Sie rührten ihn. Die samtigen Stimmen der mehr als hundert Sängerinnen aus 41 Chören, die dem englischen Monarchen heuer ein Geburtstagsständchen brachten. Die Militär-Ehefrauen hatten ein britisches Schlaflied umgedichtet und erzählten darin von jenem Sonntag im November, als am 14. Tag des Monats, in einem „kalten, nebligen London“ der künftige König das Licht der Welt erblickte.
Er sei „tief berührt“, schrieb König Charles den Militärfrauen in einem Brief, von der „wunderbar nachdenklichen Würdigung“. Und doch konnte er sich den Nebensatz nicht verkneifen, dass er seinen Geburtstag dieses Jahr auch gerne vergessen hätte.
Denn bei „denjenigen von uns, die ein gewisses Alter erreicht haben“, stehe „das Bedürfnis nach solchen Geburtstagsfeiern im umgekehrten Verhältnis zum fortschreitenden Alter“.
Ein Jahr des Schreckens
Es war aber auch ein schwieriges Jahr für den britischen Monarchen. Im Februar hatte er seine Krebsdiagnose öffentlich gemacht. Nur wenige Wochen später teilte seine Schwiegertochter und künftige Königin, Prinzessin Catherine, das gleiche Schicksal.
Doch während sich Kate für die Dauer ihrer Krebsbehandlung eine Auszeit nahm, kehrte König Charles schon nach wenigen Wochen zu seinen Agenden zurück, stürzte sich in die Arbeit. Vergangene Woche, als eine Brustinfektion Königin Camilla zur Bettruhe zwang, musste Charles die Feierlichkeiten zum alljährlichen Remembrance Day (an dem den gefallenen britischen Soldaten gedacht wird) ohne „seine Stütze“ begehen.
Auch an seinem Geburtstag wird König Charles nicht ruhen. Er wird zwei Lebensmittel-Verteilungszentren eröffnen (eines persönlich, eines online). Die Zentren sind eine Weiterentwicklung seines „Coronation Food Project“, das er zu seinem 75. Geburtstag vergangenes Jahr eröffnet hatte und mit dem bereits 1.000 Tonnen Lebensmittel – oder umgerechnet 2,24 Millionen Mahlzeiten – gerettet werden konnten.
Zwischenrufe im Parlament
Doch das Bild des fürsorglichen Königs teilen derzeit nicht alle. Als König Charles im Zuge seiner Australien-Reise im Oktober das Parlament in Canberra besuchte, konfrontierte ihn die unabhängige Senatorin Lidia Thorpe: „Ihr seid nicht unser König!“ , rief sie, bevor sie aus dem Saal geführt wurde. „Gebt uns unser Land zurück; unsere Knochen, unsere Schädel, unsere Kinder, unser Volk.“
Charles ging vor Ort nicht auf den Vorfall ein; er war mit Königin Camilla und dem australischen Premierminister Anthony Albanese ins Gespräch vertieft. Doch Aktivisten und Medien griffen das Thema auf, Rufe nach einer australischen Republik wurden lauter.
Es ist nicht der einzige Ort, an dem es brodelt. Nach dem Tod von Königin Elizabeth vor zwei Jahren erklärte der Premierminister vom karibischen Antigua und Barbuda, innerhalb von drei Jahren ein Referendum abhalten zu wollen. Terrance Drew, Premierminister vom den Nachbarinseln St. Kitts and Nevis, meinte vergangenes Jahr, sein Land würde unter Charles „nie ganz frei sein“. Und Jamaika will eigentlich bis 2025 König Charles als Staatsoberhaupt abschaffen.
Abgespeckte Monarchie
Doch König Charles ist sich des Längeren bewusst, dass die Monarchie nicht wie unter seiner Mutter fortgeführt werden kann. Er wollte ursprünglich bereits die Krönungsfeierlichkeiten kleiner halten (sie beliefen sich Schätzungen zufolge dann aber doch auf bis zu 100 Millionen Euro) und verschlankte die Monarchie. Er verkleinerte die Riege der „Senior Royals“ und verringerte die Anzahl offizieller Termine. Gab es vor einem Jahrzehnt noch rund 4.000 Auftritte, waren es 2023 nur mehr 2.730.
Und als Barbados 2021, 54 Jahre nachdem es die Unabhängigkeit erhalten hatte, nun auch die Queen als Staatsoberhaupt absetzte, wohnte Charles der Zeremonie sogar bei; reiste als zukünftiger König an und als besuchender Würdenträger wieder ab.
Auch die Australier ließ König Charles nun also wissen: Die Entscheidung, eine Republik zu werden, liege bei ihnen.
Während Charles‘ Jahre voranschreiten, scheinen die Tage der britischen Monarchie, wie wir sie kennen, gezählt.