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Nationalratswahl: Der Kreide fressende Kickl

von Max

Der FPÖ-Chef setzt auf Lockerheit, um die ÖVP auf Distanz zu halten. Ist es die richtige Strategie?

Herbert Kickl und eine unbekannte Frau sitzen steif auf einer Wippe. Beide schaukeln auf und ab. „Hey, das ist aber lustig“, meint der FPÖ-Chef, und die Frau pflichtet ihm bei: „Das ist super.“ Unsicher, was er sagen soll, schiebt Kickl ein verkrampftes „Geht aber guat“ hinterher. Nach ein paar vergeblichen Small-Talk-Versuchen beendet er das Wippen mit einem langgezogenen „So!“

Die Szene wurde in einem Video festgehalten, das auf Kickls Instagram-Profil zu sehen ist. Es zeigt einen Versuch, Kickls lockere Seite zu präsentieren, als Gegenbild zum gewohnten Krawallpolitiker, der mit scharfen Ansagen für Aufsehen sorgt, Regierungsmitglieder „mit dem nassen Fetzen aus ihren Ämtern hinausjagen“ will und die Gesellschaft spaltet.

Freundliche Worte für den Grünen-Chef

Kickls Charmeoffensive zeigte sich auch bei der Elefantenrunde, als er unerwartet freundliche Worte für Grünen-Chef Werner Kogler fand. „Weil man zu oft nur schimpft. Die Elefantenrunde hat wieder einmal gezeigt, dass Österreich respektable Spitzenrepräsentanten hat“, kommentierte der FPÖ-nahe Berater Heimo Lepuschitz auf Twitter. Respektable Spitzenrepräsentanten:innen – also auch Herbert Kickl.

Lernen wir am Ende des Wahlkampfs einen neuen Herbert Kickl kennen? Einen FPÖ-Chef, der sich sichtlich bemüht, verbindlich zu wirken, selbst wenn es ihm schwerfällt?

Radikale Ansagen bringen nichts, diese Wählergruppe hat Kickl auf seiner Seite.

Katharina Stainer-Hämmerle, Politologin

„Um bei der Wahl Erster zu werden, muss die FPÖ auch gemäßigte Wähler:innen ansprechen“, erklärt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. So zum Beispiel aus dem SPÖ-Umfeld. „Kickl inszeniert sich als ruhiges Gegenmodell zu SPÖ-Chef Andreas Babler, der zunehmend hektisch und negativ wirkt“, sagt die Politologin. „Radikale Ansagen bringen Kickl hingegen nichts mehr, denn diese Wählergruppe hat er bereits auf seiner Seite.“

„Radikal sind die anderen“

Zudem richte sich der Blick bereits auf die Zeit nach der Wahl. „Kickl möchte möglichst wenige Gründe liefern, ihn bei zukünftigen Koalitionsverhandlungen auszuschließen“, erklärt Stainer-Hämmerle. Die Ausgrenzung aller anderen Parteien sei ungerechtfertigt, so die Botschaft. „Die Radikalen sind die anderen.“

Doch reicht das, um zum ersten Mal bei einer Nationalratswahl auf Platz eins zu landen?

Vielleicht hätte es gereicht, wenn nicht die extremen Hochwasser der vergangenen Woche gewesen wären. Das von der FPÖ mitregierte Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt, und ausgerechnet Kickls Heimatort Purkersdorf war von der Außenwelt abgeschnitten. Der FPÖ-Chef, der den Klimawandel stets als übertriebene Hysterie abgetan hatte, saß nun aufgrund des Klimawandels in seinem Haus fest.

Keine Bühne für Kickl

Währenddessen präsentierte sich Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer als souveräner Krisenkommunikator und Babler als tatkräftiger Feuerwehrmann in seiner Heimatgemeinde Traiskirchen. „Das Hochwasser hat Kickl jede Bühne genommen“, erklärt Stainer-Hämmerle.

Auch die Gesellschaft rückte enger zusammen, jenseits politischer Differenzen: Nachbar:innen, Feuerwehrleute, Rettungskräfte, Landesbeamt:innen, Bürgermeister:innen und die Medien. Das „System“, gegen das sich Kickl stets positioniert, zeigte Stärke. „Die Erzählung Kickls, sie sind gegen euch, verfängt nicht mehr, weil die Menschen gesehen haben, dass das nicht stimmt.“

Ein Terroranschlag hätte Kickl geholfen, ein Hochwasser nicht.

Peter Filzmaier, Politologe

Diese Entwicklung schlägt sich auch in Umfragen nieder. Fast zwei Jahre lang führte die FPÖ stabil, zeitweise sogar mit Werten über 30 Prozent. Doch nach der Hochwasser-Katastrophe zeichnen die Umfragen erstmals ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen FPÖ und ÖVP.

Der hilflose Parteifreund

„Ein Terroranschlag hätte Kickl geholfen, ein Hochwasser nicht“, analysiert Politologe Peter Filzmaier. „In sechs von neun Bundesländern könnte er das Krisenmanagement kritisieren, aber nicht in Niederösterreich, wo die FPÖ in der Regierung sitzt.“ Er würde seiner eigenen Partei schaden.

Stattdessen musste Kickl zusehen, wie der niederösterreichische FPÖ-Chef Udo Landbauer in Halbschuhen und seine Hände in den Jackentaschen vergraben, hilflos vor einer überschwemmten Straße stand, ein Bild, das in den Sozialen Medien viral ging.

Steht Kickl nun am Ende seiner Möglichkeiten? „Er müsste sich etwas einfallen lassen, doch so kurz vor der Wahl kann er nichts Neues mehr liefern“, sagt Filzmaier. Kickls Charmeoffensive wird wohl auch nicht mehr ausreichen. „Er muss darauf vertrauen, dass der Vorsprung reicht und er den Wahlkampf in den vergangenen Monaten bereits gewonnen hat.“


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Infos und Quellen

Genese

Warum setzt sich Herbert Kickl auf eine Wippe, während der FPÖ-Vorsprung auf die zweitplatzierte ÖVP schmilzt, fragte sich WZ-Redakteur Bernd Vasari und begann zu recherchieren.

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