hager
Mit dem Sparpaket soll ein EU-Defizitverfahren abgewendet werden. Ein solches fand die SPÖ, im Gegensatz zu ÖVP, FPÖ und Neos, nicht so schlimm.
Die Regierung hat jetzt vereinbart, alles zu tun, um dieses Defizitverfahren abzuwenden.
Vermögens- und Erbschaftssteuern, die auch nicht im Regierungsprogramm stehen, sind endgültig vom Tisch?
Die waren schon in der ersten Sondierungsrunde keine Bedingung. Wir haben schon damals im Sinne des Kompromisses nach den ersten Verhandlungsrunden nicht mehr auf Erbschafts- und Vermögenssteuern beharrt.
Werden Sie Vermögens- und Erbschafsteuern oder höhere Körperschaftsteuer, wieder vorschlagen, wenn die aktuellen Maßnahmen nicht ausreichen sollten, um ein Defizitverfahren abzuwenden?
Ich bleibe beim Programm, das wir vereinbart haben. Die Sanierung des Budgets hat seine Ursachen in der Vergangenheit. Und das sind nicht nur Krisen, sondern strukturelle Ausgaben im Ausmaß von 13,6 Milliarden Euro, die die letzten Regierungen ohne Gegenfinanzierung umgesetzt haben. Gleichzeitig war uns wichtig, dass wir trotzdem Spielräume für die Konjunkturbelebung, den Bildungs- oder Gesundheitsbereich entwickeln können – wenn auch nicht in dem Ausmaß, das wir uns wünschen würden.
Was Sie geschafft haben: einen Mietpreisdeckel. Haben Sie die Gefahr mitbedacht, dass der Wohnungsmarkt wie beim Berliner Mietpreisdeckel durch eine Verknappung des Angebots implodieren könnte?
Uns ist wichtig, dass Wohnen leistbarer wird. Mietverträge sind künftig auch nicht mehr auf drei, sondern auf fünf Jahre befristet. Das schafft Sicherheit, auch für die Vermieterinnen. Wir haben auch ein Maßnahmenpaket gegen Leerstand. Das Wichtigste ist, dass mit Wohnungen nicht mehr spekuliert wird. Das ist gut für die Wirtschaft, steigert die Kaufkraft und den Konsum.
Gibt es, im Gegensatz zu Berlin, ein Positivbeispiel? Der Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger, sagt, dass durch den Mietpreisstopp rund 150 Mio. Euro für den Bau leistbarer Wohnungen fehlen.
Wir sind im Dialog und kennen die Anmerkungen verschiedener Interessensgruppen. Und das Regierungsprogramm gibt die Antwort: Wir sprechen über die Zweckwidmung der Wohnbauförderung oder über neue Finanzierungsinstrumente nach Vorbild der Wohn-Investitionsbank, die gemeinnützigen Wohnbau fördern und begünstigen kann.
Sie wollen den Anstieg von Mieten, bei Inflationsraten über drei Prozent, auch im nicht-regulierten Bereich bremsen. Ab wann?
So schnell wie möglich, wir arbeiten mit Hochdruck daran, weil das so viele Menschen betrifft. In Zukunft greifen wir bei einer Hochinflation in den Anstieg der Mieten ein.
PRÄSENTATION DES REGIERUNGSPROGRAMMS VON ÖVP, SPÖ UND NEOS – BABLER/STOCKER/MEINL-REISINGER
Wie hart mussten Sie über dieses Thema diskutieren? Markteingriffe sind konträr zu dem, wofür vor allem die Neos stehen.
Ich glaube, wir haben das Regierungsprogramm ganz anders gedacht. Wir sehen es als gemeinsames Projekt. Und wir haben es vielleicht noch viel gemeinschaftlicher gedacht, als es viele im Nachhinein bewerten mögen.
Der ÖVP war der Stopp des Familiennachzugs sehr wichtig. Ist das das vorrangige Problem im Migrationsbereich?
