Christian Ilzer wird den Trainerposten bei der TSG Hoffenheim übernehmen. Die Aufregung unter den Sturm-Fans ist enorm. Verständlich, doch nüchtern betrachtet ist der Deal ein normaler Vorgang des Fußball-Business. Ein Kommentar.
„Was hamma zuerst? A Regierung oder a Vereinsführung?“ An den Stammtischen der Sturm-Fans herrscht aktuell ein wenig Galgenhumor. Und man muss zugeben, es ist schon einigermaßen bizarr was die Anhängerschaft dieser Tage durchmacht.
Sportlich: Alles auf Schiene. Man ist Tabellenführer, im Cup steht man im Viertelfinale und der Verein hat noch vier Chancen endlich auch resultatmäßig in der Champions League anzukommen. Dominierend ist in dieser Länderspielpause aber das, was personell bei Sturm passiert. Vor wenigen Wochen wechselte Andreas Schicker als Sportdirektor nach Hoffenheim, jetzt holt er Sturms Doublesieger-Trainer als Übungsleiter in den Kraichgau nach. Samt erfolgreichem und in Graz nicht minder geschätztem Trainerstab um „Honigdachs“ Uwe Hölzl, dessen Kabinenansprachen Kult sind.
Was im ganzen Wirbel um Ilzer fast ein wenig untergeht, ist, dass Sturm auch nach wie vor ohne Geschäftsführer Sport dasteht. Der soll in der nächsten Woche präsentiert werden. Bis es soweit ist, findet sich der SK Sturm aber in einer Situation wieder, die in der Vereinsgeschichte einzigartig und in ob der sportlich so erfolgreichen Periode umso kurioser anmutet: Der Verein steht ohne Führung da.
Das bedeutet nicht, dass der der Klub jetzt völlig unkoordiniert durch die Gegend mäandert, aber ungut fühlt sich die Situation trotzdem an. Nicht nur für die Fans, auch für die Spieler wird die gegenwärtige Lage alles andere als einfach sein, zumal manche von ihren Nationalteams zurückkommen und dann plötzlich Teil eines völlig neuen Kapitels des SK Sturm werden.
Was bei all der Aufgeregtheit und einer Vielzahl an Internet-Kommentaren in denen der Hoffenheimer „Raubzug“ Andreas Schicker übelgenommen wird und ihm unter anderem vorgeworfen wird, sein „Sturm-Herz“ verraten zu haben, nicht zu kurz kommen darf, sind die nüchternen Fakten: Christian Ilzer hat den SK Sturm 2020 in einer Lage übernommen, als man sportlich am Boden lag, Letzter der Meistergruppe war. Heute ist man Österreich unumstrittene Nummer Eins. Ilzer holte zwei Cupsiege und einen Meistertitel, der Verein ist Stammgast in europäischen Gruppenphasen, der Trainer weist nach 195 Pflichtspielen einen Punkteschnitt von 1,85 auf. Ilzer hat in Österreich alles erreicht.
Sein Ziel, einmal in einer Top-Fünf-Liga zu arbeiten, war immer bekannt, dazu hat er sich stets klar deklariert. Jetzt ergab sich die Chance, dass das Dreamteam Ilzer-Schicker wieder auflebt. In Hoffenheim, wo man gegen den Abstieg kämpft, mit einer sehr kritischen Fanbasis konfrontiert ist und man vor allem eines hat: keine Zeit. Eine geregelte Amtsübergabe in der Winterpause war also für den SAP-Werksverein nie eine Option. Dass Ilzer die Chance beim Schopfe packt, ist normal, genauso, wie dass Schicker nach der Demontierung von Ex-Trainer Matarazzo als erstes bei Ilzer durchgeklingelt hat.
Es ist, so sehr man als Fußballromantiker auch selbst an emotionaler Bindung und Vereinsloyalität hängen mag, dieses hässliche Wort: Business. Und das lässt keinen Platz für Romantik. Was aber in Graz dazukommt, ist der Umstand, dass die Personalie Ilzer auch ein wichtiger Teil in der Bestellung des neuen Sportdirektors gewesen wäre. Denn dass das Duo Trainer-Sportdirektor eingespielt sein muss, um Erfolg zu haben, bewies gerade das Beispiel Ilzer-Schicker. Jetzt kommt dem neuen Sportchef gleich die Aufgabe zu, sich um einen neuen Trainer zu kümmern. Und das beim führenden Verein des Landes und einer enormen (weil erfolgsverwöhnten) Erwartungshaltung. Es gibt wahrlich leichtere Antrittsaufgaben.
Was eine sportliche Verschlechterung zur Folge haben würde? Das kann man sich vorstellen! Hoffenheim würde zum totalen Zerstörer des SK Sturm stilisiert werden. Umso mehr ist zu hoffen, dass die Personalfragen des SK Sturm bald keine mehr sind, denn die Erfolgsreise der Schwarzweißen, da sind sich alle Fans einig, soll weitergehen. Dass es schwer genug sein wird, die erfolgreiche Arbeit von Andreas Schicker fortzusetzen war an dieser Stelle vor wenigen Wochen schon Thema. Für den Nachfolger von Christian Ilzer gilt dasselbe. Er wird festes Schuhwerk brauchen. Und großes. Denn die Spuren die Ilzer in Graz hinterlässt sind enorm.