Raiffeisen Top-Manager Michael Höllerer ist einer der einflussreichsten Banker des Landes. Die geplante Bankenabgabe der neuen Regierung bezeichnet er als „populistische Willkürsteuer“ die man rechtlich prüfen werde.
KURIER: Wie lange hält die neue Regierung?
Michael Höllerer: Das Regierungsprogramm ist umfassend, aber zum großen Teil noch unkonkret. Mir fehlt die große Erzählung. Aber wie heißt es so schön: An ihren Taten wird man sie messen. Und vielleicht hält die Regierung dann auch fünf Jahre.
Der linke Ökonom Markus Marterbauer wird Finanzminister. Wie finden Sie das?
Es geht nicht um Ideologie, sondern um nüchterne Zahlenanalyse. Der Finanzminister wird rasch sehen, wo in der Praxis der Reformbedarf liegt. Beim Gesundheitssystem, beim Pensionssystem … Das ist ja alles bekannt.
Die Regierung wird 21 Posten haben. Passt das zum Sparkurs?
Das ist Sache der Koalitionsparteien, aber es wird bald jeder jemanden kennen, der einen Staatssekretär kennt.
Wie sehr ärgern Sie sich über die geplante Bankenabgabe von 500 Millionen Euro jährlich?
Ich bin sehr enttäuscht. Offenbar sieht man den Beitrag der Kreditwirtschaft für die Volkswirtschaft nicht. Die Banken sind ein Motor des Aufschwungs. Österreichs Wirtschaft ist sehr kreditabhängig. Reduziere ich die Gewinne der Banken, reduziere ich die Kreditvergabe und die Dynamik der Wirtschaft.
Sie haben die Abgabe einmal als populistische Willkürsteuer bezeichnet. Bleiben Sie dabei?
Ja. Das ist sie. Und sie ist bereits ein Thema bei internationalen institutionellen Investoren. Das ist für den Standort Österreich nicht gut.
Befürworter der Abgabe bis hin zum Nationalbankgouverneur Robert Holzmann verweisen darauf, dass die Banken zuletzt Rekordgewinne erzielt haben und auch stark von den hohen Zinsen und der Geldpolitik profitiert hätten.
Die Aussagen des Nationalbankgouverneurs sind absolut unseriös. Die Geldpolitik hat ja die EZB gemacht.
Der Vorwurf lautet, dass die EZB den Banken Geld für langfristige Kredite an die Unternehmen vergeben hätte, die Banken dieses Geld aber oft wieder bei der EZB zu höheren Zinsen angelegt hätten.
Die Zahlen belegen, dass die österreichischen Banken dieses Geld sehr wohl an die Unternehmen weitergegeben haben. Dieser Vorwurf ist daher für mich absolut unverständlich.
Kritisiert wird auch, dass die Banken steigende Zinsen nur sehr langsam an die Kunden weitergeben.
Auch da belegen die Zahlen, dass das in Österreich nicht so ist. Übrigens: Wir hatten zehn Jahre lang eine Nullzinsphase. Da waren die Gewinne der Banken bescheiden. Davon redet jetzt keiner mehr. Stattdessen spricht man jetzt von Übergewinnen. Wobei mir nicht klar ist, was ein Übergewinn sein soll…
Wird man die Bankenabgabe rechtlich prüfen?
Dazu sind wir sogar verpflichtet, sobald der Gesetzesentwurf vorliegt. Wie wird sie begründet, wie ist sie ausgestaltet? Sollte die Prüfung verfassungsrechtliche Bedenken ergeben, muss man sich dann die nächsten Schritte überlegen.
Wäre Ihnen FPÖ/ÖVP lieber gewesen – aus wirtschaftlicher Sicht?
Es ist irrelevant, wie sich jetzt eine Regierung parteipolitisch zusammensetzt. Wir sehen alle, wo die großen Baustellen sind und dass Österreich in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit immer mehr an Boden verliert.
V. re.: Höllerer im Gespräch mit den KURIER-Redakteuren Kleedorfer und Unterhuber
Kommen wir zum Dauerthema Raiffeisen Bank International RBI. Es gab Meldungen, wonach der Schwiegersohn von Ungarns Staatschef Viktor Orban sich für die russische Tochterbank interessiert. Stimmt das?
