Panik, Schock und Fassungslosigkeit – so lässt sich zusammenfassen, was in den Forschungseinrichtungen der USA derzeit passiert. Seit Donald Trump Mitte Jänner seine zweite Amtszeit als US-Präsident begonnen hat, geschieht eine in der Geschichte der USA beispiellose Jagd auf die Wissenschaft durch massenhafte Entlassungen von Zehntausenden von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern.
Bereiche wie LGBT+-Medizin, Epidemiologie, Infektionskrankheiten und Immunologie stehen massiv unter Druck, Forschung zu Klimawandel, Treibhausgasen und Naturkatastrophen ist immens gefährdet, da diese Themen von der aktuellen Regierung als irrelevant betrachtet werden, Disziplinen wie Kommunikation, Psychologie, Geschichte und kulturelles Erbe dürften ebenfalls betroffen sein, da sie von Teilen der Administration als „unnütz“ für wirtschaftliche oder technologische Ziele gelten, selbst Grundlagenforschung wie Hochenergiephysik, aber auch Forschung, die sich mit erneuerbaren Energien oder Kohlenstoffmanagement befasst, sind bereits betroffen.
Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, hat selbst einige Jahre in den USA geforscht. In einem Interview erklärt er seine Sicht: „Jetzt stehe ich ziemlich fassungslos davor, wie unglaublich die Negierung von Wissen, die Wissenschaftsfeindlichkeit und Zensur zugenommen haben.“ (LINK zum Interview am Ende des Artikels)
Nachhaltiger Schaden
Die Auswirkungen werden immer deutlicher, die Sorge ist groß, dass Forschungsfelder nachhaltig und Forschungseinrichtungen irreparabel zerstört werden. Nicht nur für die USA selbst, sondern auch global, von den Vereinten Nationen abwärts. Selbst österreichische Forschungseinrichtungen, die bisher von US-Forschungsgeldern profitiert hatten, werden unter den Kürzungen leiden.
Aber das alles kommt nicht überraschend, denn im 900 Seiten starken „Project 2025“, einer Initiative konservativer Organisationen unter der Leitung der rechten Heritage Foundation, wurde lange vor der letzten Präsidentschaftswahl bereits im Detail aufgelistet. Trump selbst hatte immer vehement bestritten, dass er das Dokument kenne. Glaubwürdig ist, dass er es nie gelesen hat.
Das Vorbild dieses Unterfanges, sagte Kevin Roberts, Chef der Heritage Foundation, sei übrigens Ungarns Wissenschaftspolitik. Premier Viktor Orbán hat schon vor 15 Jahren ähnliche Schritte gesetzt. Heute ist keine ungarische Uni unter den Top-500 der Welt.
Heinz Faßmann, Präsident der Akademie der Wissenschaften, gab dazu dem KURIER ein kurzes Interview:
Herr Präsident, was bekommen Sie mit aus den USA, wie sehr steht die Wissenschaft unter Druck? Oder läuft alles wie immer?
Heinz Faßmann: Die Stimmung hat sich eingetrübt. Wir sprechen viel mit Forschenden in den USA und bemerken, wie ängstlich und aufgeschreckt sie sind. Zu Beginn von Trumps Amtszeit waren viele noch zweckoptimistisch und meinten, dass es schon nicht so schlimm kommen werde. Jetzt sind viele entweder schon selbst von Kürzungen der Gelder betroffen, vor allem im Life Science Sektor. Oder sie handeln im vorauseilenden Gehorsam, so wie manchen Universitäten, die ihr Diversitätsprogramme streichen, um nicht auf irgendwelche Listen zu kommen. Niemand kann einschätzen, was die nächsten Jahre noch bringen werden.
Die Forschung in den USA gehört zweifellos zur besten der Welt, das sieht man zB an den Nobelpreisen (49% gingen an US-Forscher, sagt chatgpt, was nicht heißt, dass das so stimmt..). Wie sehr sehen Sie den Sparstift und andererseits die grundlegende Ablehnung wissenschaftlicher Themen in den USA Einfluss auf die weltweite Wissenschaft?
