*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*
Es gebe in der Staatsoper ein Kammerl für „Fashion-Notfälle“, sagte Christoph Wagner-Trenkwitz bei der diesjährigen Opernball-Übertragung. Mit Kammerln kennen sich er und Co-Kommentator Karl Hohenlohe wahrlich aus. Schon gefühlt länger als es den Opernball gibt, sitzen sie in einem solchen und kommentieren frisch von der Leber, nach Lust und Laune. Daher bezeichnen sich die beiden auch als „Staats-Opas“. „Die Staatsoper ist nach uns benannt“, sagt Hohenlohe mit gebotenem Ernst, als sie zu Beginn durch den Eingang schreiten.
Die eingangs erwähnte Stelle für Textilprobleme erinnert Wagner-Trenkwitz an eine Aussage von Staatsoperndirektor Bogdan Roščić: Es gäbe am Staatsball auch „wandelnde Fashion-Notfälle“.
Einen solchen erblicken sie offenbar in einem „gekrönten Haupt“ auf der Feststiege. Ein Ballgast, der „Schoko-Michi“, trägt ein goldenes Gebilde aus Schokolade auf seinem Zylinder. „Ein junger Mann, der Schokolade …“ „…isst?“ „Nein, …verkauft.“
Dafür hat er offenbar einen Bauchladen. Der Bauchladen war aber nicht zu sehen. Ein Treppenwitz?
Farbenfrage
Einen Fashion-Notfall anderer Art hat Leona König. Ihr Kleid ist zwar nicht von Willhaben, aber trotzdem Second Hand, weil zuvor von US-Superstar Cher getragen. Das Kleid der „Goldene Note“-Präsentatorin sieht aber verdächtig nach violett aus, aber violett sei nicht erlaubt, schließlich ist Lebenspartner und SPÖ-Ministerreserve Alexander Wrabetz als Rapid-Präsident der Farbe Grün verpflichtet. König beteuert, dass es sich um Bordeauxrot handelt. Dennoch steht Wrabetz nicht neben ihr auf dem Red Carpet. Taten sich bei ihm berechtigte Zweifel auf?
„DSDS“-Juror und Choreograf Bruce Darnell sagt, er werde den „Arsch ein bisschen bewegen, wenn ich das sagen darf.“
Interviewerin Marion Benda erlaubte es und wiederholte: „Arsch ein bisschen bewegen.“
Damit ist es amtlich: Man darf im Fernsehen „Arsch“ sagen.
Drohnenschwindel
Ein Drohnenflug durch die leere Staatsoper beschert den Ballbesuchern im Patschenkino bei dieser Übertragung sogar authentischen Walzerschwindel. Der Flug endet in der noch leeren Regierungsloge.
„Diese Loge wartet auf eine Regierung – so wie wir alle“, kommentiert Wagner-Trenkwitz.
Sie werden lachen, das ist die einzige Anspielung auf die lange Regierungsbildung. Es gibt keinerlei Fragen dazu an die politischen Gäste. Es sind auch auffallend wenige anwesend. Vielleicht weil die neue Regierung noch nicht in trockenen Tüchern ist?
Noch-Kanzler Alexander Schallenberg trägt eine geheimnisvolle rote Schärpe mit zwei blauen Streifen. Ist das die Schärpe für zweifache Interimskanzler? Hat das Fürstentum Liechtenstein inzwischen die Republik übernommen?
Diese investigativen Fragen werden von Mirjam Weichselbraun nicht gestellt. Sie wollte die Bedeutung des Opernballs herausarbeiten. Mit dem Ergebnis, dass Schallenberg sagte: „Wir können stolz sein. Das ist Österreich.“ Und: „Wir haben vielleicht keine Atomwaffen, aber wir haben Wolfgang Amadeus Mozart.“
Werner Kogler nützt einen seiner letzten Tage als Regierungsmitglied für sein spätes Opernballdebüt. Um zu tanzen? – Nein, „ohne zu stolpern mit dem Frack herumzugehen“ sei Herausforderung genug.
Rettungsgasse und Versautes
Ohne Stolperer geht die Polonaise bei der Eröffnung über das Parkett. Dabei gilt für solche Fälle hier ohnehin die Rettungsgasse, wie Wagner-Trenkwitz traditionell einflicht, „sonst wäre es kein Opernball“.
Minuten später sagt er: „Habe ich schon gesagt, dass hier die Rettungsgasse gilt?“
Kollege Hohenlohe ist sich nicht sicher.
Egal, doppelt hält besser.
Große Probleme haben die beiden allerdings beim Verzehr der „versauten Punschkrapferl“, die von „Steirereck & Friends“ auch im Kommentatorenkammerl kredenzt werden.
