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Männer, die Frauen mögen | Wiener Zeitung

von Max

Viele Männer behaupten, Frauen zu lieben. Wenn man genauer hinsieht, entdeckt man oft , dass sie Frauen nicht nur nicht lieben, sondern nicht mal mögen.

Sie begehren Frauen, aber sie mögen sie nicht. Sie mögen die unbezahlte Arbeit, die Frauen für sie verrichten, aber sie mögen die Frauen selbst nicht. Sie mögen die Fürsorge, die Frauen für sie leisten, aber sie mögen Frauen nicht. Sie sehen Frauen gerne an, aber sie hören ihnen nicht gerne zu. Sie benutzen weibliche Körper für ihre sexuelle Befriedigung, aber sie respektieren weibliche Körper nicht. Mitunter ekeln sie sich sogar vor diesen Körpern – davor, dass sie menstruieren, davor, dass sie Haare haben und Körperflüssigkeiten und Gerüche. Oder sie verachten weibliche Körper dafür, dass sie Leben hervorbringen und ihre nicht. Oder dafür, dass sie von ihnen unabhängige Körper sind. Die sie nie besitzen werden. Die Entscheidungen treffen können und sich von ihnen wegbewegen. Sie hören keine Musik von Musikerinnen, lesen keine Werke von Autorinnen, hören keine Podcasts von Frauen, sehen keine Filme von Frauen, ihre ganze Bewunderung, ihr Interesse und tatsächlich: all ihre Liebe gilt anderen Männern. Ihr Bezug zur Welt ist ausschließlich männlich geprägt.

Weibliche Vorbilder?

Glaubst du mir nicht? Frag mal dein nächstes männliches Date oder den Partner oder Ehemann oder auch einen platonischen Freund, wer seine liebsten Regisseurinnen sind, seine liebsten Künstlerinnen, Autorinnen, Musikerinnen, Sportlerinnen, Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen. Kommt da etwas? Stell dieselbe Frage geschlechtsneutral. Kommen da nur Männernamen oder fallen ihm genauso selbstverständlich auch Frauen ein? Frag ihn, welche Frauen er bewundert. Fallen ihm andere ein als die eigene Mama? Fallen ihm Frauen ein, die ihm nicht unmittelbar dadurch nützlich sind, dass sie ihn befürsorgen und gratis für ihn arbeiten? Fallen ihm in dem Bereich, in dem er arbeitet, in seinem Hobby oder in einem Themenfeld, das ihn besonders interessiert, weibliche Vorbilder ein? Wenn er über die Entstehung seiner Weltsicht sowie seine politischen oder philosophischen Perspektiven spricht, erkennt er dann Frauen als prägende Einflüsse an? Nennt er ihre Namen? Hat er enge und vertraute Beziehungen zu Frauen, die rein platonischer Natur sind? Oder sind Frauen nur dann interessant, wenn sie sexuell nutzbar sind?

Wenn du eine Frau bist, gibt es keinen Grund, dich freiwillig in der Nähe von Männern aufzuhalten, die Frauen nicht wahrhaftig und sichtbar und hörbar und eindeutig mögen, schätzen und respektieren.

Heterosexueller Frauenhass, schwuler Frauenhass

Man könnte an der Stelle Marilyn Frye zitieren, die in „The Politics of Reality: Essays in Feminist Theory“ schreibt:

Alles oder fast alles, was mit Liebe zu tun hat, reservieren die meisten Heteromänner ausschließlich für andere Männer. Die Menschen, die sie bewundern, respektieren, anhimmeln, verehren, ehren, denen sie nacheifern, die sie idolisieren und zu denen sie eine tiefe Bindung aufbauen, die sie bereit sind zu lehren und von denen sie bereit sind zu lernen, und deren Respekt, Bewunderung, Anerkennung, Ehre, Verehrung und Liebe sie begehren … das sind in der überwältigenden Mehrheit andere Männer […] Von Frauen wollen sie Hingabe, Dienst und Sex. Heterosexuelle männliche Kultur ist homoerotisch; sie ist männerliebend. (übersetzt)

Man könnte mit Rolf Pohl („Feindbild Frau. Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen“) argumentieren, dass Männer Frauen nicht nur nicht mögen, sondern sogar hassen. Und dass sie sie deshalb hassen, weil sie sie begehren – da dieses Begehren abhängig macht und der idealmännlichen Vorstellung größtmöglicher Autonomie zuwiderläuft.

Man könnte darüber sprechen, dass neben der Misogynie heterosexueller Männer auch schwule (Sub-)Kulturen vom Hass auf Frauen durchzogen sind – auch wenn dieser Hass teils andere Gewänder trägt. Dass auch schwule Männer Frauen allzu oft nicht als ganze Menschen sehen: Wenn sie abwertend über weibliche Körper sprechen, Frauen „zum Spaß“ sexuell belästigen. Oder wenn sie Frauen als zweidimensionale Figuren veroberflächlicht idealisieren (auch Idealisierung ist eine Form der Entmenschlichung) oder als Identifikationsobjekte benutzen, aber nicht als echte dreidimensionale Menschen (mit echten Lebensgeschichten und Bedürfnissen und Talenten und Meinungen und Persönlichkeiten und Körpern) schätzen.

