Im neu entfachten Kaschmir-Konflikt haben sich die Kämpfe zwischen den Atommächten Indien und Pakistan am Freitagabend ausgeweitet.
„Pakistans unverhohlene Eskalation mit Drohnenangriffen und weiterer Munition entlang unserer Westgrenze geht weiter“, erklärte die indische Armee. Erstmals wurden aus der den Sikh heiligen indischen Stadt Amritsar im Bundesstaat Punjab Explosionen gemeldet. In Jammu im indischen Teil Kaschmirs waren Geschosse und Lichtblitze am Nachthimmel zu sehen. Reportern der Nachrichtenagentur Reuters zufolge fiel der Strom aus. Gegen fünf Uhr morgens seien mehrere bewaffnete Drohnen gesichtet und von indischen Luftabwehreinheiten zerstört worden. Die Polizei sprach von fünf Toten in der Region.
Indien wiederum hatte nach pakistanischen Angaben zuvor Raketen auf drei Luftwaffenstützpunkte abgefeuert. „Indien hat mit seinen Flugzeugen Luft-Boden-Raketen abgeschossen. Die Stützpunkte Nur Khan, Mureed und Shorkot wurden zu Zielen“, sagte der pakistanische Militärsprecher Generalleutnant Ahmed Sharif Chaudhry. Daraufhin habe das Militär die „Operation Bunjan“ begonnen.
Laut Armeeangaben überwanden einzelne von indischen Kampfjets abgefeuerte Geschosse zwar die Flugabwehr, richteten aber keinen Schaden an. „Jeder Zentimeter unserer Heimat wird verteidigt“, verkündete die pakistanische Regierung auf der Plattform X. Indien sei offensichtlich gewillt, seine „Aggression“ fortzuführen – und die pakistanischen Streitkräfte seien gerüstet, um die Sicherheit des Landes zu verteidigen.
Bislang rund 50 Tote
Unbestätigten Angaben beider Seiten zufolge sollen in dem Konflikt bislang insgesamt etwa 50 Menschen getötet worden sein. Auslöser war ein Angriff radikaler Islamisten auf hinduistische Touristen im indischen Kaschmir am 22. April, bei dem 26 Menschen starben. Indien erklärte, zwei der drei Tatverdächtigen seien pakistanische Staatsangehörige, legte jedoch keine detaillierten Belege vor. Pakistan weist jede Verwicklung zurück.
International löste die Verschärfung der Lage Besorgnis aus. Die EU-Kommission, die USA und andere Länder riefen beide Seiten zur Deeskalation auf. Indien und Pakistan haben seit ihrer Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1947 bereits zwei ihrer drei Kriege um Kaschmir geführt. Sie verfügen dem International Institute for Strategic Studies zufolge gegenwärtig über je etwa 170 Atomsprengköpfe.
US-Außenminister mahnt zur Deeskalation
Der pakistanische Ministerpräsident Shehbaz Sharif rief nach Angaben des Militärs für Samstag eine Sitzung der Nationalen Kommandobehörde ein. Die Behörde ist das oberste Gremium aus zivilen und militärischen Beamten, das Sicherheitsentscheidungen trifft, einschließlich solcher, die das Atomwaffenarsenal des Landes betreffen.
US-Außenminister Marco Rubio sprach am Freitag mit dem pakistanischen Armeechef General Asim Munir und forderte Pakistan sowie Indien zur Deeskalation auf. Wie ein Sprecher des US-Außenministeriums mitteilte, hat Rubio auch die Unterstützung der USA bei der Aufnahme konstruktiver Gespräche angeboten, um künftige Konflikte zu vermeiden. Ebenfalls am Freitag traf sich der indische Premierminister Narendra Modi zu Beratungen mit seinem Verteidigungsminister, dem Nationalen Sicherheitsberater und der Führungsriege der Armee. Über Ergebnisse der Beratungen wurde nicht informiert.
G7-Staaten besorgt
Die G7-Gruppe führender Industrienationen rief beide Konfliktparteien dazu auf, maximale Zurückhaltung zu üben und im gemeinsamen Dialog eine friedliche Lösung herbeizuführen. „Weitere militärische Eskalation stellt eine ernsthafte Bedrohung der Stabilität der Region dar.
Wir sind zutiefst besorgt um die Sicherheit von Zivilisten auf beiden Seiten“, hieß es in einer Erklärung der Staatengruppe, der die USA, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und Großbritannien sowie die Außenbeauftragte der Europäischen Union angehören.