Von: Marie-Sarah Drugowitsch
Das vor knapp einem Jahr eröffnete Wiener Aktionismus Museum knüpft mit seiner zweiten Ausstellung „Vier Aktionen“ an die erste Schau zum Thema „Was ist Wiener Aktionismus?“ an. Diesmal wird kein Überblick der Entwicklungen der Bewegung aus den 1960er-Jahren gegeben, sondern eine Mikroperspektive auf je eine Aktion der Hauptvertreter eingenommen: Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch, sowie Rudolf Schwarzkogler.
Ziel der Schau war es zunächst, die einzelnen Aktionen, gemäß kunsthistorischer Grundlagenforschung, mit sämtlichen verfügbaren historischen Materialien zu präsentieren. Daraus ist jedoch viel mehr als eine reine Bestandsaufnahme entstanden.
Der Blick richtet sich auf den Pluralismus der einzelnen Aktionen und den individuellen Zugang der Künstler, aber auch auf übergreifende Gestaltungsprinzipien. Dabei vollzieht sich ein Bruch mit dem, was gängig als Aktion verstanden wird, denn bis auf jene von Nitsch hat keine der „Performances“ vor Publikum stattgefunden, sondern wurde ausschließlich für die fotografische und filmische Dokumentation inszeniert. Und so existierte auch kein narrativer, kohärenter Handlungsablauf im engeren Sinn.
Material und Dokumentation
Die Ausstellung stellt die Frage, was hinter der jeweiligen Aktion steckt und demonstriert dies ausführlich mit Vorarbeiten und nachträglichen Reflexionen in Form von Fotos, Musik, schriftlichen Überlegungen, Skizzen und Videomaterial, was einen detailreichen Nachvollzug der einzelnen, inhaltlich komplexen Aktionen ermöglicht.
Der Fotografie, als eine der wenigen Möglichkeiten, diese ephemere Kunstform festzuhalten, spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Gegenüberstellung von unbeschnittenen und beschnittenen Fotosujets zeigt, wie stark Künstler selbst in das fotografische Rohmaterial eingriffen, und gibt Aufschluss über die Rückkehr der Aktionisten zum bildhaften Artefakt. Bewegte Bilder demonstrieren den divergierenden Zugang der Filmenden, die dem Wunsch der Künstler nach möglichst dokumentarischer Wiedergabe oft nicht nachkamen.
Diverse Blickwinkel
Vier verschiedenen Kuratorinnen, in Zusammenarbeit mit Chefkuratorin Eva Badura-Triska, betrachten je eine der vier Aktionen aus unterschiedlichen Perspektiven, dabei verlieren sie übergreifende Fragestellungen jedoch nicht aus den Augen.
Roman Grabner (Leiter Bruseum Graz) setzt sich in Günter Brus „Silber“ vor allem mit der Bedeutung kunsthistorischer Zitate und der Aufarbeitung der Chronologie auseinander, während Pascal Zoss bei Otto Muehls „Mama und Papa“ eine philosophische Perspektive verfolgt. Julia Moebus-Puck, Direktorin des WAM, befasst sich mit Hermann Nitschs „3. Aktion“, die im Zuge des „Festes des psychophysischen Naturalismus“ 1963 aufgeführt wurde, auseinander und Marcello Farabegoli, Kurator am WAM, thematisiert die Bildhaftigkeit sowie den Einfluss der anderen Künstlerkollegen auf Rudolf Schwarzkoglers „4. Aktion“.
Die Schau lädt durch ihren präzisen Blick zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser durchwegs provokativen Kunst ein und gibt Anregung zur vertieften Begegnung mit den einzelnen Künstlern. Fragestellungen, die körperpolitische Auseinandersetzung umfassen, bleiben auch bei weiteren Ausstellungen in diesem Jahr, ab 27. Mai bei Thomas Feuerstein und ab 28. August in der ersten musealen Soloausstellung von Marko Markovich, bestehen.
„Vier Aktionen“ im Wiener Aktionismus Museum von 14. Februar bis 27. Juli 2025