Österreichs Parteien haben eine bunte und spannende Vergangenheit, über die heute kaum noch geredet wird. Woher kommen SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos und KPÖ? Die folgende Serie geht dem auf den Grund. Teil 6: die KPÖ.
Hilde Koplenig krümmt sich fast vor Lachen. Als Josef Stalin 1953 starb, gab es in der KPÖ tatsächlich „einige Leute, die geheult haben“, erzählt die mittlerweile verstorbene Frau des langjährigen KPÖ-Parteichefs Johann Koplenig vor der ORF-Kamera. Die wirklich „getrauert und Theater gemacht haben“, als der millionenfache Mörder 1953 das Zeitliche segnete.
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Aber es sind noch andere Dinge, die die Witwe in dem 1985 ausgestrahlten Interview zu berichten weiß: Etwa, dass in der KPÖ-Führung nach 1945 Personen tätig waren, die eine Teilung Österreichs nach deutschem Vorbild wollten, wobei der östliche Teil wie die DDR unter sowjetische Herrschaft kommen sollte. Die Mehrheit in der KPÖ hätte aber ein demokratisches und selbstständiges Österreich bevorzugt, schränkt sie ein. Zumal die Sowjets selbst der Idee von der Staatsteilung nicht nähertreten wollten.
Was für die KPÖ um jeden Preis zu verhindern war, war die Einbeziehung Österreichs in den Marshallplan – ein Wiederaufbauprogramm der USA, das dem Land nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs wieder auf die Beine half.
Ungeliebt und nicht gewählt
Die KPÖ gibt es heute immer noch und sie hat wenig Grund, auf ihre Vergangenheit stolz zu sein − mit einer großen Ausnahme: Unbestritten waren es Österreichs Kommunisten, die sich 1938 bis 1945 den Nationalsozialisten am nachdrücklichsten entgegenstellten. Mehr als 2.000 Parteimitglieder verloren im Kampf gegen das Hitler-Regime ihr Leben. Und es ist eine klare antifaschistische Grundhaltung, die in der KPÖ bis heute im Vordergrund steht.
Ungeachtet dessen musste die KPÖ in Österreich ein Dasein als politischer Außenseiter fristen. Die Wahlerfolge waren seit der Parteigründung 1918 stets mehr als bescheiden, bis die KPÖ 1959 endgültig aus dem Nationalrat flog und bis heute nicht mehr dorthin zurückkehrte. Einer der raren Höhepunkte in der Partei-Vergangenheit stellt die Gründung der Republik im April 1945 dar, als die KPÖ unter sowjetischer Patronanz Seite an Seite mit der ÖVP und der SPÖ den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte legte.
Manche bei uns haben tatsächlich über Stalins Tod geweint.
Hilde Koplenig, Gattin des Langzeit-KPÖ-Chefs Johann Koplenig
Auf Linie Moskaus
In der KPÖ haben sich bis zum Ende des Kalten Kriegs 1989 verlässlich die Dogmatiker:innen durchgesetzt. Die Partei unterwarf sich Stalin und agierte in der Folge moskautreu. So war man zunächst für die Neutralität Österreichs, bis man von Moskau zurückgepfiffen wurde. Als die Sowjets dann doch die Neutralität verlangten, vollzog die KPÖ den Schwenk folgsam mit. War der jugoslawische KP-Führer Josip Broz Tito zunächst der große Held, wurde er ab 1948 nach dem Bruch mit Stalin auch von der KPÖ pflichtbewusst in Grund und Boden gestampft.
Unbeirrt verteidigte die KPÖ den sowjetischen Unterdrückungsapparat. 1956 ließ Moskau den Ungarn-Aufstand brutal niederschlagen: Die KPÖ fand das gut. 1968 wollte die Tschechoslowakei, damals CSSR, einen eigenen Weg zum Sozialismus finden. Die Sowjets waren dagegen und walzten den „Prager Frühling“ mit Panzern platt: Ein Umdenken fand in der Mainstream-KPÖ nicht statt. Wobei der Kurs innerparteilich stets heftig umstritten war. Nach den Invasionen 1956 und 1968 kehrten viele KPÖler:innen der Partei verbittert den Rücken.