Heinz Faßmann: Die USA ist die größte Wissenschaftsnation der Welt und Wissenschaft ist auch Teil der „amerikanischen Story“, wie es „Science Guy“ Bill Nye kürzlich bei einer Protestveranstaltung ausdrückte. Und das Technologievertrauen ist sehr groß. Wenn sich die derzeit beobachtbare Entwicklung fortsetzt, werden bestimmte Wissenschaftsbereiche zurückfallen, ich denke an die Klimaforschung oder die Impfstoffforschung. Es ist erschütternd zu sehen, dass eine Person so viel Schaden anrichten kann.
Registrieren Sie inzwischen vermehrt Bewerbungen aus den USA?
Heinz Faßmann: Wir haben das noch nicht erhoben, aber wir rechnen damit. Die deutsche Max Planck-Gesellschaft berichtet bereits von doppelt so viel Bewerbungen aus den USA. Die ÖAW ist mit ihren Spitzeninstituten ein attraktiver Arbeitgeber. Gerade in den Life Sciences gehört der Standort Wien mit dem BioCenter und der AKH-Campus zu den führenden Hubs in Europa.
Sollte Österreich als Wissenschaftsstandort aktiv beginnen, abzuwerben?
Heinz Faßmann: Ich gehe davon aus, dass die Institutionen der Spitzenforschung bereits entsprechende Überlegungen anstellen. Die ÖAW geht in diesem Sinn aktiv vor. Es wäre in dem Zusammenhang auch wichtig, die Hürden der Rot-Weiß-Rot-Card für Spitzenforschende abzubauen, damit diese schneller nach Österreich kommen und hier arbeiten können. Exzellente Forschende ziehen weitere hervorragende Kräfte an
Faßmanns Kollege Martin Hetzer, er ist Präsident des Institute of Science and Technology Austria (ISTA), sagte zum KURIER: „Als Teil der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft beobachten wir die staatlichen Kürzungen, Beschränkungen und Eingriffe in die Unabhängigkeit der Wissenschaft in den USA mit großer Aufmerksamkeit und zunehmender Sorge. Oft kann man, wenn ein Wirtschafts- und Wissenschafts-Standort durch eine Krise geht, eine Zunahme von Bewerbungen aus dieser Region beobachten. Dies kann auch hier wieder der Fall sein, und in einigen Fällen sicherlich exzellente Forschende nach Europa oder Österreich bringen. Unsere Türen sind offen für internationale Talente. Trotzdem: Durch die internationale Vernetzung der Wissenschaft und die Vielzahl wichtiger wissenschaftlicher Player in den USA, überwiegt unsere Sorge, wie sich die Entwicklungen in den Staaten auf Forschung, Innovation, Wirtschaft und Gesellschaften weltweit auswirken werden. Gut ausgestattete und unabhängige Wissenschaft ist unabdingbar für die positive Entwicklung der Menschheit.“
Auch für Österreichs neue Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) ist die Situation in den USA „alarmierend. Wir müssen Bewusstsein dafür schaffen, dass die freie Wissenschaft und Forschung Grundpfeiler einer liberalen Demokratie darstellen. Eine systematische Zerstörung von wissenschaftlichen Strukturen sowie die öffentliche Anfeindung von Wissenschafter:innen und ihrer Arbeit bedrohen somit auch immer unsere demokratische Werteordnung. Als Wissenschaftsministerin werde ich gezielte Maßnahmen zur Attraktivierung des Forschungsstandortes Österreich setzen und wissenschaftsfeindlichen, populistischen Strömungen entgegenwirken. Ich stehe dazu auch im Austausch mit meinem französischen Amtskollegen Philippe Baptiste, um eine europäische Antwort auf diese Herausforderungen zu koordinieren.“
Ministerin Holzleitner erklärte darüber hinaus, dass den European Research Council bereits viele Anfragen („Hilferufe“) von Forschenden aus den USA erreicht habe. Frankreich bringe sich hier recht aktiv bei der Koordinierung einer gesamteuropäischen Vorgangsweise ein, was auch von Österreich unterstützt werde. Konkrete Maßnahmen, die im Regierungsprogramm verankert seien, sind etwa der Ausbau von Stipendienangeboten für Studierende und Forschende als auch beschleunigte Verfahren, um den Standort Österreich für internationale Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher attraktiv zu gestalten.
LINK zum Interview mit Prof. Marotzke
Link zum Dokument der Heritage Foundation – Project 2025 zur Wissenschaft (englsich)