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Menschen graben Löcher für ihre Exkremente

von Max

Die Offensiven der israelischen Armee konzentrieren sich auf den Norden und Süden Gazas, trotzdem hört man auch in Deir al-Balah „rund um die Uhr Explosionen, Luftangriffe, Maschinengewehrfeuer und Schüsse von Handfeuerwaffen“, so Friedrich, und blickt kurz aus dem Fenster. „Auch jetzt fliegen Drohen über uns.“ Anschläge auf das IKRK gab es bisher keine, nach dem Humanitären Völkerrecht sind Hilfsorganisationen von allen Konfliktparteien zu schützen.

Plumpsklos als Mindeststandards

Hunderttausende Geflüchtete sammeln sich derzeit in Zentralgaza. „Da steht Behausung an Behausung, bis knapp vor der Wasserkante“, schildert Friedrich. „Die Lage ist dramatisch.“ Zur Zeit gibt es starke Regenfälle, die Infrastruktur ist zerstört, es kommt zu Überflutungen. Das Grundwasser ist versalzen, das Trinkwasser knapp, muss von Behörden und Organisationen aufbereitet werden. „Wir sprechen von fünf Litern Wasser zum Trinken, Waschen und Kochen pro Person und pro Tag, das reicht knapp zum Überleben“, sagt der RK-Mitarbeiter. Die WHO empfiehlt in Notfallsituationen eine Mindestmenge von 15 Litern.

Innerhalb des IKRK ist das Österreichische Rote Kreuz verantwortlich für WASH-Agenden, WASH steht für Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung. In Gaza bedeutet das primär den Bau von Latrinen – also Plumpsklos, um den Menschen zumindest ein Mindestmaß an Hygienestandards zu ermöglichen. „Wir haben geschätzt über eine Million Menschen, die keinen Zugang zu funktionierender Sanitärversorgung haben. Die Menschen buddeln neben ihrer Behausung ein Loch für ihre Exkremente und legen ein Stück Holz darüber, um eine Art Plumpsklo zu errichten“ – ein Dorado für Krankheiten wie Durchfall und Hautinfektionen.  

Eine Latrine des Roten Kreuzes besteht aus vier Holzstecken, darum eine Plastikplane und eine Holzplatte drauf, sowie einer Bodenplatte aus Zement und einem Abflussrohr, das die Exkremente abführt. Eine kleine Wiederherstellung von Lebensqualität und Würde, sagt Friedrich. Bisher wurden geschätzt insgesamt 15.000 derartige Latrinen gebaut. „Eine Latrine wird im Schnitt von 35 Menschen benutzt. Demnach müssen wir noch 35.000 bauen, bis alle zwei Millionen Menschen Zugang haben“, schildert Friedrich die Dimensionen. Doch das große Problem dabei: Die Rohstoffe gehen aus. „Am gesamten Markt in Südgaza gibt es noch Material für 3.000 bis 4.000 Latrinen“, so Friedrich. 

Deswegen versucht man jetzt, aus lokal recyceltem Plastik eine Art Klokabine zu bauen. Was zusätzliche Vorteile hätte: „Dieses könnten die Menschen viel besser transportieren, wenn sie wieder fliehen müssen. Zweitens gibt man den informellen Müllsammlern hier eine Tätigkeit und drittens schaffen wir uns einen Markt, der unabhängig von Importen ist“, sagt Friedrich. Und leistbarer.

50 Dollar für eine Zigarette

Aufgrund der extremen Knappheit von fast allen Produkten sind die Preise in Gaza durch die Decke gegangen: Ein Liter Diesel kostet etwa 60 Dollar. Die Menschen legen aus der Not heraus einen enormen Erfindungsgeist an den Tag, haben ihre Mopeds auf Gas umgestellt, „weil das bisschen billiger war. Unser Plastik-Recycler verwendet benutztes Frittieröl, um damit den Generator zu betreiben“, sagt Friedrich. Eine Flasche Shampoo kommt auf 25 Dollar. Eine einzelne Zigarette im Moment 50 US-Dollar – unbezahlbar, sodass der Zigarettenkonsum auch nach Zentimetern gekauft werden kann. Das drohende UNWRA-Verbot Israels würde die dramatische Lage vor Ort weiter verschärfen.

Als Mitarbeiter für das neutrale IKRK will Friedrich nicht für andere Hilfsorganisationen sprechen. Friedrich betont dennoch: „Es muss mehr Hilfe geleistet werden, nicht weniger. Ich weiß nicht mehr, welchen Superlativ ich noch verwenden soll: Wie beschreibt man unsagbares Leid? Irgendwann nutzen sich die Begriffe ab“, sagt Friedrich, bevor das Zoom-Gespräch abbricht.

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