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Nationalratswahl: Klimaschutzgesetz und Chat-Überwachung offen

von Max

Mehr als lauwarm dürften die Gefühle zwischen den Koalitionspartnern nicht mehr sein, werden doch vor der Nationalratswahl am 29. September die Profile geschärft. Kurz zuvor gelangen allerdings noch Einigungen bei der Sicherheitsstrategie, Postenbesetzungen und dem Nationalen Energie- und Klimaplan. Während viele Vorhaben umgesetzt wurden, zerschellten andere – etwa das Klimaschutzgesetz oder die Überwachung von Messengerdiensten – an unterschiedlichen Weltanschauungen.

Vor allem Personalia haben der schwarz-grünen Koalition, die Absprachen dazu zunächst in einem Sideletter festhielt, immer wieder Kopfschmerz bereitet. Waren sich die Parteien schließlich doch einig, so zumeist aufgrund eines Quid pro quos. Kürzlich wurde das bei der Festlegung auf die ÖVP-Minister Magnus Brunner als EU-Kommissar und Martin Kocher als Nationalbank-Chef nach anfänglicher Blockade der Grünen deutlich. Andere Postenbesetzungen hatten weit längere Vorlaufzeiten: Über ein Jahr dauerte etwa der Bestellungsprozess für den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG).

Auf Brunners Nominierung folgten weitere Einigungen bei stockenden Projekten. So gibt es nun einen österreichischen Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP). Einen Entwurf hatte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zuvor schon an die EU-Kommission gesandt. Er war von EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) allerdings mit Verweis auf fehlende Abstimmung innerhalb der Regierung wieder zurückgezogen worden. 

Auch die Nationale Sicherheitsstrategie, deren Vorgängerin noch aus dem Jahr 2013 stammte, wurde beschlossen. Russland wird darin nun nicht mehr als strategischer Partner, sondern als Bedrohung für Europa bezeichnet, auf Drängen der Grünen findet sich auch der Ausstieg aus russischem Erdgas bis 2027 darin. Die Opposition kritisierte eine fehlende Einbindung des Parlaments.

Dabei wäre die Koalition, die Österreich zuvor schon durch Corona- und Teuerungskrise gesteuert und einen Kanzlerwechsel überlebt hat, vor zweieinhalb Monaten beinahe zerbrochen. Dass Gewessler der EU-Renaturierungsverordnung trotz ablehnender Haltung der ÖVP und der meisten Bundesländer zugestimmt hat, ruft bei der Volkspartei immer noch Unmut hervor. 

Zusammensitzen wollten die Parteien danach ungern, der folgende Ministerratstermin fiel prompt aus. Die ÖVP beließ es schließlich doch bei einer Anzeige gegen die Ministerin und der Ansage des Kanzlers, künftig nicht mehr mit ihr in einer Regierung sitzen zu wollen.

Aktiv werden muss die Regierung noch bei der Sicherstellung von Handys, die vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) gekippt wurde. Bis Ende 2024 muss eine Reparatur des Gesetzes erfolgen, Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hatte zuletzt Änderungen in einem Begutachtungsentwurf angedacht. Im September – vor der Wahl – ist noch eine Nationalratssitzung angesetzt, in der dieser Beschluss fallen könnte.

Insgesamt 232 Seiten an Zielen hat sich die Bundesregierung bei Amtsantritt 2020 im Regierungsprogramm gesetzt. Darunter prominent auch das Klimaschutzgesetz, das Österreich mit verbindlichen Reduktionspfaden hin zur Klimaneutralität 2040 leiten sollte. Hier bissen sich die Grünen allerdings an der ÖVP die Zähne aus. 

Auch eine Bodenschutzstrategie, um den Flächenverbrauch auf das im Regierungsprogramm verankerte Ziel von 2,5 Hektar pro Tag zu bremsen, schaute bis dato nicht heraus. Zuletzt sprach sich die ÖVP gegen eine Streichung von umweltschädlichen Subventionen wie dem Pendlerpauschale, das laut Regierungsprogramm ökologisiert werden soll, oder dem Dieselprivileg aus.

Am Widerstand der Grünen, die ein größeres Paket zur Bekämpfung der Altersarmut von Frauen fordern, scheiterte bis dato das von der ÖVP propagierte automatische Pensionssplitting. Die ÖVP konnte auch ihren Vorschlag einer Überwachung von Messengerdiensten, um Terroranschläge verhindern zu können, mit den Grünen nicht umsetzen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat zwar einen Gesetzesentwurf dazu in Begutachtung geschickt, die Frist für Stellungnahmen endet aber erst am 25. September. Damit ist ein Beschluss vor der Wahl höchst unwahrscheinlich.

 Auch auf eine Änderung bei der Weisungskette in der Justiz, an deren Spitze derzeit noch die Justizministerin steht, konnten sich die Parteien nicht einigen, strebt man doch unterschiedliche Lösungen an.

Die mit dem Koalitionspartner nicht umsetzbaren Maßnahmen sind nun teils zu Forderungen in Wahlprogrammen mutiert. So wollen die Grünen weiterhin mehr Bodenschutz sowie unter dem neuen Namen „Klimarahmengesetz“ ein Klimaschutzgesetz, die ÖVP fordert mit Nachdruck die Messengerdienst-Überwachung. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat die Maßnahme zuletzt zur Koalitionsbedingung erklärt.

Viel diskutiert wurde die finanzielle Situation im Land, schließlich plädierten Experten etwa von IHS, Wifo und Fiskalrat für Sparpakete in Milliardenhöhe, die die nächste Regierung anpacken müsse. Nicht gelungen ist es somit auch, die Schuldenquote Österreichs in Richtung des Maastricht-Ziels von 60 Prozent zu senken. Die Nationalbank erwartet heuer einen Wert von 77,3 Prozent.

Eine im Regierungsprogramm enthaltene Bildungspflicht gibt es genauso wenig wie die von der ÖVP gewünschte Sicherungshaft für Gefährder oder das Kopftuchverbot für Schülerinnen bis 14 Jahre. 

Für die Besetzung der ORF-Gremien braucht es aufgrund eines VfGH-Erkenntnisses eine Reform, die wohl die nächste Regierung angehen muss.

Viele Projekte sind allerdings auch bereits umgesetzt. So das Informationsfreiheitsgesetz und damit die Abschaffung des Amtsgeheimnisses sowie die Neuaufstellung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das durch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) ersetzt wurde.

Geschichte ist die Kalte Progression. Das Thema Klima, das sich durch das gesamte Regierungsprogramm zieht, stand im Mittelpunkt der ökosozialen Steuerreform, die u.a. die CO2-Bepreisung und den Klimabonus brachte. 

Ebenso gibt es einen neuen, bis 2028 gültigen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. 4,5 Milliarden Euro werden bis 2030 in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert. Mit dem Finanzausgleich wurde auch die Gesundheitsreform paktiert, die etwa die Gründung von Gruppenpraxen und Primärversorgungseinheiten vereinfacht.

Überhaupt zeichnet sich bei den Beschlüssen ein Rekord ab: Seit den 70er-Jahren sind laut Parlamentskorrespondenz innerhalb einer Legislaturperiode nie mehr als 900 Gesetzesbeschlüsse gefasst worden, bei Schwarz-Grün sind es bereits 929. Ein Grund könne die Coronapandemie sein, wurden währenddessen doch zahlreiche Sonderbestimmungen beschlossen und teilweise mehrfach verlängert.

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