Startseite Kultur mit einem Sternchen ein wenig unkenntlich gemacht

mit einem Sternchen ein wenig unkenntlich gemacht

von Max

Die Juden hingegen achten – wie die Muslime – streng darauf, sich trotz der Ebenbildlichkeit kein konkretes Bild von Gott zu machen. Das Jüdische Museum Wien zeigt gegenwärtig künstlerische Strategien auf, Gott dennoch sichtbar zu machen. R. B. Kitaj lässt in seinem Bild „My Third Jewish Abstract (God’s Back)“ einen unförmigen Rücken weiß, umspielt von Rottönen. Und Georg Chaimowicz – er war ein großartig kauziger Wiener Jude – signierte 1974 bloß ein leicht geknicktes Blatt mit Bleistift: „Die weiße Leere“.

Alternativen sind der Umweg über das Symbol oder ein Teil, der fürs Ganze steht, etwa die Hand. Zum Einsatz kamen und kommen unter anderem der Dornbusch, das Auge, Wolken und Strahlen.

Wenn sich das Jüdische Museum mit Gott beschäftigt (und noch dazu in der Jubiläumsausstellung anlässlich der ersten Gründung vor 130 Jahren), sind in erster Linie herausragende Judaica zu sehen. In einem der gediegen tiefblauen Säle wird aber auch die Nähe zum Christentum herausgearbeitet. Rücken an Rücken stehen ein Tora-Schild aus dem 19. Jahrhundert und eine Hostienmonstranz aus 1768: Beide Objekte beinhalten ein Dreieck als Symbol für das Auge Gottes (im Katholizismus steht es zudem für die Dreifaltigkeit).

Auge Gottes im Strahlenkranz

Aus dem Stiftsmuseum Klosterneuburg hat man sich überdies ein barockes „Auge Gottes im Strahlenkranz“ ausgeliehen: Im Dreieck entdeckt man die hebräische Buchstabenkombination Jod, He, Waw, He. Dieses Tetragrammaton ist eben auch im Katholizismus als Gottesname gebräuchlich – und somit oft der einzig sichtbare Hinweis auf das Judentum als Basis. Die Konsonanten werden in der jüdischen Religion aber nicht ausgesprochen: Zu heilig ist Gott und zu groß die Gefahr, ihn zu entweihen. Daher gebraucht man gerne Umschreibungen, der „Herr der Heerscharen“ zum Beispiel.

Die Kuratoren Daniela Schmid und Domagoj Akrap hatten ein durchaus diffiziles Problem: „Wie geht man an ein Ausstellungsthema heran, das eigentlich nicht gezeigt und benannt werden kann – und dessen Namen man eigentlich nicht aussprechen darf?“ Die Antwort ist pragmatisch: Man machte das Wort „Gott“ mit einem Sternchen statt dem O ein wenig unkenntlich.

Und da das Sternchen gerne beim Gendern eingesetzt wird, schwingt auch noch etwas anderes mit: Ausgestellt ist unter anderem eine Tora, in der die US-Konzeptkünstlerin Helène Aylon alle frauenfeindlichen und sexistischen Aussagen, die Gott zugeschrieben werden, mit rosa Leuchtstift markiert hat.

Der Erbauer der Welt

Grundlegend beschäftigt sich die Schau in der Dorotheergasse (bis 5. Oktober) mit sieben Fragestellungen, darunter eben mit „Wie heißt G*TT?“ und „Wie stellt sich der Mensch G*TT vor?“. Die Gestalter MVD Austria und Pretterhofer Arquitectos fanden eine eigene, coole Metapher: Sie orientierten sich an der Vorstellung von Gott als Erbauer der Welt („Bore Olam“) und kontrastieren die fein ziselierten Kultgegenstände aus Silber und Gold mit kniehohen Mauern aus rohen Wienerberger-Ziegeln. Stellenweise sind sie silbrig glasiert, stellenweise mit Filz belegt, um sich setzen und genießen zu können.

Ja, die exzellente Ausstellung braucht etwas Zeit. Denn so einfach lässt sich nicht beantworten, wo Gott wohnt (in unseren Gehirnen beim Beten?), wie er sich zeigt, was er macht, wozu es ihn gibt und wie man ihn erreicht (möglicherweise mit Rauschmitteln). Denn natürlich geht es auch um die Frage, wie er, wenn es ihn denn gibt, die Shoah zulassen konnte.

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