Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer hat sich am Dienstag erstmals zu den Turbulenzen in der SPÖ nach dem bekannt gewordenen kritischen E-Mail der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures geäußert. Bures habe die Kritik „innerhalb des Gremiums deponiert“. „Das hat bei uns in einer demokratischen Bewegung immer Platz. Programmatische Kritik hält die Sozialdemokratie in ihrer Heterogenität aus“, sagte Dornauer. Gleichzeitig bekundete er SPÖ-Chef Andreas Babler seine Loyalität.
Er frage sich, wie lange man noch über ein „einseitiges Schreiben“ diskutieren könne, so Dornauer bei einer Pressekonferenz in Innsbruck zu dem internen E-Mail, das schließlich das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Bures hatte darin Kritik an Vorschlägen für das rote Wahlprogramm geäußert. „Bedauerlich“ nannte der Landeshauptmannstellvertreter das Weiterleiten an die „Kronen Zeitung“ aus dem offenbar innersten Führungskreis. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen.
Auf die Frage, ob er die inhaltliche Kritik von Bures teile, antwortete Dornauer ausweichend bzw. eher zugeknöpft. Den „ein oder anderen Kritikpunkt ein einem Wahlprogramm“ könne es immer geben, man müsse aber auch immer die „Klammer drüber sehen“. „Es gibt Ideen und Vorstellungen, die man mehr mitträgt und welche, die man weniger mitträgt. So solidarisch ist die Sozialdemokratie.“
Bures habe die Kritik zuvor in einem Online‐Präsidium, an dem er entschuldigt nicht teilgenommen habe, geäußert und dann aufgrund „fehlender
Resonanz verschriftlicht“, zeigte Dornauer viel Verständnis für die von ihm „geschätzte“ Bures. Gleichzeitig verwies Tirols oberster Roter auf den Beschluss
des Wahlprogrammes im roten Parteivorstand mit nur einer Gegenstimme. „Offensichtlich wird das Wahlprogramm ‐ in Verantwortung von Babler, das
sage ich schon dazu ‐ mitgetragen“, so Dornauer betont nüchtern feststellend.
Dornauer war in der Vergangenheit wiederholt mit kritischen Bemerkungen zu Babler aufgefallen. Vor allem an der SPÖ‐Migrationslinie hatte er stets
einiges zu beanstanden. Dieses Kapitel im Wahlprogramm sei „sehr pointiert, restriktiv formuliert“, befand er nunmehr wohlwollend. Ein „Stück Papier“ sei
aber zu wenig, gleichzeitig brauche es auch „mutige Politiker“, die klare Worte finden. Er habe „immer ganz offen einen restriktiven Kurs“ verlangt, sah sich
Dornauer durch die nunmehrige europaweite Diskussion bestätigt. „Parteien in der parlamentarischen Mitte müssen das namhaft machen, sonst sehen wir
uns mit Wahlergebnissen konfrontiert wie in Thüringen und Sachsen. Auch jüdische Organisationen haben zuletzt an die Politik appelliert, endlich Tacheles
zu sprechen“, betonte der Landeshauptmannstellvertreter.
Ungeachtet aller Probleme sei „Platz eins für die SPÖ bei der Nationalratswahl möglich“, meinte Dornauer auf Nachfrage. Jedenfalls müsse es Platz zwei
werden, wiederholte er eine zuletzt im APA‐Interview aufgestellte Forderung: „Sonst bin ich nicht froh.“ Was er Babler bei Platz drei empfehlen würde? „Ich
empfehle nichts. Und wie immer nach einer Wahl: Dann werden wir am 30. September schauen, wie die Parteienlandschaft im Nationalrat aussieht.“
„Dornauer ist loyal und steht zum Bundesparteivorsitzenden“, bekundete der Landesparteichef aber schon mal rote Treue in Richtung Wien. Er werde sich
bis zur Wahl voll im Wahlkampf engagieren, auch für den Bundesparteichef. Die Menschen würden erkennen, dass Babler eine „authentische Vorstellung“
von Politik habe und für eine „neue Politik“ stehe.
Ihn erinnere die Situation zudem an jene im Sommer 2006, als auch niemand Alfred Gusenbauer den späteren Wahlsieg zugetraut habe: „Ich orte eine
Analogie“. Zum wiederholten Mal sprach sich Dornauer zudem für eine Koalition mit der ÖVP nach der Wahl aus ‐ und gegen eine Dreiervariante mit NEOS
oder Grünen. Bei einer solchen Konstellation würde der „Kompromiss immer noch kleiner und der Fortschritt geringer.“
Tirols SPÖ‐Spitzenkandidatin Abg. Selma Yildirim wollte sich hingegen nicht dezidiert gegen eine Dreierkoalition aussprechen. „Wir brauchen eine breite
Mehrheit, eine stabile Koalition“, meinte sie. Die Kluft zwischen Vermögenden und weniger Vermögenden gehe immer weiter auseinander. „Es braucht
wieder eine sozialdemokratische Handschrift“, so Yildirim.