Reger Zuspruch
Nach langer Zeit in der kompletten Versenkung ist es der KPÖ in jüngerer Vergangenheit gelungen, auf lokaler Ebene Wahlerfolge erzielen. So stellen die Kommunisten seit 2021 mit Elke Kahr die Bürgermeisterin in Graz, Österreichs zweitgrößter Stadt. In Salzburg verfehlte der Kommunist Kay-Michael Dankl 2023 erst im zweiten Durchgang das Amt des Stadtoberhauptes.
Politolog:innen sehen den Grund für den regen Zuspruch darin, dass sich die KPÖ kommunalpolitisch glaubhaft für drängende Grundbedürfnisse der Bürger:innen wie Wohnen, Jobs und die Beseitigung sozialer Notlagen stark macht. Für Entsetzen sorgen die kommunistischen Erfolge vor allem auf Seiten der bürgerlichen ÖVP, wo man auf die KP-Verbrechen der Vergangenheit hinweist und nicht versteht, wie Politiker:innen überhaupt unter dieser Flagge segeln können.
Kritische Aufarbeitung nur in Ansätzen
Heute hat sich die Partei vom Stalinismus und dem Realsozialismus, wie er im Ostblock herrschte, distanziert. Eine Revolution steht auch nicht mehr auf dem Programm, vielmehr soll der demokratische Sozialismus über Reformen erreicht werden.
Eine umfassende Aufarbeitung der eigenen Geschichte hat aber nicht stattgefunden. Immerhin rechnet Susanne Sohn, KPÖ-Co-Vorsitzende 1990 bis 1991, in ihrem Buch „Als der Kommunismus stürzte“ mit der Partei und den dort bis zuletzt vorhandenen Dogmatiker:innen der alten Schule ab. Sie selbst merkt selbstkritisch an, dass sie in einer Art Blase gelebt habe. Und, dass der Kommunismus auch nach seinem implosionsartigen Ende 1989 für viele ein Glaubensbekenntnis, ein Religionsersatz gewesen sei.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
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Nationalratswahl am 29. September 2024: Nachdem die KPÖ bei der Wahl 2019 0,7 Prozent der Stimmen erhielt, könnte sie jetzt laut Umfragen zulegen.
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Der Sowjet-Diktator Josef Stalin (1878-1953) hat Millionen Menschenleben auf dem Gewissen. Unzählige kamen bei politischen Säuberungsaktionen um, auf sein Konto geht auch eine künstlich herbeigeführte Hungersnot in der Ukraine, der sogenannte Holodomor.
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Johann Koplenig war gelernter Schuhmacher und lang in der Emigration (Tschechoslowakei, Frankreich, Sowjetunion). 1945 bis 1965 war er Vorsitzender der KPÖ.
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Im September und Oktober 1950 fanden in Österreich Massenstreiks gegen geplante Teuerungsmaßnahmen statt. Beteiligt waren viele Arbeiter:innen aus sowjetisch kontrollierten Betrieben. SPÖ, ÖVP und der ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) sprachen von einem kommunistischen Putschversuch, die KPÖ dementierte das entschieden.
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Glasnost und Perestrojka: Ein politischer Kurs der Offenheit, Transparenz und wirtschaftlicher Reformen unter dem letzten Sowjet-Führer Michail Gorbatschow in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre. Die KPÖ war davon nicht sehr begeistert. DDR-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker auch nicht, zu dem Gorbatschow einer (gut erfundenen) Anekdote zufolge sagte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“
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Kollaps des Kommunismus 1989: Nach dem Zweiten Weltkrieg standen sich die Sowjetunion und ihre kommunistischen Satellitenstaaten und die USA mit Westeuropa auf ihrer Seite unversöhnlich gegenüber. Es herrschte der Kalte Krieg. 1989 kollabierte der Kommunismus bis auf Ausnahmen unblutig. Das Ende des realen Sozialismus stürzte auch die KPÖ in eine finanzielle Krise.