Startseite Kultur „Meine Gedichte waren immer klüger als ich“

„Meine Gedichte waren immer klüger als ich“

von Max

Der bayerische Liedermacher Konstantin Wecker, 77, kommt demnächst nach Graz und Wien. Schwerpunkt der aktuellen Tournee sind aber nicht seine Lieder, sondern seine Filme. Motto: „Der Soundtrack meines Lebens“.

KURIER: Ihr aktuelles Programm ist kein herkömmliches Konstantin-Wecker-Konzert. Wie kam es dazu? Konstantin Wecker: Die Idee, mich einmal als Filmkomponist zu präsentieren, gibt es schon länger. Voriges Jahr gab es beim Tollwood-Festival in München dann die Gelegenheit, das einmal mit Orchester zu machen.

Von der Show gibt es einen Mitschnitt. Die CD hört sich fast wie ein Hörbuch an. Sie reden viel über die Filme und singen in drei Stunden gerade einmal ein knappes Dutzend Lieder. Auf der Tournee sind es jetzt viel mehr. Orchester haben wir zwar keines, aber meine großartigen Musiker zaubern viele Orchesterklänge herbei. Und wir haben eine junge russische Sopranistin dabei. Die singt ein paar Lieder, die ich für klassischen Sopran geschrieben habe.

Leben
Konstantin Wecker, geboren am 1. Juni 1947 in München, ist Komponist, Autor und  Liedermacher. Er ist bekannt  für sein politisches Engagement und 
für ausufernde Konzerte, die niemals kürzer als drei Stunden   sind  

Lieder
Weckers Diskografie umfasst mehr als zwei Dutzend Alben. Zu seinen bekanntesten Liedern gehören „Willy“, „Genug ist nicht genug“ oder „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“

Filme
Wecker hat zahlreiche Filmmusiken komponiert, u. a. für  „Schwestern oder Die Balance des Glücks“ von Margarethe von Trotta, „Die weiße Rose“ von Michael Verhoeven und die Serie „Kir Royal“ von Helmut Dietl. 
In etlichen Filmen spielte Wecker auch mit, zum Beispiel hat er in „Atemnot“ von Käthe Kratz einen Auftritt mit dem Wiener Liedermacher Sigi Maron

Termine
30. 11. Graz, Oper 8. 12. Wien, 
Konzerthaus 

Ihr Vater war Opernsänger, Sie selbst wollten als Kind Opernkomponist werden. Leben Sie als Komponist von Filmmusik Ihre „klassische“ Seite aus?

Ja, ich komme direkt von der klassischen Musik. Ich habe an der Hochschule Komposition studiert – und das war halt genau die Zeit, als jede Melodie ins Lächerliche gezogen wurde. Man musste atonal sein. Das wollte ich nicht, also habe ich mich von der großen Kunst verabschiedet und beschlossen, lieber Kleinkünstler zu werden. Da durfte ich meine Melodien behalten.

Auf Ihrem ersten Album nannten Sie sich Konstantin Amadeus Wecker, einer Ihrer Söhne heißt Tamino. Kann man daraus schließen, dass Mozart Ihnen besonders wichtig ist? Ja, inzwischen höre ich Mozart am allerliebsten. Ich liebe zum Beispiel auch Gustav Mahler sehr. Aber wenn du schlecht drauf bist und Mahler hörst, bist du noch schlechter drauf. Wenn du Mozart hörst, geht’s dir immer besser.

Persönlich muss Mozart ein irrer Typ gewesen sein. Er war völlig irr, das war ich auch mein Leben lang. An ihm sehe ich auch bestätigt, was mir immer mehr auffällt, je älter ich werde: dass alles nur ein Geschenk war. Ich hab ja mit zwölf meine ersten Gedichte geschrieben – und meine Gedichte waren immer klüger als ich! Sie flogen mir zu. Das ist bis heute so. Genauso ist es mit den Melodien.

Man sagt ja auch: Etwas fällt einem ein. Ja, es fällt einem zu! Ich hatte immer das Gefühl, dass ich über die Poesie den Zugang hatte zu einer Wirklichkeit, die mir in meinem Denken verschlossen war. Weil ich auch zu eitel war. In der Poesie fällt alle Eitelkeit weg. Da denkt man mit dem Herzen.

