Startseite Kultur Keine Effekte für Netflix mehr aus Wien? „Wir müssen eine Lösung finden“

Keine Effekte für Netflix mehr aus Wien? „Wir müssen eine Lösung finden“

von Max

Am Anfang stand ein Traum. „Ich habe immer geträumt davon, eine Chance bei den großen Projekten zu kriegen“, sagt Valentin Struklec. „An der Popkultur mitarbeiten, dass man den Content macht, den die Welt anschaut. Das war das Ziel.“ 

Mittlerweile beliefert sein Visual-Effects-Studio VAST von Wien aus Hollywood mit seinen Bildwelten. Die Serien „House of the Dragon“  und „Star Trek: Discovery“ zählen zu den ganz großen Namen.

Begonnen hat der gebürtige Steirer als Kameraassistent und „Mädchen für alles“. Irgendwann sei er in den Bereich Postproduktion gerutscht, erzählt Struklec, weil für Oskar Roehlers „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ (2010) ein VFX Supervisor gesucht wurde. Der Sprung ins Ausland war damals unweigerlich, weil es hierzulande kaum Möglichkeiten gab – „außer vielleicht, die Leiner-Werbung zu machen“, sagt Struklec. Nach Stationen in London und Vancouver als VFX Artist ging es zurück nach Wien. Bei der Bewerbung für eine Lehrtätigkeit an der Filmakademie gab es Bedenken, ob Struklec länger hierbleiben würde – weil Aufträge fehlen. Daher gründete er 2017 einfach sein eigenes Studio. VAST, bestehend aus den beiden Anfangsbuchstaben seines Namens, und auch international kompatibel: „vast“ steht im Englischen für weit, enorm, ausgedehnt. Und so sind mittlerweile auch die Möglichkeiten der Firma.

Valentin Struklec (links vorne) mit einem Teil seines Teams

Von null angefangen

„Wir haben am Anfang kaum etwas verdient und alles immer reinvestiert. Damals gab es zwar den Studiengang, aber keine Studierenden. Ich musste das von null aufbauen“, sagt Struklec. „Leute, die wir ausgebildet haben, gingen dann ins Ausland, um Erfahrungen zu sammeln. Wir haben darauf gebaut, dass sie irgendwann zurückkommen, um einen Artist Pool aufzubauen – damit wir, wenn Ridley Scott anruft, vorbereitet sind. Darauf haben wir hingearbeitet.“

Im Zuge von Corona wurde VAST dann groß – durch den internationalen Produktionsstau, der abgearbeitet werden musste. Erstes Großprojekt war die Amazon-Serie „Carnival Row“. In zwei Monaten sei man von 5 auf 40 Mitarbeiter gewachsen. Auch für „Star Trek: Discovery“ und „The Rig“ wurde um Hilfe angefragt. „Und dann ist es sowieso abgehoben, sagt Struklec.

Keine Effekte für Netflix mehr aus Wien? "Wir müssen eine Lösung finden“

VAST hisste seine Flagge in Wien-Margareten. Das Büro erstreckt sich über zwei Stockwerke eines alten Zinshauses

Für die Fantasyserie „House of the Dragon“ wurden Welten erschaffen – was wiederum den Kontakt zu Kultregisseur Wes Anderson ermöglichte, der gerade an „Asteroid City“ arbeitete. Auch an dessen Netflix-Kurzfilm „The Wonderful Story of Henry Sugar“, der 2024 den Oscar gewann, hatte VAST Anteil. Zunächst sei er skeptisch gewesen, ob die Arbeitsschritte nicht zu komplex sind, meint Struklec, aber dann seien die Partner „überaus glücklich gewesen.

Der deutsche Titel „Ich sehe was, was du nicht siehst“ gilt auch für die VFX-Arbeit: Man arbeitet an einzelnen Shots, sieht das Ganze nicht. Als er den Film sah, habe er gedacht: „Der ist schön, da haben wir echt was Gutes gemacht.“

Derzeit sind es dreißig Mitarbeiter, die in den sich über zwei Stöcke erstreckenden Altbauräumen arbeiten. Die Firma sitzt in einem ruhigen Wohnviertel im 5. Wiener Gemeindebezirk, mit josephinischen und biedermeierlichen Häusern. Home Office ist auch ein Thema, dabei greifen die VFX Artists  von zuhause auf Server im Büro zu. „Wir dürfen keine Daten außer Haus geben, sagt Struklec.

