Startseite Politik Ex-Kanzler Sebastian Kurz: „Europa sollte demütiger werden“

Ex-Kanzler Sebastian Kurz: „Europa sollte demütiger werden“

von Max

Beim Parteitag der ÖVP am Samstag in Wiener Neustadt wurde Ex-Kanzler Sebastian Kurz gefeiert. An eine Rückkehr in die Politik denkt er – laut eigener Aussage – aber nicht.

KURIER: Herr Kurz, die ÖVP hat mit Christian Stocker einen neuen Bundesparteiobmann und auch Kanzler. Vor wenigen Wochen hätte man das noch in Partei für unmöglich gehalten. Wie sehen Sie das?

Sebastian Kurz: Ich finde, dass er das sehr gut macht, und halte ihn für jemanden, der sehr besonnen agiert. Der ÖVP tut es gut, dass er in einer nicht einfachen Zeit die Führung übernommen hat. Das war sicherlich die schwierigste Phase, in der die ÖVP jemals war.

Kann es die ÖVP jetzt wieder schaffen, die Nummer 1 zu werden, wie deren neuer Generalsekretär angekündigt hat?

Das wird man sehen, aber im Moment sind keine Wahlen. Jetzt geht es darum, eine Regierung zu führen. Eine Dreierkoalition, was alles andere als eine einfache Konstellation ist. Da braucht es viel Kraft, Unterstützung, Besonnenheit – und das hat er.

Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung?

Man wird sehen, ob es gelingt, dass die Parteien zusammen für Österreich arbeiten und sich nicht im Streit verlieren. Das ist natürlich eine umso größere Herausforderung, je weiter diese Parteien inhaltlich voneinander entfernt sind. Aber geben wir den Dingen Zeit und schauen wir, wie sich die Regierung entwickelt.

Der FPÖ wäre die ÖVP inhaltlich näher gewesen. Aber diese Konstellation sollte nicht sein.

Dass ich inhaltlich wer bin, der eine Mitte-Rechts-Politik gut findet, ist bekannt. Aber die Situation ist so, wie sie ist. Es ist in unserem Wahlsystem notwendig, eine Mehrheit im Parlament zu finden. Und das ist Christian Stocker gelungen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat in seiner Aschermittwochrede gesagt, Stocker sei nur der Statthalter für Sie, bis Sie dann wieder zurück in die Politik kommen.

Ich kann darüber nur schmunzeln, dass ich Herbert Kickl anscheinend noch immer bewege. Aber um ehrlich zu sein, ich fühle mich in meiner Rolle als Altkanzler und Jungunternehmer ganz wohl und möchte es auch dabei belassen.

Kommen wird zur Weltpolitik. Sie sind jemand, der sowohl den amerikanischen Präsidenten Donald Trump als auch sein russisches Gegenüber Wladimir Putin persönlich getroffen hat. Deren Austausch zum Ukrainekrieg, ist das nur ein Polittheater für die Weltöffentlichkeit oder kann man sich davon auch etwas erwarten?

Das ist überhaupt kein Polittheater, ganz im Gegenteil. Ich gehe davon aus, dass in wenigen Wochen wahrscheinlich ein erstes persönliches Treffen in Saudi-Arabien stattfinden könnte. Die Verhandlungen laufen intensivst, es sind auch schon die ersten Erfolge erzielt worden. Es ist auch höchst an der Zeit, weil es eine unglaubliche Verwüstung und viel Leid in der Ukraine gibt. In dem vergangenen Jahr gab es auch keine nennenswerten militärischen Erfolge für die Ukraine. Ich war vor zwei Wochen in der Ukraine und habe erst unlängst mit einigen Personen in Saudi-Arabien gesprochen, die in die Verhandlungen involviert sind. Mein Eindruck ist, dass alle Beteiligen zu einem Ende kommen wollen.

Wenn man die Kommentatoren verfolgt, dann gewinnt man den Eindruck, dass Putin Donald Trump an der Nase herumführt.

Das glaube ich bei Gott nicht. Es ist aber natürlich immer leicht, diejenigen zu kritisieren, die sich für Verhandlungen einsetzen und einen Frieden erzielen wollen, so lange es noch keine Einigung gibt.

Die EU ist derzeit am Verhandlungstisch nicht erwünscht. Wie sehen Sie die Rolle von Europa?

Die Rolle der Europäischen Union war schon einmal größer. Wirtschaftlich sind wir stark zurückgefallen und wir sind definitiv nicht mehr das Zentrum der Welt. Wenn man sich anschaut, wo die wertvollsten Unternehmen der Welt ihren Sitz haben, spielt sich kaum mehr etwas in Europa ab. Auch bei diesen Verhandlungen haben die USA und andere eine viel dominantere Rolle als die EU. Das lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen ändern. Europa muss auf jeden Fall versuchen, die starke Achse mit den USA aufrechtzuerhalten. Es ist ja in Ordnung, dass sich viele europäische Politiker gewünscht haben, dass Donald Trump die Wahl verliert. Aber man sollte dieses demokratische Ergebnis akzeptieren. Die transatlantische Achse ist in den Bereichen Verteidigung, Wirtschaft und Technologie enorm wichtig.

