Die Verhandlungsrunde am Montag, dem 134. Tag nach der Nationalratswahl (29.9.2024), beginnt kurz nach 18 Uhr 30 in den Räumlichkeiten des Parlaments. Wortkarg geben sich die türkisen Verhandler auf dem Weg zur Besprechung. „Wir setzen heute die Gespräche fort. Es geht neben der Ressortverteilung auch um sehr grundsätzliche Inhalte“, so Stocker.
Das FPÖ-Kernteam (Kickl, Niederösterreichs FPÖ-Klubchef Reinhard Teufel, Generalsekretär Michael Schnedlitz) dürfte – so machen die Foto- und Filmaufnahmen den Eindruck – einen anderen Weg genommen haben.
Als kritisch gilt weiterhin die Frage der Besetzung des Innenministeriums. Am Wochenende waren zudem Verhandlungsprotokolle publik geworden, die auch auf zahlreiche offene inhaltliche Punkte hindeuteten. Zeichen einer weiteren Annäherung gab es am Montag vorerst keine. „Es geht neben der Ressortverteilung auch um sehr grundsätzliche Inhalte und daher werden wir heute auch darüber reden“, hatte der ÖVP-Chef Christian Stocker vor Beginn des Treffens erklärt.
Streit über Ressortverteilung
In der Vorwoche war es wegen der unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich der Ressortverteilung zu einem öffentlich ausgetragenen Zerwürfnis zwischen FPÖ und ÖVP gekommen. Nachdem die FPÖ der ÖVP am Dienstag eine Liste mit entsprechenden Vorschlägen unterbreitet hatte, kam es zu einer Unterbrechung der Verhandlungen. Die Blauen stellten Forderung nach Innen- und Finanzressort sowie EU-, Medien- und Kulturagenden auf. Die ÖVP berief ihren Parteivorstand ein, danach herrschte rund zwei Tage sogar komplette Funkstille zwischen den Verhandlungsspitzen.
Erst nach einzeln abgehaltenen Terminen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen verständigten sich FPÖ-Chef Herbert Kickl und ÖVP-Obmann Christian Stocker am vergangenen Donnerstagnachmittag auf die Fortsetzung der Gespräche. Seitdem gab es laut offizieller Darstellung nur ein kurzes Treffen der Parteichefs im kleinen Kreis am Freitagvormittag.
Innenministerium weiter der Knackpunkt
Obwohl am Wochenende dann offiziell keine Gespräche eingetaktet waren, dürften FPÖ und ÖVP bei der Ressortaufteilung dennoch zumindest einen Teilschritt nach vorne gemacht haben. So sollen die Freiheitlichen dem Verhandlungspartner das Außenministerium angeboten haben, dem künftig auch wieder die EU-Kompetenzen zufallen sollen. Sollte die ÖVP das Angebot annehmen, dürfte der Bereich Verfassung und Deregulierung im dann blau geführten Kanzleramt bleiben, hieß es aus ÖVP-Verhandlerkreisen zur APA.
Jedoch beanspruchen beide Parteien dem Vernehmen nach weiterhin das Innenministerium und wollen davon auch nicht abrücken. Zuletzt hatte die ÖVP allerdings Bereitschaft signalisiert, auf die Finanzen zu verzichten. Für die ÖVP ist es laut APA-Informationen aber „untragbar“, dass sowohl Finanz- als auch Innenressort den Freiheitlichen zufallen. Eine kolportierte Lösung für das Innenressort, wonach dieses aufgeteilt werden könnte, dürfte nach APA-Informationen eher vom Tisch sein.
Grundsätzlich sei eine Teilung, sodass die FPÖ die Asylagenden erhält und die ÖVP für Geheimdienste und Polizei zuständig ist, rechtlich sehr wohl möglich, sagten die Verfassungsexperten Heinz Mayer und Peter Bußjäger zur APA. So könne ein „Asylminister“ die Hoheit über das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erhalten, meinte Letzterer. Gegen eine Teilung spreche aber das Effizienzprinzip. Fragen des Asyl- und Migrationsrechts seien schließlich stark mit dem sonstigen Sicherheitsrecht verbunden, auch hinsichtlich der einschreitenden Organe. Siedelt man hingegen einen ÖVP-Staatssekretär für Geheimdienste in einem FPÖ-geführten Innenministerium an, so ist dieser gegenüber dem Minister weisungsgebunden, erklärte Mayer.
Auch inhaltlich noch viele Punkte zu besprechen
Inhaltlich dürfte ebenfalls noch einiges zu besprechen sein, wenngleich die am Wochenende aufgetauchten Verhandler-Protokolle aus den Untergruppen schon etwas älter und damit nicht mehr ganz aktuell sein dürften. Dennoch deuteten die Dokumente auf teils große inhaltliche Differenzen zwischen den Koalitionsverhandlern hin. So will die FPÖ etwa eine Teilnahme am WHO-Pandemievertrag verhindern und plädiert für einen Ausstieg aus der NATO-Partnerschaft für den Frieden. Auch stellt sich die FPÖ gegen Pläne, wonach Amtsgebäude eine EU-Fahne tragen sollen.
Selbst in der Asylfrage ist man sich nicht einig: Die blauen Verhandler wollen etwa „Pushbacks“ an den Außengrenzen und stellen das Asylrecht infrage – konkret ist in den Unterlagen davon die Rede, das Asylrecht „durch Notgesetz“ auszusetzen. Strittig sein dürfte auch der blaue Wunsch nach einer Aufkündigung des UN-Flüchtlingspakts. Auch der bereits bekannte FPÖ-Wunsch, medizinische Leistungen für Asylwerber auf medizinische Grundversorgung („keine Zahnsanierungen, künstliche Gelenke, etc.“) und Geburtenhilfe zu reduzieren, war noch rot markiert.
Im Bereich Inneres will die FPÖ laut den Protokollen das Krisensicherheitsgesetz abschaffen. Gestrichen werden soll im Sinne der FPÖ auch die CO2-Bepreisung. Auch eine Anhebung des Grundwehrdienstes auf acht Monate und „Schmerzensgeld“ für die Coronavirus-Maßnahmen schweben den blauen Verhandlern vor. Viele große Brocken sollen nach wie vor die Parteispitzen selbst ausverhandeln.
Trotz dieser und vieler weiterer aufgezeigten Differenzen ist es nicht ganz auszuschließen, dass es zu einer Einigung kommen könnte.