Es wird beinahe zum „practical joke“, wie Wagner-Trenkwitz am Zerteilen des Schweinebauchs scheitert – in Ermangelung eines Messers. Er will sich nicht den Frack versauen.
Kollege Hohenlohe rührt die versauten Leckereien erst gar nicht an.
Trinken nicht vergessen
Umtriebiger ist da Andi Knoll, der interviewt sogar die Debütantinnen und Debütanten und wirft eines der Blumenbouquets als „Brautstrauß“ in die Menge. Es ist eben ein Strauss-Jahr.
Einen Tipp gibt er den Tänzerinnen und Tänzern noch mit auf den Weg: „Trinken nicht vergessen“.
Diesen Rat haben einige prominente Ballgäste diesmal sichtlich überinterpretiert. So viele Anflüge von schwerer Zunge waren bei der Ballübertragung schon lange nicht mehr zu beobachten.
Den Brautstrauß hätte auch Wagner-Trenkwitz gerne gefangen – „um unsere Beziehung endlich zu legalisieren“. „Nur mit Karl“, sagt er noch. Karl wirkt verlegen. Auch um Worte.
Leni Klum, Tochter von Heidi Klum, kann gar keinen Satz auf Deutsch (zumindest im Fernsehen) sagen. Knoll schlägt „Denglisch“ vor. Nicht einmal dieser Wunsch wird erfüllt.
Lugnerball mit Monopoly
Ein Experte für „Denglisch“ war stets Richard Lugner. Über einen Ballgast sagte er auf legendäre Weise: „She is tired. Not ang’fressen.“ In einem anderen Zitat in der Rückschau auf den verstorbenen Bau – und Ballmeister sagt dieser: „Jetzt hätt’ i fast Lugnerball gesagt.“
Vielleicht kann man ja posthum an eine Umbenennung denken.
Das Lugner-Gedenken fällt jedenfalls würdevoll aus. Bei Witwe Simone Lugner, dem Ex-Chauffeur „Herr Roland“. Tochter Jacqueline Lugner blickt auf „einzigartige Momente“ zurück. Einen internationalen Gast gibt es auch in der Loge: Street-Artist Alec Monopoly.
Ob er in der Staatsoper eh nicht zur Spraydose greife? Nein, für die Oper gibt es nichts als Respekt, sagt der sympathische Mann.
Wagner-Trenkwitz vermeldet über den „Herrn DKT“: „Alec Monopoly wird die Staatsoper nicht besprühen, das ist schon einmal eine gute Nachricht.“
Lamourhatscher
Dann stellt er mit Blick auf den Ballsaal fest: „Die Stimmung wird ja immer Lamourhatscheriger … vielleicht ist im Untergeschoss mehr los.“
Schnitt auf den DJ im dortigen Club. „Da funkt es!“, stellt Wagner-Trenkwitz fest.
Die vielen Schauplatzwechsel tun der Übertragung gut. Hier ist merklich ein coolerer Stil der Berichterstattung eingezogen. „Kulturlady“ Teresa Vogl stört dort Lidia Baich beim Tanzen und entlockt der Violinistin das Geständnis, dass sie auf Konzertreisen die Konversation mit ihrer Geige schätze, „Tag und Nacht, zu allen Themen“.
Der eintrudelnde Präsident
Ein Thema ist noch offen. Karl Hohenlohe. Er beteuert, er werde nicht sagen, dass der Bundespräsident „eintrudelt“. „Das kann man nicht sagen“. Dabei freut sich Wagner-Trenkwitz schon so darauf. Es wäre eine Premiere, meint er.
Dann fahren Limousinen mit Blaulicht gegen die Einbahn die Ringstraße entlang, es gibt den „berühmten Schlenker“, sagt Hohenlohe. Und dann sagt er die magischen Worte: „Er trudelt ein.“
Sie ahnen es bereits: Zur neuen Regierung wird Alexander Van der Bellen von Mirjam Weichselbraun nicht befragt. Sie thematisiert, dass viele Leute kaum mehr Nachrichten schauen würden, weil es zu viele schlechte Nachrichten gebe.
Einen Staatsgast hat der Bundespräsident nicht im Schlepptau. Dafür hat er die Wissenschaftlerin des Jahres mitgebracht, Sigrid Stagl. Die Umweltökonomin gibt Tipps zum persönlichen Umgang mit der Klimakrise: „Mit etwas anfangen, das einem leicht fällt.“
Keine Würstel um 16 Euro essen?
Den Opernball abschaffen?
Nein, lieber nicht. Dafür war diese Ballnacht viel zu gut.
Gute Nacht.