In ihrer halbjährlichen Untersuchung der Finanzmarktstabilität hat die Nationalbank (OeNB) am Dienstag gute und weniger gute Entwicklungen festgehalten – aber zumindest keinen echten, neuen Krisenherd entdeckt.
Prinzipiell stünden Österreichs Banken nämlich solide da, hätten also ausreichend Eigenkapital aufgebaut und daher auch die jüngsten Stresstests mehr oder weniger unbeschadet überstanden. Hintergrund sind die hohen Gewinne der Banken von sieben Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2024 – trotz des bereits zweiten Rezessionsjahres in Österreich. Das ist unter anderem deshalb möglich, weil drei der sieben Milliarden auf den schneller wachsenden Märkten in Mittel- und Osteuropa erzielt werden.
Sorgen bereitet der Notenbank noch immer die negative Dynamik im Bereich der Kreditvergabe für Gewerbeimmobilien. Hier hätte sich der Anteil der notleidenden Kredite seit ihrem Tiefststand im Jahr 2020 auf 5,5 Prozent („non performing loans“, NPL-Ratio) verdoppelt.
Auch der Anteil an Krediten, die zwar noch nicht ausgefallen seien, aber Anpassungen benötigten, um die Rückzahlungsfähigkeit zu erhalten, habe zugenommen. Zudem bleiben die Preise von Gewerbeimmobilien – ein wichtiger Sicherheitspolster, um Banken bei Kreditausfällen zu schützen – ebenfalls unter Druck. Deshalb müssen die heimischen Banken ab Mitte 2025 zusätzlich einen Prozentpunkt mehr an Kapital speziell für den Gewerbe-Immo-Bereich vorhalten, um einen Sicherheitspuffer zu haben.
Besondere Dynamik in Österreich
OeNB-Gouverneur Robert Holzmann und der Hauptabteilungsleiter für die Bankenaufsicht, Markus Schwaiger, mahnen die Banken bei Gewerbeimmobilien angesichts des „hohen Ausfallsgeschehens“ zur besonderen Vorsicht. Nicht das Niveau an notleidenden Krediten für Gewerbeimmobilien sei das Problem, wohl aber die Dynamik, die in Österreich im Europa-Vergleich besonders hoch sei.
Nach dem kräftigen Zinsanstieg im Kampf gegen die Inflation und der Mega-Pleite des Signa-Imperiums von René Benko schauen die Bankenaufseher aber auch besonders genau auf die Gewerbeimmobilien.
Die beaufsichtigten Geschäftsbanken erklären regelmäßig, dass Nationalbank und Finanzmarktaufsicht (FMA) in ihrer Analyse übertreiben. Das Risiko einer NPL-Ratio von 5,5 Prozent sei beherrschbar, seien Kredite für Gewerbeimmobilien doch nur ein – also überschaubarer – Bereich des gesamten Kreditportfolios.
Aus dem Bereich der Kreditvergabe für Wohnimmobilien kommen mittlerweile wieder „moderate Wachstumsimpulse“, hält die OeNB unter den guten Nachrichten fest. Aufgrund steigender Einkommen und leicht fallender Finanzierungskosten habe sich die Leistbarkeit verbessert. Zudem sank der Anteil der Kredite mit variabler Verzinsung, die aufgrund des Zinsrisikos für Kreditnehmende besonders im Fokus der Aufsicht stehen, bei der Neuvergabe auf nur noch ein Fünftel.
Geist der Verordnung
Die Qualität der Kreditvergabe verbessert habe vor allem die umstrittene KIM-Verordnung, die u.a. Laufzeit und monatliche Maximal-Belastung für die Kreditnehmer beschränkt hat. Sollte die Verordnung 2025 auslaufen, weil das Risiko einer Überforderung der Privathaushalte nicht mehr gegeben sei, solle zumindest der „Geist der Verordnung“ weiter leben, wünscht sich Holzmann. Immerhin seien jetzt 80 Prozent der privaten Wohn-Immo-Kredite „nachhaltig“, also für die Kreditnehmer leistbar und für die Banken ohne Ausfallsrisiko. Vor der KIM-Verordnung seien 80 Prozent der Kredite nicht nachhaltig gewesen.
Im eigenen Wirkungsbereich muss die Nationalbank erneut einen Bilanzverlust von rund zwei Milliarden Euro hinnehmen. Holzmann nannte zwar keine konkrete Zahl, bestätigte aber indirekt einen diesbezüglichen „Standard“-Bericht. Schon im Geschäftsjahr 2023 stand bei der OeNB ein Geschäftsergebnis von minus 2,21 Mrd. Euro zu Buche. Holzmann sagte: „2024 wird sich in den Zahlen nicht wesentlich vom Vorjahr unterscheiden.“
Hintergrund ist die ultralockere Geldpolitik der EZB und der nationalen Notenbanken im Euroraum. Hier wurden um viele, viele Milliarden Anleihen von schwachen Euroländern aufgekauft – Anleihen, die de facto keine Zinsen abwerfen. Auf der anderen Seite wurde den Geschäftsbanken lange ein Einlagezinssatz von mehr als vier Prozent gewährt, wenn sie Geld bei der Zentralbank parken. Auch wenn der Einlagensatz und damit laut Holzmann die „Subvention der Banken“ auf mittlerweile 3,25 Prozent gesenkt wurde, entstand so mit Anlauf ein Milliarden-Minus. Die Handlungsfähigkeit der OeNB werde dadurch nicht beeinträchtigt, weil Nationalbanken ja Geld drucken können, soviel sie wollen.