Der deutsche Satiritiker Jan Böhmermann hat in einem ausführlichen Text in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit eine Schmähschrift auf die „Menschen von gestern“ geliefert. Diese seien „die gegenwärtig größte Bedrohung für unsere Welt, unser friedliches Zusammenleben und unsere Zukunft. Menschen von gestern – raus!“, schreibt der provokationsfreudige TV-Moderator in einem Text, der natürlich wieder allerlei Interpretationsherausforderungen – ist das ernst gemeint? was daran ist ernst gemeint? – mit sich bringt.
An der Oberfläche ist der Text eine Aufforderung, alte Denkmuster hinter sich zu lassen und auch jene Art von Denkfaulheit, die mit dem Satz „Früher aber war…“ einhergeht. „Menschen von gestern, die gedankenstochernd an zerbrochenen Erklärmodellen kleben und vergeblich versuchen, sich und anderen aus ihren überkommenen Annahmen der Welt, aus vermeintlichen Gewissheiten und wenigen Gegenwartspuzzleteilen, die sie noch in ihren unbeholfenen Händen halten, ein vollständiges Bild des großen Ganzen zusammenzusetzen. Das kann natürlich nicht funktionieren und ist mordsgefährlich“, heißt es. „Alle Flüchtlinge abschieben? Linksextreme in Folterkeller sperren? Thüringer*innen mit Eiswasser übergießen? Die Scheißgrünen klatschen, bis der Meeresspiegel wieder sinkt? Klingt verlockend, bringt aber natürlich alles nix.“
Wenn man aber „einer Bevölkerungsgruppe in unserem Land die Schuld für all unsere Probleme in die Schuhe“ schieben wolle, dann sollten das die Menschen von gestern sein. Diese müssten „entmachtet“ werden.
Wen er damit eigentlich meint? „Weder lässt sie sich näher parteipolitisch umreißen, noch altersmäßig, sozial oder geschlechtlich, weder nach Hautfarbe noch nach Herkunft.“ Es seien jene, die „verlernt (oder nie gelernt) haben, so zu denken und zu reden, dass sich aus ihren Gedanken und Worten wirksames Handeln ergeben kann“: „Unsere schrecklich kompliziert gewordene Welt ist die Lieblingsselbstschutzbehauptung der Menschen von gestern. So ein Quatsch, in Wahrheit hat ihnen bloß das Internet den Kopf verdreht. Sie denken, wie sie klicken. Sie verquirlen Gefühle, Fakten und Meinung. Sie kennen Millionen Quellen, aber keine Quellenkritik.“
Böhmermanns Appell: „Menschen von morgen revanchieren sich, indem sie klügere, inklusivere Erzählungen für unsere Gegenwart und Zukunft finden. Neue, bessere Erzählungen, die Gemeinschaft beschreiben und Hoffnung auf eine freundliche Zukunft einschließen.“ Unter den „eiskalten Selbstverständlichkeiten“, vor denen „sie sich am allermeisten fürchten“, sei etwa: „Es gibt mehr als zwei Geschlechter“, „Russland muss besiegt werden“ oder „Der Verbrennungsmotor ist am Ende“.