Die Anfragebeantwortung würde zeigen, wie Gewessler „tickt“, so Gerstl: „Sie bricht den Föderalismus und verweigert die Anerkennung der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer, wissend, dass diese nur durch eine neue einheitliche Stellungnahme aufgehoben hätte werden können. Dabei schiebt sie gleichzeitig die Verantwortung an Wien ab.“
Worum es geht: Gegen die EU-Renaturierung lag eine einheitliche Stellungnahme der Bundesländer vor. An diese wäre Gewessler auf EU-Ebene gebunden gewesen. Da sich die Stellungnahme auf einen teilweise veralteten Entwurf der Verordnung bezog und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kurz vor der Abstimmung auf EU-Ebene kundtat, die Renaturierung nun doch zu unterstützen, sah sich Gewessler aber nicht mehr an die Stellungnahme gebunden. Hier gab es auch widersprüchliche Expertenmeinungen.
Wien habe seine Position geändert und sich gegen die Linie der anderen Bundesländer gestellt, so Gewessler in der Beantwortung: „Wenn es keine einheitliche Position der Länder mehr gibt, liegt auch keine einheitliche Stellungnahme der Länder mehr vor.“
„Rechtsfrage unzutreffend gelöst“: Gewessler kritisiert Verfassungsdienst
Die Rechtssicht der ÖVP stützte unter anderem der im Bundeskanzleramt angesiedelte Verfassungsdienst. Und zwar nicht nur in diesem Punkt. Der KURIER berichtete am 29. Mai über eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes, die besagte, dass Gewessler zumindest das „Ja“ des ÖVP-Landwirtschaftsministeriums benötige, um für die Renaturierung stimmen zu dürfen.
Gewessler betont in der Anfragebeantwortung, „erst wenige Tage vor der Abstimmung im Rat“ vom Bundeskanzleramt über diese „Rechtsmeinung“ informiert worden zu sein. Und: „Der VD (Verfassungsdienst, Anm.) genießt – wie alle Sektionen aller Bundesministerien hohe Kompetenz und Ansehen. Die gegenständliche Rechtsfrage hat er aber leider – auch nach Auffassung zahlreicher österreichischer Rechtswissenschafter:innen – unzutreffend gelöst.“
Über widersprechende Gutachten ihres Ministeriums hätte sie Mitglieder der Bundesregierung „aus zeitlichen Gründen“ nicht mehr informieren können. Dies sei auch „rechtlich nicht vorgesehen“. Gerstl: „Unglaubwürdiger geht es nicht!“
Gerstl fordert sofortigen Rücktritt
Der ÖVP-Mann stößt sich grundsätzlich daran, dass Gewessler „quasi nichts“ beantworte und wichtige Fragen offen lasse. „Die Ministerin hat verantwortungslos gehandelt und Rechtsbruch begangen. Das gefährdet das Wohl der Menschen in Österreich“, so Gerstl.
Sein Fazit lässt zumindest nicht vermuten, dass sich eine neuerliche Regierung mit Beteiligung von ÖVP und Grünen nach der Nationalratswahl wieder ausgeht. „Ministerin Gewessler würde gut daran tun, sofort zurückzutreten, bevor sie vom Wähler abgewählt wird“, sagt Gerstl.