In dem Film „Atemnot“ (1984) von Käthe Kratz hat Wecker (re.) einen Auftritt als Musiker, zusammen mit seinem Wiener Liedermacherkollegen Sigi Maron (verdeckt)

Im Titelsong, den Sie für den Film „Die weiße Rose“ geschrieben haben, heißt es: „Es geht ums Tun und nicht ums Siegen“ – das ist ein Lebensmotto von Ihnen. Was soll man denn tun? Man soll sich wehren gegen all diese Machos, die die Welt beherrschen wollen. Von Caligula bis Putin und Trump – alles das gleiche Gesocks! Euer Kickl gehört da auch dazu. In Wien wurden die „Omas gegen Rechts“ gegründet, seitdem bin ich bekennende Oma gegen Rechts.

Sie haben einen offenen Brief unterzeichnet, der sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für einen Waffenstillstand ausspricht. Gerät Pazifismus hier nicht an seine Grenzen? Ich finde, dass der Pazifismus nie an seine Grenzen stößt. Wir müssen zwar Widerstand leisten, aber es gibt auch gewaltlosen Widerstand.

Ohne militärischen Widerstand gäbe es die Ukraine wohl nicht mehr. Als Künstler halte ich es für notwendig, die pazifistische Idee nicht sterben zu lassen. In meinem pazifistischen Credo habe ich geschrieben: „Ich fordere die Freiheit dieser Entscheidung nur für mich, und ich werde nie versuchen, sie jemand anderem aufzuzwingen. Aber werben möchte ich dann doch dafür – mit den Mitteln der Poesie und der Musik.“ Und bei Stefan Zweig habe ich einen Satz gelesen, den ich wichtig finde: „Meistens sind diejenigen für Krieg, die gar nicht selbst in den Krieg ziehen.“ Ich habe keinen Respekt vor Leuten, die andere in den Krieg schicken.

Konstantin Wecker: „Meine Gedichte waren immer klüger als ich"

In „Wunderkinder“ (2011) spielt Wecker einen SS-Mann – und erkannte zu seinem Schrecken, dass er etwas von diesem SS-Mann in sich hatte

Sie sagen, dass Sie kein Schauspieler sind, obwohl Sie immer wieder spielen. Was fehlt Ihnen zum Schauspieler? Ich habe nie gelernt, mich zu verwandeln. In dem Film „Wunderkinder“ habe ich einen SS-Mann gespielt, der zwei begabte Musikerkinder ins KZ schickt. Eine richtige Drecksau, furchtbar! Beim Dreh habe ich gemerkt, dass ich etwas von diesem SS-Mann in mir hatte. Ich war zum Beispiel stocksauer, wenn die Statisten mich nicht mit „Heil Hitler!“ begrüßt haben. Das wohnt alles in uns. Mein Freund Hannes Wader sagte mal zu mir: „Ich bin Rassist.“ Sag ich: „Hannes, du doch nicht!“ Sagt er: „Doch, ich muss jeden Tag daran arbeiten, keiner zu sein.“ Und das müssen wir alle: jeden Tag!

Ihr zeitweise exzessiver Kokainkonsum führte 1995 dazu, dass Sie in U-Haft genommen wurden. Auch das erwähnen Sie in dem neuen Programm. Ja, ich spielte damals gerade in einer Fernsehserie und wurde mitten in den Dreharbeiten verhaftet. Ich spiele im Konzert jetzt auch das Lied „Kokain“, das hab ich ewig nicht mehr gesungen. Erst jetzt ist mir aufgefallen, wie klug das damals schon war. Das ganze Lied ist eine Warnung an mich selbst – aber ich hab sie nicht wahrgenommen.

War es vielleicht sogar gut für Sie, dass Sie verhaftet wurden? Ja, ich habe dem Staatsanwalt damals gesagt: „Schön, dass Sie da sind.“ Ich bin dann auch clean geworden durch den Knast. Aber ich muss dazu sagen: Das ist keine Aufforderung, Süchtige zu verhaften! Süchtige sollte man medizinisch behandeln, nicht juristisch.

Am Beginn Ihrer Filmkarriere stand Ihre „Softporno-Phase“. Sind Ihnen Machwerke wie „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ gar nicht peinlich? Nein, für mich war das eine Gelegenheit, endlich mal ein bissl Geld zu verdienen. Und die Dreharbeiten haben ja auch Spaß gemacht.

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