Männer – egal welche Männer, egal welcher sexuellen Orientierung – lieben andere Männer. Männer – egal welche Männer, egal welcher sexuellen Orientierung – lieben sehr selten Frauen.

Männerhasserinnen und ihre Freunde

Beziehungen mit Männern sind für Frauen in aller Regel nachteilig und nicht selten auch gefährlich. Frau sollte sich also sehr gut überlegen, welche Männer sie ins Leben lässt und wie. Und ob sie das überhaupt will. Ironischerweise sind es, zumindest meiner Beobachtung nach, besonders jene Feministinnen, denen besonders rabiater Männerhass unterstellt wird (wie ich zum Beispiel), die besonders enge Freundschaften mit Männern pflegen. Ich – laut Internet rabiate Männerhasserin – habe zum Beispiel vor Kurzem ein Buch geschrieben (kurze Werbeeinschaltung: Es erscheint am 24.04. und man kann es überall vorbestellen, wo es Bücher gibt), das romantische Liebe einer kritischen feministischen Prüfung unterzieht. Und das Frauen ermutigt, sich aus Beziehungen mit Männern zu befreien, wenn diese Beziehungen ihnen nicht guttun (und das tun sie in der Regel nicht) und sich stattdessen auf andere Beziehungen (beispielsweise auf Freundinnen) zu konzentrieren.

Und: Ich habe dieses Buch zwei Männern, meinen zwei engsten männlichen Freunden nämlich, gewidmet. Das war durchaus Absicht.

Denn was auf den ersten Blick nach einem Widerspruch aussieht, macht bei näherer Betrachtung durchaus Sinn: Wer weiß, wie es um die Geschlechterverhältnisse bestellt ist, entwickelt ein sehr engmaschiges Vetting-System, durch das es nur die wenigsten schaffen. Diejenigen, die am Ende übrigbleiben, sind dafür topqualifiziert.

Vetting-System

Und so lasse ich nur Männer in mein Leben, die dieses Leben tatsächlich besser machen. Männer, von denen ich weiß, dass sie Frauen wahrhaftig mögen. Für die Männer in meinem Leben sind Frauen von zentraler Wichtigkeit: nicht als Sexobjekte oder Gratishaushälterinnen, sondern als Partnerinnen – als Gesprächspartnerinnen, als Geschäftspartnerinnen, als enge Vertraute, als Freundinnen. Als Menschen, deren Meinung und Perspektive sie schätzen. Sie lernen von Frauen und crediten sie dafür. Wenn ich sie nach ihren Lieblingsmusiker:innen oder Autor:innen frage, dauert es eine ganze Weile, bis nach all den Frauennamen mal ein Männername kommt. Sie unterstützen Frauen hinter den Kulissen. Sie haben selbstverständlich feministische Positionen, sind solidarisch mit Frauen, ohne sich als „Feministen“ auf Bühnen zu stellen und Frauen das Rampenlicht zu stehlen. Sie sagen sexistischen Männern, dass sie die Klappe halten sollen und haben Empathie und Verständnis für weibliche Lebensrealitäten. Sie nehmen Frauen und ihre Perspektiven ernst. Sie sind fürsorglich, machen Beziehungsarbeit, ohne dafür eine Anleitung zu brauchen. Und sie wissen, wie man Geschirrspüler einräumt.

Ich habe diese Kolumne allerdings nicht geschrieben, um dir zu sagen, wie toll die Männer in meinem Leben sind. Ich habe sie geschrieben, um dir zu sagen, dass alle Männer, die das nicht sind, keinen Platz in deinem Leben haben sollten. In diesem deinem Leben sollten auch nur Männer sein, die Frauen mögen. Viele werden nach gründlicher feministischer Prüfung nicht übrig blieben, vielleicht auch gar keine. „Keine Männer“ ist aber in jedem Fall besser als Männer, die Frauen nicht mögen.

Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Feminismus. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Zur Autorin

Beatrice Frasl war schon Feministin, bevor sie wusste, was eine Feministin ist. Das wiederum tut sie, seit sie 14 ist. Seitdem beschäftigt sie sich intensiv mit feministischer Theorie und Praxis – zuerst aktivistisch, dann wissenschaftlich, dann journalistisch. Mit ihrem preisgekrönten Podcast „Große Töchter“ wurde sie in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen des Landes.

Im Herbst 2022 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“ im Haymon Verlag. Als @fraufrasl ist sie auf Social Media unterwegs. Ihre Schwerpunktthemen sind Feminismus und Frauenpolitik auf der einen und psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Seit 1. Juli 2023 schreibt sie als freie Autorin alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.

Quellen

  • Frye Marilyn. The Politics of Reality: Essays in Feminist Theory. Crossing Press. 1983.

  • Pohl, Rolf. Feindbild Frau. Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen. Offizin. Hannover 2019.

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