Startseite Politik Merz bei Kanzlerwahl gescheitert, 2. Wahlgang noch heute

Merz bei Kanzlerwahl gescheitert, 2. Wahlgang noch heute

von Max

Es hätte ein Tag des so lange erarbeiteten Triumphs sein sollen. Letztlich wurde es ein Debakel: CDU-Chef Friedrich Merz ist am Dienstag daran gescheitert, sich im Deutschen Bundestag zum neuen Kanzler wählen zu lassen. 

Der 69-Jährige verfehlte im ersten Wahlgang die notwendige „Kanzlermehrheit“ von 316 Stimmen. Er erhielt in geheimer Abstimmung nur 310 von 621 abgegebenen Stimmen – und damit 6 weniger als nötig.

Von insgesamt 630 Abgeordneten haben 9 nicht abgestimmt und 307 mit Nein gestimmt. Drei Parlamentarier enthielten sich, eine Stimme war ungültig. Als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis verlas, zeigte der designierte Kanzler Merz kaum eine Regung: versteinerte Gesichtszüge, der Kiefer fest, der Blick geradeaus. 

Zweiter Anlauf noch am Dienstag

Nun soll es noch am Dienstag im zweiten Anlauf klappen: Wie am Nachmittag bekannt wurde, soll das Bundestagsplenum um 15.15 Uhr erneut zusammenkommen – und einen zweiten Wahlgang durchführen.

Novum in der Geschichte der Bundesrepublik

Es ist ein absolutes Novum in der Geschichte der Bundesrepublik: Noch nie ist ein designierter Bundeskanzler im ersten Wahlgang gescheitert. Dabei hatte zuvor alles gut ausgesehen: Union und SPD hatten am Montag mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags das fünfte schwarz-rote Bündnis in der Geschichte der Bundesrepublik besiegelt.

Am Dienstag hätte Merz eigentlich mit 328 Stimmen rechnen können, also 12 mehr als er unbedingt braucht. Alle Abgeordneten von Union (208) und SPD (120) waren anwesend. Das bedeutet, dass mindestens 18 Abgeordnete nicht für Merz gestimmt haben, vielleicht auch mehr. Theoretisch könnten ja auch Oppositionspolitiker ihre Stimme für Merz abgegeben haben. 

SPD: Vorbehalte gegen Merz 

Während die Bundestagssitzung unterbrochen wurde und die Fraktionen über das weitere Vorgehen beraten haben, sickerten erste Schuldzuweisungen durch. In der Union werde vermutet, dass die fehlenden Stimmen aus der SPD gekommen seien, sagte eine Quelle zu Reuters. SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil versicherte hingegen sofort, er habe „nicht den geringsten Hinweis, dass die SPD nicht vollständig gestanden hat“. Sicher kann er sich letztlich aber nicht sein – die Wahl war schließlich geheim. 

In der SPD hatte es grundsätzliche Vorbehalte gegen Merz gegeben. Laut Umfragen hält mehr als die Hälfte der SPD-Anhänger Merz nicht für den geeigneten Kanzler. In der Union wiederum war der finanzpolitische Kurswechsel nach der Wahl mit der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und einem milliardenschweren Sonderfonds für Infrastruktur teilweise auf Kritik gestoßen. Auch Politiker, die bei der Regierungsbildung nicht mit Posten bedacht wurden, könnten nun gegen Merz gestimmt haben. 

Söder: „Noch ist alles lösbar“

CSU-Chef Markus Söder versuchte, zu beschwichtigen. „Noch ist alles lösbar, noch ist alles heilbar“, sagte er in einer kurzfristig anberaumten Stellungnahme am Vormittag. Er appelliere „an alle Demokraten, eine stabile Regierung auf den Weg zu bringen“.

Aus der Opposition frohlockte vor allem die AfD und forderte sofort eine Neuwahl des Bundestags. Die als rechtsextrem eingestufte Partei sei laut dem Meinungsforscher Manfred Güllner klarer Gewinner von Merz‘ vorerst gescheiterter Kanzlerwahl. „Das Vertrauen in die politischen Institutionen wird weiter beschädigt“, sagte der Chef des Forsa-Instituts am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. „Das nutzt am Ende nur der AfD.“

Grünen-Chefin Franziska Brantner sagte: „Wir wünschen uns für Europa und Deutschland eine handlungsfähige Regierung.“ Thüringens früherer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) richtete Merz und Klingbeil wiederum aus, er sei „krachsauer“.