Es ist halt im Moment extrem schwierig, weil sich die Europäer durch Donald Trump und seinen Vize JD Vance extrem gemaßregelt fühlen. Man muss nur den Auftritt von Vance in München hernehmen.

Ich habe Donald Trump ja getroffen und kenne viele Menschen in seinem Umfeld. Da habe ich schon den Eindruck, dass zählt, wie man in den Wald hineinruft. Viele haben sich über Trump lustig gemacht und sogar gemeint, dass er eigentlich ins Gefängnis gehört. Vor allem haben es viele für unmöglich gehalten, dass er die Wahl gewinnt. Jetzt ist es eben anders gelaufen. Ich habe ein Stück weit die Sorge, dass sich Europa immer mehr abschottet. Von Russland, verständlicherweise. Von China aufgrund des dortigen Systems. Von Indien und vom arabischen Raum, weil es dort keine westlichen Demokratien in unserem Sinn gibt. Diese Abschottung hätte man sich vielleicht vor Jahrzehnten leisten können, als die Weltordnung noch eine andere war. Damals waren wir in vielen Bereichen noch der Nabel der Welt. Das sind wir jetzt nicht mehr. Deswegen sollte man auch nicht die Arroganz haben, zu glauben, man sei es noch immer.

Sie sind international sehr viel unterwegs. Im arabischen Raum, in Israel, in den USA etc. Wie wird Europa dort momentan gesehen?

Leider Gottes als ziemlich irrelevant. Um ein Beispiel zu nennen: die Künstliche Intelligenz. Das ist die größte Revolution, die derzeit stattfindet. Wenn man sich nun ansieht, dass zum Beispiel Saudi-Arabien, auf das in Europa eher herabgeschaut wird, schon vor fünf Jahren eine Ministerverantwortung für KI geschaffen worden ist, dann gibt es da spürbar mehr Dynamik. Es ist notwendig, in Europa in einigen Bereichen umzudenken und auch ein bisschen demütiger zu werden. Und auch ein realistisches Bild davon zu haben, wie stark wir wirklich sind und uns nicht selbst zu überschätzen.

Sie haben Donald Trump während seiner ersten Amtszeit getroffen. Jetzt ist er erneut im Amt und überrascht die Welt fast jeden Tag mit neuen Entscheidungen. Ist das ein anderer Donald Trump?

Manches, was er macht, finde ich gut, manches lehne ich ab. Ich bin zum Beispiel ein Gegner von Zöllen, weil ich ein Freund der globalisierten Welt bin. Ob sich Donald Trump verändert hat? In gewissen Bereichen nicht. Er ist immer noch ein Dealmaker, er sieht sich immer noch als ein Präsident, der für den Frieden steht. Vieles ist gleich geblieben. Was sich definitiv geändert hat, ist das Level an Vorbereitung. In der ersten Amtszeit war er selbst überrascht, dass er Präsident wurde. Jetzt sind er und sein Team auf die Aufgabe verdammt gut eingestellt. Deswegen findet alles sehr, sehr disruptiv und mit einem ungeheuren Tempo statt. In Europa hat man oft den einen falschen Eindruck, was in den USA passiert. Da hat Donald Trump die bislang höchsten Zustimmungswerte, während die Demokraten mit unter 30 Prozent die historisch schlechtesten Werte haben.

Ex-Kanzler Sebastian Kurz: "Europa sollte demütiger werden"

Und wie sehen Sie Elon Musk, den Sie ja auch schon persönlich getroffen haben?

Wenn man heute in europäischen Medien über ihn liest, hat man den Eindruck, der kann nicht bis drei zählen. Ein Zufall, dass er einer der reichsten und erfolgreichsten Menschen der Welt ist. Ich habe ihn kennengelernt und er ist jemand mit einer unendlichen Auffassungsgabe und Schlagfertigkeit – das merkt schon nach wenigen Sätzen, die man mit ihm spricht. Wirtschaftlich ist unglaublich, was er aufgebaut hat.

Proteste gibt es gegen ihn, weil er in der Verwaltung für Trump unzählige Mitarbeiter abbaut.

Das ist sehr polarisierend. In der Politik ist es immer so: Wenn man nichts tut, polarisiert man auch nicht. Wenn man etwas tut, dann schon. Als Steuerzahler würde ich mir auch eine schlanke Verwaltung wünschen. Man kann über seinen Stil diskutieren, aber dieses Ziel ist eines, das vor hat vor einigen Jahren auch Barack Obama genauso formuliert und viele Regierungen der Welt wollen das auch. Wir haben es in meiner Zeit teilweise auch erfolgreich vorangetrieben. Da habe ich auch gelernt, Leute einzustellen ist leichter, als Leute abzubauen.

über uns

Wp logo2

Damit wir Ihnen möglichst schnell weiterhelfen können, bitten wir Sie, je nach Anliegen über die hier genannten Wege mit uns in Kontakt zu treten.

Aktuelle Nachrichten

Newsletter

2020-2022 – Wiener Presse. Alle Rechte vorbehalten