Die Absolventin der Akademie der bildenden Künste in Wien durfte sich auch ihr Team zusammenstellen. Nina von Mechow, Bühnenbildprofessorin ebendort, konstruierte ihr eine formatfüllende Spinne als Monstermarionette in Laubsägen-Ästhetik mit leuchtenden Augen und einem Hinterleib aus Korbgeflecht. Die Schwarze Witwe tötet bekanntlich das Männchen nach der Paarung.
Und Kurdwin Ayub erzählt die Rahmenhandlung der Erzählungen aus „Tausendundeiner Nacht“ genau andersrum. Wir schreiben das Jahr 2666 im Islamischen Staat Europa, an der Macht ist die unersättliche Königin Aliah, die jede Nacht einen jungen, weißen Mann vernascht – und diesen danach ihrem putzigen Haustier, eben der Schwarzen Witwe, zum Fraß vorwirft.
Verkörpert wird die Königin von der Berliner Rapperin addeN: Sie strotzt im Bauchtanz-Bikini samt blauem Umhang als aufgetakelte Super-Woman vor Selbstvertrauen und springt mit ihrer Leibwache in Latex-Overalls rüde um. Das verwendete Vokabular ist ziemlich derb, der Tonfall herrisch. Eine beeindruckende Performance.
Der devote Eunuch (Benny Claessens) und die zackige Soldatin Jessica (Zarah Kofler) haben alsbald Mühe, Männerfrischfleisch zu akquirieren. Aber dann bietet sich – wie Scheherazade – ein „alter weißer Mann“ an. Er erzählt die Geschichte der revoltierenden „Weißen Witwe“ aus dem Jahr 2004 und endet einfach, wenn er müde ist. So bleibt er am Leben.
Kasperl aus Floridsdorf
Georg Friedrich kommt als kauziger Kasperl aus Floridsdorf im Sultanskostüm ziemlich gut an in Berlin. Zusammen mit Benny Claessens gibt er ein Rüpel-Paar in Shakespeare’scher Tradition. Doch er bleibt als Lachnummer weit unter seinen Möglichkeiten. Schauspielerisch zu brillieren versteht einzig Samirah Breuer: Als Aliahs Tochter Cezaria findet sie es gar nicht gut, was ihre Mama macht. Ayub bedient sich dabei an der griechischen Tragödie: Cezaria, ein Kind der Gegenwart, will das Volk von der Tyrannei befreien – und predigt Menschlichkeit.
Der Kreislauf der Gewalt wird aber keineswegs durchbrochen. Der weiße Mann offenbart sich als das personifizierte Böse, die geile Königin endet als Sexpuppen-Leiche, auch die Tochter muss dran glauben. Nebenbei dekliniert Kurdwin Ayub einige Klischees durch – über Religion und Orient. Und sie reflektiert mehrfach ihr eigenes Schicksal als Frau mit Migrationshintergrund, die sich gefälligst so und so zu verhalten habe. Cezaria fungiert dabei als ihr Alter Ego.
Zusammen ergibt das – ey, krass! – eine grelle Revue. Ayub kombiniert bunte Musical-Elemente samt gefälligen Tanzeinlagen als Füller mit seichten Witzen und eingespielten TikTok-Videos. Sie zelebriert das Amateurhafte, teasert munter viel zu vieles an. Der fehlende Tiefgang beginnt irgendwann zu nerven und die immer wieder herabgleitende Spinne mit den beweglichen Beinen zu langweilen. Aber vielleicht ändert sich ja noch manches bis zu den Vorstellungen am 6., 7. und 8. Juni bei den Wiener Festwochen.