Ein Besuch in Sturlas Atelier: Ein Plastikgriff, eine Kellertreppe, der Geruch von Feuchtigkeit – um hier einzutreten, muss man erst einmal den Kopf einziehen. Die Lage im Souterrain ist typisch für Ateliers in Wien. Vier Räume, die er sich mit einem anderen Bildhauer teilt. Auf den Tischen im größten Raum liegen Skizzenblätter, Tonfragmente und unfertige Skulpturen – Ergebnisse und Zwischenschritte zugleich. Im Nebenraum nach einem schmalen Gang kann man schließlich das Herzstück besichtigen: ein großer Toplader-Brennofen.
Er könnte nicht höher sein – sonst käme man mit den Händen nicht mehr an die Skulpturen heran.
Fordernd
Hier unten im Keller ist es kühl, trotzdem friert Sturla während der Arbeit nicht: Zunächst fertigt er die Skulptur aus Ton an. Dann zerschneidet er diesen ungebrannten Ton in seine Einzelteile und erhitzt ihn im Ofen – ein körperlich sehr fordernder Prozess. Beim Entwerfen der Skulpturen orientiert sich Sturla an den Zeichnungen, die hier überall an den Wänden hängen. Jedoch arbeitet er nie streng nach Blaupause: Wenn er zwischendurch Tee aufgießt und sich mit etwas Abstand auf einen Stuhl setzt, dann komme er immer wieder auf neue Ideen, sagt er. Ideen, die er dann wiederum direkt in seine Zeichnungen einarbeite.
Auch Sturlas Wandlung zum Monumentalen entspringt diesem organischen Arbeiten: Es habe keinen Moment gegeben, in dem er sich gesagt habe: „Jetzt arbeite ich groß!“, sagt er. Es sei einfach passiert. Schon früher glichen seine Skulpturen Landschafts- oder Maschinenfragmenten, denen zugleich etwas Menschliches innewohnte, die Körpern ähnelten. Da war es nur der logische nächste Schritt, einen Organismus in einer Größe zu schaffen, der tatsächlich dem menschlichen Maßstab entspricht.
Ist seine Kunst also einfach geschehen? Nein, sagt Sturla. Man kann nicht einfach ins Atelier kommen und experimentieren, wie man es vielleicht mit Farbe auf der Leinwand täte. Wer Skulpturen anfertigt, muss vorher ungefähr wissen, welches Volumen, welche Dimensionen die nächste Arbeit haben soll. Er muss die nötige Menge Ton vorbereiten, ausrollen, strukturieren. Das alles erfordert Planung – die Aufteilung des Prozesses in Etappen, das Vorausdenken: Wie viel Material wird an welchem Tag gebraucht?
Eisenbahn. Maschinen. Brennöfen.
Zwei Mal die Woche pendelt Sturla mit dem Zug nach Linz, wo er als Dozent arbeitet. Seine teure Skulpturenkunst, die noch dazu schwer verkäuflich ist, querfinanziert er auf diese Weise. Auf diesen Zugfahrten – regelmäßig, gleichförmig – erinnert er sich an seine Heimatstadt, das englische Swindon, Wiege der Eisenbahn und des Maschinenbaus. Seine Welt.
Entsprechend dieser Herausforderungen ist Sturla kein impulsives Genie, wie man sich Künstler manchmal vorstellen mag. Die Arbeit, die Routine, das Schöpferische, was aus dem Gleichförmigen des menschlichen Tuns hervorgeht – das ist es, was Sturlas Arbeit definiert.
Das ist es, was überdauert, auch in einer Welt nach der Zukunft. Wenn sich Laurence Sturla auf einer Vernissage vorstellt, verliert er daher keine großen Worte. Ein schlichter Satz genügt: „Ich sage einfach: Ich arbeite mit Skulptur.“
Dieser Text entstand im Zuge des Art Writing Programme von Phileas – The Austrian Office for Contemporary Art in Zusammenarbeit mit der Reporter-Akademie.