Freude bei Alice Weidel: Die AfD forderte am Dienstag sofort eine Neuwahl des Bundestags.

Glaubwürdigkeitsproblem für Merz

Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sieht nach dem vorläufigen Scheitern der Kanzlerwahl einen Dämpfer für Schwarz-Rot. Merz habe nun ein Glaubwürdigkeitsproblem, sagte Korte dem Fernsehsender Phoenix. „Die Startmöglichkeiten für ihn, mit vielleicht auch Zauber des Anfangs daherzukommen, die sind verpufft.“ Zugleich sei aber ein solides Regieren auch nach einer Kanzlerwahl im zweiten oder einem dritten Wahlgang möglich, machte Korte deutlich. 

Aus Fraktionskreisen hatte es zunächst geheißen, es werde geprüft, ob ein Wahlgang am Mittwoch möglich sei, dazu müsste es dem Vernehmen nach Einigkeit mit der Opposition über gewisse Fristverkürzungen geben. Als Alternative wurde auch der Freitag genannt, was allerdings die Linke ablehnt.

Die geplante Ernennung von Merz durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist vorerst jedenfalls geplatzt. Führungslos bleibt Deutschland aber nicht: Der bisherige Kanzler Olaf Scholz (SPD) – der am Montag bereits feierlich mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet worden ist – bleibt Kanzler. 

Denn Artikel 69 Grundgesetz bestimmt, dass der Kanzler die Amtsgeschäfte „bis zur Ernennung seines Nachfolgers“ weiter führt. Dazu ist er verpflichtet. Auch die Ministerinnen und Minister des rot-grünen Bundeskabinetts bleiben vorerst geschäftsführend im Amt.

GERMANY-POLITICS-PARLIAMENT-ELECTION-CHANCELLOR

Gestern feierlich verabschiedet, nun doch noch im Amt: der bisherige Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Zweiter Wahlgang innerhalb von 14 Tagen

Das Grundgesetz sieht vor, dass ein zweiter Wahlgang innerhalb von 14 Tagen stattfinden müsste. In Artikel 63, der die Regeln für die Kanzlerwahl enthält, ist festgehalten: „Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen 14 Tagen nach dem Wahlgang mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.“

Sollte Merz den Eindruck gewinnen, er könnte in einem zweiten Wahlgang mehr Erfolg haben als im ersten, kann er jederzeit wieder antreten. Innerhalb der zweiwöchigen Frist kann es beliebig viele Wahlgänge mit verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten geben. Aber auch sie brauchen die absolute Mehrheit von mindestens 316 Stimmen, um gewählt zu sein. Schafft das niemand, dann werden im nächsten Schritt die Anforderungen gesenkt. Nun reicht für die Wahl die einfache Mehrheit. 

Im Grundgesetz heißt es: „Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält.“ Wenn der oder die Gewählte die Kanzlermehrheit erhält, muss der Bundespräsident ihn oder sie innerhalb von sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Bei einer Wahl nur mit einfacher Mehrheit kann der Bundespräsident alternativ auch binnen sieben Tagen den Bundestag auflösen und eine Neuwahl ansetzen. 

Election of a new German Chancellor, in Berlin

Auf der Besuchertribüne: Charlotte Merz mit den Töchtern Carola und Constanze.

Klingbeil: Keine Hinweise auf Abweichler

Merz und der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil hatten am Montag noch betont, dass sie fest mit einer klaren Mehrheit der künftigen Regierungsfraktionen bei der Kanzlerwahl rechneten. Aus Klingbeils Umfeld hatte es geheißen, es gebe keine Hinweise auf Abweichler in den eigenen Reihen. 

Die Wahl verfolgten auf der Besuchertribüne unter anderen Merz‘ Frau und Töchter sowie die frühere Kanzlerin Angela Merkel. Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD hatten am Montag den Koalitionsvertrag des schwarz-roten Bündnisses unterzeichnet. 

In der Union war von einem „maximalen Schaden für das Ansehen Deutschlands“ die Rede. Zumal nun auch die Reisepläne von Merz gefährdet sind. Der CDU-Chef wollte am Mittwoch eigentlich seine Antrittsbesuche in Paris und Warschau machen.

über uns

Wp logo2

Damit wir Ihnen möglichst schnell weiterhelfen können, bitten wir Sie, je nach Anliegen über die hier genannten Wege mit uns in Kontakt zu treten.

Aktuelle Nachrichten

Newsletter

2020-2022 – Wiener Presse. Alle Rechte vorbehalten