Schon die ersten vielleicht 30 Seiten des Buchs, die von den Schicksalen ihrer Großmutter Lynda und ihrer Mutter Jackie Jean handeln, könnten ungefähr acht eigene Romane ergeben. Unter anderem mit diesen Inhalten: Die Familie ihrer Großmutter musste diese weggeben, weil sie zu wenig Geld hatte. Sie war gerade mal 13 Jahre alt, als sie Chers Mutter Jackie auf die Welt brachte. Diese wiederum wurde von ihrem Vater durch die halbe USA gezerrt, weil sie mit ihrer schönen Singstimme Geld verdienen sollte. Als er das Sorgerecht für sie verlor, versuchte er sie und den Bruder mittels aufgedrehtem Gashahn zu töten.
Es gibt den viel zitierten Spruch von Cher: „Meine Mutter sagte zu mir, ich soll einen reichen Mann heiraten. Ich sagte zu ihr: Mom, ich bin ein reicher Mann“. Vor dem Hintergrund der bitteren Armut, die diese Frauen erleben mussten, bekommt der Sager nun eine ganz neue Qualität.
Im Kloster abgegeben
Chers eigene Kindheit war auch ziemlich turbulent. Sie musste mit ihrer Mutter (und Schwester Gee) unzählige Male umziehen, entweder, weil die Mutter einen neuen Mann geheiratet hatte (sieben Mal, davon zwei Mal Chers Vater John Sarkisian, der im Heroinrausch einmal fast die Familie abfackelte) oder sich mangels Schauspielengagements die Miete nicht mehr leisten konnte. Als Cher ein Baby war, musste sie sie sogar in einem Kloster unterbringen, aus dem sie Jackie Jean (die später Georgia heißen sollte) nur mit Mühe wieder „befreien“ konnte.
Mit 11 Jahren hat Cher begonnen, ihre Unterschrift für Autogramme zu üben: „Love, Cher“. Mit 16 lernte sie Sonny Bono kennen, mit dem sie gleich zusammenzog. Die Mutter durfte das nicht wissen. Cher schildert die Beziehung als erst geschwisterlich und außerdem habe sie ihm verheimlicht, dass sie noch so jung war. Er war schließlich schon 27. Sie ist immer noch ein Teenager (19), als die beiden mit „I Got You Babe“ 1965 ihren Durchbruch haben. Der Weg dorthin ist hart und wird von der Sängerin ohne Selbstmitleid beschrieben. Chers Einstellung dazu – mit nüchternem Schalk, aber nicht ganz ohne Nostalgie – beschreibt der eine Absatz, in dem sie das kaputte Klavier, das Sonny beim Pfandleiher ersteht (drei Tasten funktionieren nicht, aber in der Stimmlage singen sie sowieso nicht) schonungslos niedermacht, nur um dann zu schreiben: „Ich habe das hässliche Ding immer noch.“
Eine großartige Anekdote reiht sich an die nächste, etwa als Sonny bei einem Auftritt darauf achten musste, dass ihm die auf die Bühne greifenden Fans nicht die Schuhe ausziehen, weil er da drin nämlich ihr gesamtes Geld versteckt hatte. Als Gaststars in der Autobiografie tauschen Dutzende Stars auf, von Warren Beatty, den Cher als Jugendliche auf der Straße verzaubert über die Rolling Stones und die ganze 60er-Jahre-Szene sowohl Londons als auch Kaliforniens.
Interessant ist, wie sich Cher noch heute nicht erklären kann, warum sie gar nicht bemerkt hat, dass sie sich von Sonny unterjochen ließ: Er verweigerte ihr ein unabhängiges Leben, sie musste nur arbeiten und verdiente nichts – ironischerweise in einer Firma, die „Cher Enterprises“ hieß. Am Ende des Buchs hat sie sich von ihm befreit, hat einen neuen Mann und eine beginnende Schauspielkarriere. Ja, ganz richtig, da fehlt noch so einiges im schillernden Leben der 78-Jährigen. Deswegen ist das auch erst Teil eins ihrer Memoiren.