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Nationalratswahl: Und wer wird uns jetzt regieren?

von Max

Die FPÖ hat die Wahl gewonnen, aber mit Herbert Kickl an der Spitze wird es schwierig, eine Mehrheit zu finden.

Herbert Kickl hat es geschafft. Er hat die FPÖ zum Wahlsieg geführt, erreicht, was seinem großen Idol Jörg Haider verwehrt blieb. Nun will er auch Kanzler werden. Das sei der Wille des Volkes – und der müsse respektiert werden. Alles andere sei undemokratisch.

Ist es aber nicht. Einzig eine absolute Mehrheit würde Kickl als Kanzler legitimieren. Und die hat Kickl mit 29 Prozent (Stand Sonntag, 18:30 Uhr) nicht. In einer parlamentarischen Demokratie – wie Österreich eine ist – muss sich die Partei, die ins Kanzleramt einziehen will, eine parlamentarische Mehrheit suchen. Es geht also um Koalitionen. Welche sind nun möglich? Welche wahrscheinlich?

Es ist paradox. Kickls Chancen, Kanzler zu werden, sind mit dem Wahlsieg geschwunden. Der Grund dafür ist einfach: Niemand will mit Herbert Kickl koalieren. SPÖ, Grüne und Neos lehnen die Freiheitlichen kategorisch ab. Die ÖVP will nur ohne Kickl, wie Obmann Karl Nehammer glaubhaft versicherte. Er nennt Kickl „rechtsextrem“ und „gefährlich“.

Anders als Jörg Haider

Muss die FPÖ als Wahlsieger nun in die Opposition?

Dass Kickls FPÖ den Zweitplatzierten Karl Nehammer zum Kanzler macht – wie einst Jörg Haider (FPÖ) den Drittplatzierten Wolfgang Schüssel (ÖVP) –, ist nahezu ausgeschlossen. Kickl hält Haiders Entscheidung vor 25 Jahren für seinen größten politischen Fehler. Dass sich Kickl als strahlender Sieger für eine Regierungsbeteiligung der FPÖ opfert, ist aber unwahrscheinlich. Die Opposition scheint Kickls einzige Option.

Aber ist es auch die einzige Option der Partei? Ein Rundruf der WZ in der Partei zeigt: Es gibt Stimmen, die auf eine Regierungsbeteiligung der FPÖ drängen. Immerhin habe man die Wahl gewonnen. Warum jetzt verzichten? Warum nicht mit der ÖVP koalieren? Der interne Druck auf Kickl, den Schritt zurück zu machen, nimmt mit dem Wahlergebnis zu. Spielen wir das Szenario durch.

Kickl wäre in dieser Konstellation kein Teil der Regierung. Er könnte allerdings Parteichef bleiben, sich wieder ganz auf die Rolle als Chefideologe konzentrieren und weiter die graue Eminenz im Hintergrund sein. Eine Koalition mit den Blauen hat in der ÖVP viele Verfechter:innen. Zuletzt sprach sich die ehemalige Generalsekretärin und derzeitige Wiener Gemeinderätin Laura Sachslehner dafür aus.

Nehammers „Vernünftige“ in der FPÖ

Und auch Nehammer ist nicht abgeneigt. Für ihn gibt es „viele vernünftige Leute“ in der FPÖ. Inhaltlich stehen sich die beiden Parteien sowieso nah, ihre Wahlprogramme überschneiden sich in vielen Punkten – von der restriktiven Migrationspolitik über die Klimapolitik bis hin zu einem traditionellen Familienbild. Doch die Koalitions-Variante hat auch ohne Kickl ihren Haken. Als zweite Partei wäre die ÖVP nur Juniorpartner. Doch das muss sie nicht sein.

