Die Gazprom hat ihre Lieferungen an die OMV plötzlich eingestellt. Ab Jänner soll gar kein Gas mehr über die Ukraine in Österreich ankommen. Was das bedeutet.
Was die österreichischen Energieversorger und die Regierung in zweieinhalb Jahren nicht zustande brachten, dafür sorgte nun der Lieferant: Die russische Gazprom liefert seit Samstag kein Gas mehr für den österreichischen Markt. Hintergrund ist ein Rechtsstreit über nicht eingehaltene Liefermengen, den die OMV vor einem Schiedsgericht gewonnen hat. Gazprom muss 230 Millionen Euro Schadenersatz zahlen – und stellte die Lieferungen daraufhin ein.
Das ist heikel, weil Österreich bis zuletzt nahezu sein gesamtes Erdgas – im Schnitt rund 90 Prozent – aus Russland bezog. Anders als etwa Italien und Deutschland hatte Wien die russischen Importe nicht eingestellt, nachdem Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen hat. Seither flossen mehr als zwölf Milliarden Euro aus Österreich in Putins Kriegskassa – ein Vielfaches der humanitären und finanziellen Hilfen, die die Regierung der Ukraine geschickt hat.
Nun hat die vom russischen Staat kontrollierte Gazprom Fakten geschaffen. Zwar kommt weiterhin russisches Gas in Österreich an, wenn auch deutlich weniger. Allerdings handelt es sich dabei nur mehr um Mengen anderer Händler aus dem Ausland, die das Gas durchleiten oder ihrerseits weiterverkaufen. Der österreichische Markt hingegen wird nicht mehr direkt beliefert.
Ende der Gasdrehscheibe
Endgültig vorbei mit der „Gasdrehscheibe“ Österreich dürfte es Anfang Jänner 2025 sein. Dann läuft der derzeitige ukrainisch-russische Transitvertrag aus. Die Ukraine will danach, das hat sie mehrmals angekündigt, kein russisches Gas mehr Richtung Westen – also Slowakei und Österreich – durchleiten.
Angesichts der Verwüstungen, die Russland tagtäglich anrichtet, ist das mehr als verständlich. Nicht verständlich ist aber, warum sich Österreich nicht besser auf diesen Fall vorbereitet hat. Expert:innen wie der ehemalige OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss betonen seit über einem Jahr, dass es dringend und schnellstmöglich Investitionen in die Gasinfrastruktur braucht.
Insbesondere den Ausbau des WAG-Loops, einem wichtigen Verbindungsstück im Mühlviertel, hat die Regierung lang verschleppt. Der Ausbau ist nötig, um künftig größere Mengen aus Deutschland zu beziehen. Er wird nun aber frühestens 2027 fertig, wie es von dem für den Bau zuständigen Netzbetreiber GasConnect heißt. Auch die Regierung machte kaum Druck. Allzu eilig schien es keiner der Beteiligten zu haben.
Zugutehalten kann man der scheidenden schwarz-grünen Regierung, dass sie etwa die Speicherverpflichtungen der heimischen Gasversorger erhöht hat. Mit dem Gasdiversifizierungsgesetz wurde der Transport von nicht-russischem Erdgas nach Österreich erleichtert. Auch das Anlegen der strategischen Gasreserve von 20 Terawattstunden – etwa einem Fünftel der österreichischen Speichermengen – erhöhte die heimische Versorgungssicherheit.
Was es jetzt braucht
Ex-OMV-Chef Roiss forderte nun auf Ö1, die Mengen aus der strategischen Gasreserve schon jetzt freizugeben, um Preissteigerungen infolge der nun beendeten Lieferungen für den österreichischen Markt möglichst abzufangen. Energieministerin Leonore Gewessler antwortete, dass die Reserve nur für absolute Notfälle vorgesehen sei. Einen solchen gebe es derzeit nicht, auch weil die Gasversorgung Österreichs sichergestellt sei.
Das ist richtig, haben sich die Energieversorger doch in den letzten zwei Jahren alternative Liefermengen gesichert. Dass bis zuletzt dennoch fast ausschließlich russisches Gas gekauft wurde, liegt zum einen an den wohl immer noch attraktiveren Konditionen, zum anderen auch am Liefervertrag zwischen OMV und Gazprom, der noch bis 2040 läuft.
Die OMV, obwohl teilweise im Staatsbesitz, legte den Vertrag nie offen. Selbst die Bundesregierung behauptete, den Liefervertrag nicht zu kennen – und das, obwohl er im Beisein des früheren ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz, neben Putin stehend, bis 2040 verlängert worden war. Ob die OMV den aktuellen Lieferstopp dafür nutzt, aus dem Vertrag auszusteigen, beantwortete das Unternehmen bisher nicht. Klar ist: Wenn die Gazprom nicht mehr liefert, nutzt auch der beste Vertrag nichts.
Neue Preissteigerungen?
Fraglich ist nun, ob es wieder zu massiven Preissteigerungen wie schon 2022/2023 kommt, als die Gazprom willkürlich am Gashahn gedreht hatte. Schon jetzt sind die Preise deutlich gestiegen, von rund 35 auf knapp 50 Euro pro Megawattstunde. Nun wurde bekannt, dass auch die Netzgebühren ab Anfang 2025 deutlich steigen werden – beim Strom um 23,1 Prozent, beim Gas um 16,6 Prozent. Diese Mehrkosten könnten die eben erst gedrückte Inflation neuerlich anheizen.
Die Regierung beschwichtigt einstweilen: „Wir lassen uns von niemandem erpressen, auch nicht von Wladimir Putin“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer. Dabei ist genau das geschehen: Österreich hat sich aus freien Stücken in eine Abhängigkeit von Russland begeben und diese bis vor kurzem noch verfestigt.
Insofern ist das nun erzwungene Ende auch die späte Chance für eine politische Kurskorrektur und eine Abkehr von Russland – ob es sich um die überfällige Neutralitätsdebatte oder eine stärkere Unterstützung der Ukraine handelt. Ob sie auch genutzt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns – sag uns deine Meinung unter [email protected]. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Daten und Fakten
-
Russisches Gas spielt traditionell eine sehr wichtige Rolle für Österreich. 1968 war Österreich das erste westeuropäische Land, das einen Gasliefervertrag mit der damaligen Sowjetunion abschloss. Dies war ein historischer Durchbruch während des Kalten Kriegs.
-
Die OMV (Österreichische Mineralölverwaltung) entwickelte sich zum wichtigen Partner für Gazprom. Österreich wurde durch seine geografische Lage zu einem bedeutenden Gas-Knotenpunkt für andere Länder. Eine wichtige Rolle spielt dabei besonders der Verteiler-Hub in Baumgarten an der March, über den große Mengen Gas nach Westeuropa und Italien weitergeleitet wurden.
-
Vor dem Ukraine-Krieg 2022 bezog Österreich zwischen 80 und 90 Prozent seines Gasbedarfs aus Russland. Dies führte zu günstigen Gaspreisen, schuf aber auch eine starke Abhängigkeit. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs begann Österreich – wie andere EU-Länder – die Abhängigkeit zu reduzieren. Allerdings gestaltet sich die Umstellung aufgrund der jahrzehntelangen engen Verflechtung und der fehlenden Infrastruktur für andere Gasquellen als schwierig.