Seine Aktien hat er vorsichtshalber nicht verkauft, weshalb ihn fast der Schlag trifft, als er draufkommt, dass er tatsächlich bei einem geheimnisvollen Umverteilungsprojekt gelandet ist. Dieses soll dem „Evangelium des freien Marktes“ entgegensteuern sowie insgesamt den großen Lügen dieser Welt beikommen. Ist das, was diese Handvoll Hacker hier macht, legal? Illegal? Oder ist das im Dienste der ganz bestimmt guten Sache auch schon egal? Wo die dunkle Seite der Macht ist, weiß Jakob nicht so genau, nur so viel: Er hat sich hier in eine Frau verliebt, so schön, wie einem Botticelli-Gemälde entstiegen.
Kulturhistorische Verweise und Andeutungen bietet so gut wie jeder Satz in „Baroco“, dem neuen Roman des 1967 geborenen Wieners Martin Horváth. Von Robin Hood, Harry Potter, Roal Dahl, Ernst Jandl, Umberto Eco bis zu Horváth selbst: Der Autor hat einen launigen Hinweis auf seinen vor 13 Jahren erschienen Roman „Mohr im Hemd“ untergebracht.
Damals wie heute sprudelten Ideen und Fabulierlust aus Horváth geradezu heraus. „Baroco“ ist viel auf einmal. Klosterkrimi, Aussteigerroman, Reiseführer, satirische Konsum- und Gesellschaftskritik. Mit Letzterer, also der Gesellschaft, erfährt man gleich am Anfang, soll es bald vorbei sein. Wer der allwissende Erzähler des Buches ist, der mitteilt, er wolle alle ausrotten, weiß man aber ewig lang nicht, er hält einen, zwischen ausführlichen Land- und Leuteberichten, mit Andeutungen bei der Stange. Das funktioniert, schließlich will man wissen, wie etwa einem „Lord Voldemort“ der Pharmaindustrie, der im Trump’scher Zollmanier absurde Preissteigerungen für lebenswichtige Medikamente erfindet, beizukommen ist.
Neben dem überschwänglichen Themenangebot stolpert man aber auch über Horváths sprachliche Manierismen. Etwa die enorm vielen Doppelpunkte sowie Undzeichen – „erste & wichtigste Aufgabe“. Man fühlt sich als Leser manchmal wie der Beifahrer eines Lenkers, der ständig Gas gibt und bremst. Schade, denn dieser Roman weiß, wo die Welt im Argen liegt. „Baroco“ ist witzig, spannend und voll cleverer Ideen. Etwa dem Stinktier Stinky Joe, einem bezaubernd-bösen Computervirus, das den Tunichtguten der Finanzwelt und vielleicht noch ein paar anderen den Garaus machen will.