Ein Sommerfest, kein langweilige Präsentation mit Rednerpult wollten die Neos zu ihrem Wahlkampfauftakt veranstalten. Und so mutet die Veranstaltung zunächst auch an in der Strandbar Hermann am Freitagnachmittag. Die Bude sei „randvoll“, sagte Generalsekretär Douglas Hoyos, der zumindest auf einem kleinen Podest steht.
Genau elf Jahre seien seit dem Einzug der Neos in den Nationalrat vergangenen, erinnert Hoyos. Bei der Wahl im September peilen die Pinken eine Regierungsbeteiligung an, damit Reformen, „die wir seit Jahren einmahnen, auch tatsächlich passieren“. Die früheren Regierungen hätten viel angekündigt, aber nichts gemacht.
Das überraschend gute Ergebnis bei der EU-Wahl wollen sie als Rückenwind mitnehmen, sagt Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, der als zweiter Redner aufs Podest tritt.
„Regieren ist nicht immer einfach“
Im Wien-Wahlkampf sei er immer wieder mit der Aussage konfrontiert worden: „Das geht sich sowieso nicht aus.“ Es ging sich aus. Und Wiederkehr ist überzeugt, dass es sich auch bei der Nationalratswahl ausgehen werde.
Aus Erfahrung sagt der Vizebürgermeister: „Regieren ist nicht immer einfach. Es ist hart, aber es ist geil.“ Mitgestalten, Dinge verändern – darum gehe es den Neos. Darum, nicht nur zu reden, sondern auch zu machen. „Wir liefern in Wien in den Bereichen, in denen wir auch im Bund fordern, dass sich etwas tut.“
Als Beispiele nannte er etwa Entlastung – von Betrieben durch die Abschaffung unsinniger Steuern, aber auch vom Mittelstand wie etwa durch das kostenlose Mittagessen in den ganztägigen Schulen.
„Wieder vier Jahre lang verarschen lassen“
Als nächster Redner kündigt Neos-Heimkehrer Sepp Schellhorn an, seine Partei werde „dorthin gehen, wo es weh tut“. Vieles – gerade im Bildungsbereich – scheitere immer wieder an den Ländern. „Wir leben in einem Land, wo jeder für etwas zuständig ist, aber keiner für etwas verantwortlich.“ Die Neos aber sei die einzige Partei, die keinem Landeshauptmann verpflichtet sei, erinnerte der Gastronom aus Salzburg (wo die Neos 2023 aus der Landesregierung geflogen sind).
Angehen werde man „die vier Fs“. Etwa den „Fö(r)deralismus“ – siehe oben. Das zweite „F“ steht für „Feudalismus“. Es gebe in Niederösterreich beispielsweise eine Abteilung für „Kreisverkehrkunst“ – eine Abteilung, die sich eine Landeshauptfrau einfach so leiste. Mit diesen „Feudalherren“ müsse man einmal anders reden, sagt Schellhorn.
Und holt dann gegen die anderen Parteien aus, bevor er mit den „Fs“ fertig ist: Wer Karl Nehammer (ÖVP) und Herbert Kickl (FPÖ) wählt, müsse sich „wieder vier Jahre lang verarschen lassen“. Der SPÖ von Andreas Babler warf er angesichts der Geschehnisse in Linz Korruption vor, und einen Werner Kogler (Grünen) wolle man auch nicht mehr an der Front haben.
Gleichzeitig appelliert er an die Wähler, „nicht mit dem Finger auf die anderen zu zeigen“, sondern Neos – die „echte Reformkraft“ – zu wählen.
Appell in roter Speedo-Badehose
Das Publikum ist mittlerweile ausreichend eingepeitscht, jetzt betritt Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger das Podest.
Der Wahlkampf gehe ja schon ein bisschen länger, sagt die Parteichefin, die seit einigen Wochen durch Österreich tourt. Sie war am Traunsee, am Bodensee, sie hat Eis verteilt, war beim „Gackern“, einem Hühner-Fest in Kärnten, nächste Woche fährt sie nach Tirol, nach Salzburg will sie noch. Auf ihrer Tour habe sie unter anderem einen „braungebrannten Mann in knackiger, roter Speedo-Badehose“ getroffen, der sie aufgefordert habe, „endlich zu sagen, dass gespart werden muss“.
Das tut Meinl-Reisinger – auch jetzt wieder. Und hat Zahlen fürs Publikum.
70 Prozent der Menschen in Österreich würden laut einer Umfrage sagen, es brauche „harte und mutige Reformen, für die den vergangenen Regierungen der Mut gefehlt hat“. Der Schuldenberg sei enorm, die Idee von Kanzler Nehammer, dass man da herauswachsen könne, sei „absurd“, wenn man mit den Betrieben, der Industrie und den mittelständischen Unternehmen rede. Es brauche wieder Freiräume für die Unternehmer, fordert Meinl-Reisinger.
„Das Beste aus beiden Welten“, das die türkis-grüne Regierung versprochen hatte, sei in Wahrheit das „Teuerste aus beiden Welten“ gewesen, eine „Konfettiparade“. Die Regierung habe Geld hergeben, damit die Menschen ruhig seien. „Die Menschen aber sehen, dass sich das nicht mehr ausgeht.“
„Kindern die Flügel heben“
Die Reden bei der Wahlkampfparty, die eigentlich ja keine langweilige Präsentation sein wollte, sind mittlerweile schon recht lang. Es ist heiß, wie den Partygästen schon deutlich anzusehen ist. Meinl-Reisinger aber kommt immer mehr in Fahrt.
Noch eine Zahl also: 81 Prozent der Jungen würden der Politik nicht mehr vertrauen, sagt Meinl-Reisinger und blickt auf einen Schriftzug, der auf der Mauer des Donaukanals hinter ihr zu lesen ist: „Die Welt von morgen gehört uns. Gezeichnet, eure Kinder.“
Das berührt sie. „Wenn wir eine Verantwortung haben, dann dass wir allen Kindern die Chance geben, ein glückliches, selbstbestimmtes Leben zu führen.“ Meinl-Reisinger greift auf einen Spruch ihres Vorgängers Matthias Strolz zurück, als sie sagt, allen Kindern seien „die Flügel zu heben“.
Zum Schluss wird es noch einmal richtig laut in der Strandbar Hermann: „Wir machen das nicht, weil’s leicht ist, sondern weil’s schwer ist. Es ist ein Job, den vielleicht nur eine Frau machen kann“, ruft die Spitzenkandidatin ins Publikum. Nachsatz: „Wir werden das hinkriegen.“ Als sie vom Podest tritt, wird im Publikum gerufen: „Be-A-Te. Be-A-Te.“
Und Schellhorn fragt: „Damma jetzt feiern, oder was?“