Ich bin in derartige Gespräche nicht eingebunden und kann daher dazu nichts sagen. Es gibt immer wieder Leute, die anklopfen. RBI-Chef Johann Strobl arbeitet wirklich mit Hingabe daran. Seit dem Gerichtsverfahren in Russland (die RBI-Tochter soll laut einem erstinstanzlichen Urteil zwei Mrd. Euro zahlen, Anm.) ist ein Verkauf noch schwieriger.
Sollte es bald zu Frieden kommen: Was hieße das für die RBI in Russland?
Da muss man sich die Bedingungen ansehen, die der Frieden bringt, etwa die Sanktionen. Aber für Spekulationen ist es zu früh.
Wäre es theoretisch denkbar, dass man dann in dem Land bliebe?
Wie gesagt, man muss die Situation dann neu bewerten und analysieren. Wir leben in einer sehr volatilen Welt und wenn sich dann wieder andere Perspektiven ergeben, muss man dann auch denen gegenüber offen sein.
Wie geht es der RBI in der Ukraine? Die RBI ist in dem Land die größte private Auslandsbank. Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Lage natürlich herausfordernd. Aber ich sehe es so, dass die RBI in der Situation eine wichtige Funktion als Kreditgeber hat.
Themenwechsel: Die Kreditvergaberichtlinie KIM läuft zwar Ende Juni aus, aber die entsprechende Regulatorik wird unter neuem Namen fortgesetzt.
Die sogenannte KIM-VO ist eine völlige Überregulierung, weil die Risikolage in der privaten Wohnraumfinanzierung eine derartige Regulierung nicht her gibt. Für mich ist nicht nachvollziehbar, warum das Finanzmarktstabilitätsgremium sagt, dass die Voraussetzungen für KIM weggefallen sind, aber in der nächsten Sitzung indirekt wieder eine Nachfolgeregelung beschließt. Das ist gold plating par excellence.
Die Aufsicht argumentiert, es gibt ohnehin Ausnahmekontingente von der KIM-Verordnung, die aber von den Banken gar nicht vollumfänglich genutzt werden.
Dazu muss man wissen, dass Österreich relativ kleine Institute hat. Für diese ist das Ausnahmekontingent zu gering. Wir wollen diese Regeln auch nicht verletzen.
Kommen wir nach Europa. Wie schätzen Sie die weitere wirtschaftliche Entwicklung ein?
Wir rechnen mit einem sehr bescheidenen Wachstum. 2025 wird in Österreich ein mehr als herausforderndes Jahr. Wenn wir nicht aufpassen und die Rahmenbedingungen nicht verbessern, kann es erneut zu einer Rezession kommen. Wir erwarten Impulse Richtung Wachstum, sowohl von der neuen österreichischen als auch deutschen Regierung. Da ist Entbürokratisierung ganz wichtig. Ich hoffe, dass das nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, auch seitens der EU.
Ein praktisches Beispiel für Bürokratie?
Das ist die Umsetzung der gesamten ESG-Politik, das ist DER Klassiker. Wir übernehmen damit fast staatliche Aufgaben. Ob diese in Hinblick auf Nachhaltigkeit wirklich etwas bringen, stelle ich massiv in Frage. Das kostet in jedem Haus Millionenbeträge.
Wie wird die Zinspolitik der EZB Ihrer Meinung nach in den kommenden Monaten weitergehen angesichts lahmender Konjunktur und wieder steigender Inflation?
Die nächsten Monate werden für die EZB nicht ganz einfach. Denn grundsätzlich besteht die Erwartung eines Zinsniveaus von zwei Prozent im Jahr 2025. Aber ich glaube, das Thema Inflation ist noch nicht ausgestanden. Die EZB muss da sehr klug und vorausschauend agieren, das wird nicht einfach. Wir werden unter einer dauernden Inflationsbedrohung leben. In Österreich ist diese noch größer. Und ob neue Steuern inflationshemmend sind, bezweifle ich.