Sie könnte der FPÖ auch die kalte Schulter zeigen und für ein Novum sorgen – die Dreierkoalition. Dafür muss sie sich mit der SPÖ einlassen. Die sogenannte große Koalition prägte die Zweite Republik. Über Jahrzehnte teilten sich die beiden Parteien die Macht. Und verloren sukzessive den Rückhalt in der Bevölkerung. Eine Neuauflage ist riskant. Dennoch spricht viel dafür. Nehammer könnte Kanzler bleiben, die ÖVP weiter den Ton angeben. Dagegen spricht der Obmann der Sozialdemokraten, Andreas Babler.

Für viele in der ÖVP ist Babler ein Fundamentalist. Seine Forderungen – die Verkürzung der Arbeitszeit, die Einführung einer Reichensteuer – sind rote Tücher für die Volkspartei. Doch nicht nur der ÖVP ist Babler zu links. Auch für viele Genoss:innen steht Babler zu weit am Rand. Sie wünschen sich eine Rückkehr zur Mitte – und eine Koalition mit der ÖVP.

SPÖ-Reform statt Regierung

Michael Ludwig etwa. Der Wiener Bürgermeister macht kein Geheimnis daraus. Auch nicht aus seinem großen Einfluss auf die Partei. „An einer Koalition werde ich im Hintergrund mitwirken“, sagte er zuletzt im Standard. Babler selbst schloss eine Koalition mit der ÖVP nicht kategorisch aus. Die Volkspartei müsse aber erst „koalitionsfähig“ werden. Begeistert klingt das nicht.

Babler ist als Drittplatzierter bei der SPÖ-Spitze ohnehin angezählt. Ihn loszuwerden dürfte aber schwierig werden. Dafür braucht es eine Mehrheit der Parteibasis. Von sich aus abtreten will Babler nicht. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die Partei zu reformieren. Sein Blick richtet sich nach innen. Er will lieber eine starke Reformbewegung für die Zukunft aufbauen, als mit aller Gewalt mitregieren.

Die SPÖ ist in Lager gespalten. Ein Problem für Nehammer. Es könnte sein, dass die SPÖ nicht verhandlungsfähig ist.

Neos stehen bereit, Grüne gehen leer aus

Verhandlungsfähig – und vor allem willig – sind hingegen die Neos als dritte Partei in dieser Koalitionsvariante. „Wir sind bereit”, betonte Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger mehrmals. Genauso wie schon bei den vergangenen Koalitionsverhandlungen 2019. Der damalige ÖVP-Chef Sebastian Kurz entschied sich jedoch für die Grünen als Partner.

Die Koalition mit den Grünen hielt die gesamte fünfjährige Legislaturperiode bis heute, trotz Turbulenzen in der ÖVP, aufgrund derer Kurz gehen musste und durch Nehammer ersetzt wurde. Auch die Corona-Pandemie stand die schwarz-grüne Koalition gemeinsam durch.

Eine erneute Zusammenarbeit dürfte aber schwierig werden. Nehammer lehnt die ambitionierte Klimapolitik der Grünen ab. Wie er zuletzt im ORF-Duell mit Kickl betonte, werde das Klimaministerium in der nächsten Regierung weniger Einfluss haben. Besonders mit Klimaministerin Leonore Gewessler sieht er keine gemeinsame Zukunft, nachdem sie im Alleingang dem EU-Renaturierungsgesetz zugestimmt hatte.

Herbert Kickl hat also die FPÖ zum Wahlsieg geführt, doch Koalitionen ohne ihn erscheinen wahrscheinlicher als je zuvor. Auf dem Weg zu einer Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos könnte der SPÖ-Spitzenkandidat zum Problem werden. In jedem Fall: Österreich kann sich auf neue Koalitionsformen einstellen.


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Infos und Quellen

Quellen

Daten und Fakten

Am 29. September 2024 fanden die 28. österreichische Nationalratswahl statt. Bundesweit traten ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, Neos, Bier, Keine, KPÖ und LMP an, in einzelnen Bundesländern zusätzlich Gaza, MFG und die Gelben. Rund 6,35 Millionen Menschen waren wahlberechtigt (Bundesministerium für Inneres).

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