Der ÖVP war es sehr wichtig, hier eine schnelle Ansage zu machen. So, wie es bei uns im Mietbereich der Fall war.
EU-rechtlich ist der Schritt umstritten. Die Regierung beruft sich auf die EU-Notfallklausel. Wo sehen Sie einen konkreten Notstand?
Es gilt eine Zwischenstand zu erheben. Uns war wichtig, dass die Maßnahme im Einklang mit der Menschenrechtskonvention erfolgt und dass es ein Steuerungstool gibt, über das wir den Familiennachzug in Zukunft regeln. Jetzt muss die Bundesregierung innehalten, die Frage der Überlastungen evaluieren und die Kontingente entsprechend festsetzen. Das ist, offen gesagt, auch kein Widerspruch zur gängigen Praxis.
Zu schöneren Dingen: Ist Ihnen die Kultur ein Herzensanliegen?
Voll! Ich habe immer einen sehr breiten Kulturbegriff gehabt, von der sogenannten Hochkultur bis zur Klubszene. Dazu gehören auch viele Opernbesuche oder Treffen mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern, mit denen ich seit Jahren im engsten Austausch bin. Ich hoffe, dass ich genügend Zeit für alle möglichen Veranstaltungen finde.
FREQUENCY Festival 2023: Andreas BABLER/Sven HERGOVICH
Haben Sie eine Lieblings-Oper?
Am besten kenne ich mich bei der Zauberflöte aus, weil ich sie in Schulzeiten so intensiv studieren musste. Ich habe letztes Jahr bei den Bregenzer Festspielen den Freischütz spannend gefunden, insbesondere die Inszenierung.
Wird es bei der Subventionierung von Kultur – von der Staatsoper bis zu den Festspielhäusern – auch Einbußen geben müssen?
Da bitte ich noch um ein paar Wochen Geduld. Ich arbeite mich gerade ein, um einen Überblick über die Fördermittel oder nötigen Baumaßnahmen zu bekommen. Ich werde eine Arbeitsgruppe einsetzen, um die Bezahlung und soziale Absicherung für Künstlerinnen und Künstler zu verbessern. Wenn die keine Existenzgrundlage mehr haben, wird es sehr still in diesem Land.
Welchen Film können Sie sich immer wieder anschauen?
In den letzten Jahren habe ich aufgrund meiner Familie viele Kinder- und Animationsfilme gesehen. Bei der „Schule der magischen Tiere“ durfte ich mit meiner Tochter keinen Teil verpassen. „Forrest Gump“ liebe ich, historisch beeindruckend fand ich „Schindlers Liste“. So einen Film vergisst man nicht.
Andreas Babler mit seiner Frau Karin Blum
Wenn Sie allein im Auto fahren, welche Musik drehen Sie laut auf?
Das kommt auf die Stimmung an. Ich höre gerne Austropop, Georg Danzer hat mich auch politisch geprägt. Meine erste Single-Platte war Falco um 49,90 Schilling. 50 Schilling waren mein Taschengeld, das heißt: ich habe mit der Falco-Platte eine bewusste Lebensentscheidung getroffen. Ich höre aber auch gerne deutschen Indie-Pop wie Thees Uhlmann oder Kettcar. Aufgewachsen bin ich mit den Großen: U2 und Guns ‘n‘ Roses als sie hochgekommen sind. Westside Story habe ich eine Zeit lang wahnsinnig oft gehört. In mein Büro kommt sicher bald ein Lautsprecher.
Gibt es Musik, die gerade ihre Verfasstheit widerspiegelt?
Das wechselt jetzt täglich. Vor der Angelobung habe ich ein paar alte Hannes Wader-Texte durchgehört und Konstantin Wecker.
Sie haben im Standard schon verraten, dass das Nationalstadion nicht in Traiskirchen stehen wird. Werden wir uns in den kommenden Jahren ein Stadion leisten können?
Jetzt steht alles unter Budgetvorbehalt, doch es ist eine Entscheidung, die zu treffen sein wird.
Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi?
Messi natürlich.