Das Konzert steht auf des Messers Schneide. Nur durch das flehentliche Bitten von Vera Brandes lässt sich Jarrett schließlich erweichen und spielt trotz – oder gerade wegen der denkbar ungünstigen Bedingungen, sein Jahrhundertkonzert.
Die Geschichte des Konzerts und wie es beinahe nicht zustande kam, erzählt der israelische Regisseur Ido Fluk in seinem flott inszenierten Film „Köln 75“ (derzeit im Kino). Fluk fokussiert vor allem auf die junge Vera Brandes (gespielt von Mala Emde), die Himmel und Erde für das Gelingen der Veranstaltung in Gang setzt. Der, um den sich alles dreht, ist Keith Jarrett, faszinierend introvertiert verkörpert von John Magaro.
Nein, sagt John Magaro, amerikanisch entspannt, im KURIER-Interview: Er habe Jarrett vor der Arbeit an dem Film nicht gekannt. Aber einmal in die Materie eingearbeitet, konnte er sich der Faszination des legendären Pianisten nicht mehr entziehen: „Keith Jarrett ist ein Genie. Seine Fähigkeit, ein gesamtes Klavierstück spontan zu improvisieren, ist einfach unglaublich.“
Er selbst habe zwar in seiner Jugend Klavier gespielt, musste sich aber mithilfe eines Musiklehrers in New York in ganz neue Dimensionen hinein arbeiten: „Die Stücke von Keith Jarrett lebten nur während seines Konzerts. Wenn sie nicht aufgenommen wurden, waren sie danach weg.“ Das sei auch das Besondere an „Köln 75“, findet Magaro: „Es ist nicht wie ein Bob-Dylan-Film, wo man jeden einzelnen Song kennt und immer wieder spielen kann. Keith spielte seine Stücke ein Mal, dann wurden sie nie wieder gehört.“
Keine Musikrechte
Keith Jarrett, offenbar ein recht eigenwilliger Zeitgenosse, hatte so gar keine Lust, mit dem Filmemacher und seinem Team in Kontakt zu treten. Er gab auch die Musikrechte nicht her. John Magaro spielte daher Improvisationsstücke auf dem Klavier, die extra für den Film komponiert wurden. Bis ins kleinste Detail studierte er mithilfe von Konzertaufnahmen Jarretts Manierismen, seine Geräusche und „warum er so spielte, wie er spielte“ bis: „Denn mehr noch als die technischen Aspekte macht sein Stil sein Klavierspiel aus.“
Und ja, er hätte zu gerne mit Keith Jarrett Kontakt aufgenommen, der noch dazu gar nicht weit weg in New Jersey lebe, seufzt der Schauspieler: „Aber das war nicht möglich. Ich habe immerhin mit seinem Bruder gesprochen, um einen Eindruck zu bekommen, wie er so ist. Das Bild, das mir von ihm gezeichnet wurde, war das eines sehr schwierigen, isolierten Mannes. Ich glaube, so etwas passiert, wenn man ganz jung ins Rampenlicht gestoßen wird und von jedem gesagt bekommt, dass man der tollste Pianist der Welt ist“, meint John Magaro: „Hinzu kam, dass Keith Jarrett zu diesem Zeitpunkt gerade seinen Karrierehöhepunkt mit Miles Davis hinter sich hatte und sich neu erfinden wollte. Er befand sich an einem Tiefpunkt. Aber er blieb seiner künstlerischen Vision treu – und wurde mit enormem Erfolg belohnt.“
Ob sich Jarrett „Köln 75“ je anschauen würde? „Vielleicht“, sagt John Magaro – und zuckt mit den Achseln: „Aber ich glaube eher nicht.“