Geschäftsführerin Ulrike Schiesser weiß, dass gerade auf diesem Kanal die prorussische Agitation eine große Rolle spielt. Sie verweist etwa auf die deutsch-russische Influencerin Alina Lipp, die ihre fast 130.000 Abonnenten mit einschlägigen Narrativen unter dem Titel „Neues aus Russland“ gegen die Ukraine beeinflusst.
„Auf Telegram-Kanälen werden Putin und Trump als Friedensbringer dargestellt, es erfolgt häufig eine Täter-Opfer-Umkehr, viele Kanäle sind prorussisch eingestellt“, erläutert Schiesser und ergänzt: „Anders als andere Staaten hat auch die russische Botschaft einen Telegram-Kanal. Die wissen, wo sie ihre Anhänger haben.“
„Alternative Medien“ spielen große Rolle
Auch „alternative Medien“ wie der Propagandasender AUF 1, der über 150.000 Abonnenten auf Telegram hat, spielen eine Rolle. „Diese reichweitenstarken Kanäle dominieren die Erzählung, vieles wird übernommen und weitergetragen“, berichtet Schiesser. Die Macht von Telegram hat ihren Ursprung in der Corona-Zeit.
Invasion sichtbar
Gab es im März 2020 etwa 100.000 Aufrufe täglich, sind diese auf rund neun Millionen im Jänner 2022 gestiegen. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine erreichte die Zahl diesbezüglicher Postings mit über 10.000 im Monat fast jene der Corona-Maßnahmengegner.
Diese Akteure sind heute noch aktiv – allerdings sind die Konsumenten nach dem Ende der Corona-Maßnahmen weniger geworden. Was nicht heiße, dass keine Gefahr mehr bestehe, sagt Schiesser: „Das Potenzial ist nach wie vor enorm.“
Und es stecke weiterhin großes Aktivierungspotenzial für Anhänger von Desinformation und Verschwörungstheorien in den Kanälen. „Langfristig sind diese Formen der Desinformation rund um den russischen Krieg für unsere Gesellschaft gefährlich, weil sie darauf abzielen, das Vertrauen in relevante Medien, in Entscheidungen und Handlungen der Regierung und in Institutionen zu untergraben.“
Und Schiesser weist darauf hin, dass diese Personengruppen ihre Informationen nur über diese Kanäle beziehen und weitgehend von valider Information abgekapselt seien. Wichtig sei, bei Plattformen wie Telegram und deren großen Playern zu prüfen, ob alles, was kommuniziert wird, im legalen Rahmen bleibe.
Die Plattformen müssten noch stärker gezwungen werden, den „Digital Services Act“ einzuhalten. Ebenso hält die Expertin es für nötig, die Geschäftsmodelle – häufig sind Postings mit Spendenaufrufen oder Produktverkäufen gekoppelt – zu stören: „Man muss denen den Geldhahn abdrehen.“