Zur angrenzenden Kletterhalle und einer Druckerei bestehen freundschaftliche Kontakte. „Wir gehören alle ein bissl zusammen und wir helfen zusammen“, sagt der Gründer. Die gesamte Rechnerleistung befindet sich unter dem Innenhof. „Mit der Abwärme wird die Kletterhalle geheizt“, sagt Struklec. Auf dem Hallendach durfte man Photovoltaik installieren. Dies wurde „wegen unglaublicher Stromrechnungen“ nötig, mit bis zu 25.000 Euro im Monat. „Darunter haben wir ziemlich gelitten“, sagt er.

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VFX Artist arbeitet an der Sky-Miniserie „Ich und die anderen“ von David Schalko

Aktuell ist der Betrieb durch den budgetbedingten Antragsstopp bei ÖFI+ und FISA+ gefährdet. Die Förderschienen waren ab 2023 auch im Bereich VFX attraktiv für Hollywood. „Wir haben das gespürt, als durch die US-Streiks der Markt gecrashed ist. Wir hatten hingegen die Möglichkeit, weiter aufzubauen.“

Dadurch, dass seit Anfang des Jahres nicht um frisches Fördergeld angesucht werden kann (der KURIER berichtete), droht aber ein Crash. „Wenn man mit anderen Dienstleistern redet, dann sind die erschrocken, um welches Ausfallsvolumen es hier geht. Dann sieht man erst, was das für die gesamte Filmwirtschaft bedeutet“, sagt Struklec. „Es ist, glaube ich, vielen nicht bewusst, dass das ein Gesamtkollaps werden könnte, wenn das alles bis Ende des Jahres nicht planbar ist.“

 

„Dann gibt’s uns halt nicht mehr“

Dabei  hat gerade die Schaffung des neuen Filmanreizmodells vor zwei Jahren die Planungssicherheit wesentlich erhöht, weil von der türkis-grünen Bundesregierung auch versprochen wurde, dass die Gelder dem Sinn nach ungedeckelt zur Verfügung stehen sollen.

„Wir haben das Versprechen der FISA-Förderung ernst genommen und diese international beworben“, sagt Struklec. „Nun stehen wir vor der Situation, diese den Kunden auch anbieten zu müssen, um das Verhältnis nicht zu zerstören.“ Ein Projekt sei schon ins Ausland gewandert. „Daher telefoniere ich seit Wochen, um neue Projekte zu akquirieren“, sagt er. Es geht um die Harry-Potter-Serie. Ein anderes wäre die Sci-Fi-Serie „Dune“. „Man kann internationalen Kunden nicht sagen, dass es Probleme geben könnte. Sobald Unsicherheit aufkommt, sind die weg.“ Im April wäre für „Star Trek: Strange New Worlds“ die Arbeit gestartet. „Wir wissen aber nicht, wie wir die 35 Prozent Differenz finanzieren sollen, fest steht nur: Wir müssen irgendeine Lösung finden.“

Und was, wenn nicht? Struklec: „Manche sagen, dann muss man nach Ungarn gehen, dort gibt es ein gut geöltes Incentive. Ich habe 15 Jahre daran gearbeitet, dass es so etwas hier gibt. Daher würde ich das einfach schade finden. Der Worst Case wäre: Dann gibt’s uns halt nicht mehr.“

Der Firmenchef möchte aber grundsätzlich optimistisch in die Zukunft blicken. „Ich würde sehr gerne ,Harry Potter‘ machen und ,Star Trek‘, ,Dune‘ – was auch immer es noch geben würde. Das ist die Zukunft, in die ich eigentlich schauen will. Momentan wäre es wichtig, Planungssicherheit zu haben, also zumindest einen Zeitplan kommuniziert zu bekommen und die Rahmenbedingungen zu kennen. Weil wir das nach außen kommunizieren müssen und unsere Kunden sonst verlieren.“

 

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