Startseite Wirtschaft Rechtsstreit um das digitale Notariat: Start-up fühlt sich verfolgt

Rechtsstreit um das digitale Notariat: Start-up fühlt sich verfolgt

von Max

Handelsgericht Wien gab Notarity in wichtigen Punkten recht 

Im September wies das Handelsgericht Wien in erster Instanz die Klage der Kammer gegen Notarity in den beiden Hauptunterlassungsbegehren ab, wodurch die Plattform als Vermittlerin von Notariats-Dienstleistungen weitermachen kann. Das Gericht gab jedoch den Eventualunterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren statt.  Dabei wurde es Notarity u.a. untersagt, mit Fixpreisen oder Nettopreisen zu werben. Auch dürfe die Plattform nicht behaupten, dass die Services kostenfrei zur Verfügung stehen. Die Abrechnung erfolgt über die durchführenden Notarinnen und Notare, die die Plattform nutzen. Eine Abtretung der Honoraransprüche an Notarity ist nicht möglich.  

Die geforderten Änderungen in Bezug auf den Werbeauftritt hat Notarity nach eigenen Angaben bereits im Winter umgesetzt. Sehr zum Ärger des Start-ups reichte die Notariatskammer nun eine 55 Seiten starke Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein.

Notarity-Mitgründer und Chef Jakobus Schuster wirft der Kammer nun vor, wie ein großer Konzern gegen NGOs vorzugehen, um sie mundtot zu machen. Das Start-up sieht sich mittlerweile mit horrenden Anwalts- und Verfahrenskosten konfrontiert.  Schuster spricht gegenüber dem KURIER von einem sechsstelligen Betrag, der die Expansion des Unternehmens zunehmend belaste. „Wie schon vor der Klage haben wir der Kammer nach der eindeutigen Entscheidung des Handelsgerichts neuerlich die Hand ausgestreckt und Gespräche angeboten. Die Kammer hat dies aber weiterhin verweigert“, erklärt Schuster. Er versteht auch nicht, warum die Notare sich in der Werbung selbst  als „Profis in der Streitvermeidung“ bezeichnen und selbst den Weg über die Gerichte gehen. 

Vorwurf an Notarity: „In geschützten Berufsstand eingedrungen“

In der Berufung, die notarity dieser Tage zugestellt wurde, wirft die ÖNK dem Jungunternehmen „Ignoranz und Geringschätzung des notariellen Standes“ vor.  Notarity sei in den „geschützten Berufsstand eingedrungen und habe sich‚ entgegen der unrichtigen Ansicht des Erstgerichts, nicht auf eine vertretbare Rechtsansicht berufen“. Aufgrund der Wortwahl will Schuster die „Geisteshaltung und eigentlichen Ziele der handelnden Kammerfunktionäre“ herauslesen. 

Die ÖNK stellt auf KURIER-Anfrage klar, dass vor Einbringung der Klage mehrere Gespräche mit Notarity geführt wurden, die kein Ergebnis gebracht hätten. Das Urteil bringt aus Sicht der Kammer „allerdings noch nicht die Rechtssicherheit, die für Notar:innen, Klient:innen und die Anbieter von Digitalisierungstools für Notariate notwendig ist.“ Daher sei man in Berufung gegangen. 

Auch Notarity selbst geht nun in Berufung. „Wir sind zuversichtlich, dass im Berufungsverfahren erneut positiv im Sinne des Online-Notariats und der
rechtssuchenden Bevölkerung entschieden werden wird“, meint Schuster. 

4.000 Beglaubigungen pro Monat

Über die Online-Plattform Notarity können Unterschriften und Urkunden online von einem Notariat beglaubigt werden, wodurch Notarwege quasi von jedem beliebigen Ort aus erledigt werden können. Dadurch reduziert sich der Zeitaufwand in bestimmten Fällen von mehreren Wochen auf wenige Minuten. Nach eigenen Angaben bietet jedes vierte österreichische Notariatskanzlei Termine via notarity.com an. Es werden pro Monat rund 4.000 Online-Beglaubigungen und  Notariatsakte via Notarity erledigt. Die Plattform wird sowohl von Privaten als auch von Firmen genutzt. Notarity mit Sitz in Wien beschäftigt aktuell 18 Mitarbeiter. 

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