Pilze, die gegen Medikamente immun sind, verbreiten sich in Spitälern und töten die Hälfte der Infizierten. Für Schwerkranke ist das eine Gefahr, die mit der Erderwärmung größer werden könnte.
Er verbreitet sich zwar nur langsam, tötet aber die Hälfte der Infizierten. Der Hefepilz Candida parapsilosis gefährdet schwer kranke Menschen im Spital, denn es gibt einen Stamm, der resistent gegen Medikamente ist. Dieser Stamm wurde bisher in Krankenhäusern auf vier Kontinenten nachgewiesen, darunter Europa, und hat mittlerweile unser Nachbarland Deutschland erreicht.
Candida parapsilosis kann die menschliche Haut und den Verdauungstrakt besiedeln. Bei gesunden Personen verläuft diese Pilzinfektion in der Regel harmlos. Die meisten genetischen Stämme der Hefe sind nämlich mit Antipilzmitteln, im Fachbegriff Antimykotika, in den Griff zu kriegen. Doch der neu erforschte Stamm des Krankenhauskeims lässt sich nicht bändigen. Er ist immun gegen jedes Antimykotikum, das es derzeit gibt. Für Menschen mit schweren Grunderkrankungen ist der multiresistente Keim, also ein Keim, gegen den die meisten Therapien nicht wirken, lebensbedrohlich.
„In einem Berliner Spital verursachte Candida parapsilosis insgesamt 33 invasive Infektionen im Untersuchungszeitraum zwischen 2018 und 2022. Das ist zahlenmäßig zwar nicht viel, da sich der Pilz nur langsam verbreitet, doch es ist äußerst gefährlich, denn in 50 Prozent der Fälle verliefen die Infektionen tödlich“, sagt Amelia Barber von der Friedrich-Schiller-Universität im deutschen Jena zur WZ. Diese Fallsterblichkeitsrate macht den multiresistenten Stamm von Candida parapsilosis so gefährlich wie die Erreger der Blutungen auslösenden Fiebererkrankung Ebola und weitaus bedrohlicher als Sars-CoV2, dem zu Beginn der Pandemie im Jahr 2021, als es weder Medikamente noch Impfung gab, in Österreich 8,7 Prozent der Patient:innen zum Opfer fielen.
Wehrhafte Keime
Zusammen mit Grit Walther vom deutschen Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen untersuchte Amelia Barber den Ausbruch von Candida parapsilosis in einem Berliner Krankenhaus. „Die Bedrohung ist durchaus mit der von Antibiotika-resistenten Bakterien zu vergleichen“, sagt Barber. „Bakterien können sich zwar schneller verbreiten und kommen häufiger vor. Immune Pilze lassen sich allerdings schwerer bekämpfen, da sie in ihrem Resistenzverhalten stabiler sind als Bakterien. Wenn ein Pilz einmal immun gegen ein bestimmtes Antimykotikum ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich auch gegen andere Antipilzmedikamente zur Wehr setzen kann“, führt die Mikrobiologin aus und warnt: „Für die öffentliche Gesundheit sind multiresistente Pilze ein ernsthaftes Problem.“
Das Forschungsteam geht davon aus, dass der Stamm durch Patient:innenverlegung aus anderen Spitälern auch das Krankenhaus in Berlin erreichte. Sollte sich diese Annahme bestätigen, könnte er allein in Deutschland bereits weit verbreitet sein. Pilzkolonien können unter anderem an Oberflächen von Kathetern oder Prothesen haften.
Candida parapsilosis kann bei Personen, deren Immunsystem stark geschwächt ist, eine Blutvergiftung (Sepsis) auslösen, die sich in allen Organen bis hin zu Herz und Nervensystem ausbreitet und in der Hälfte der Fälle tödlich verläuft.
Geschwächtes Immunsystem
Das Immunsystem ist zum Beispiel dann stark geschwächt, wenn jemand im Zug einer Krebstherapie eine Chemotherapie über sich ergehen lassen muss, die das Immunsystem herunterfährt, um die Tumorzellen im Körper abzutöten. Auch nach einer Organtransplantation sind Pilzinfektionen gefährlich. Damit das Immunsystem das neue, fremde Organ nicht abstößt, müssen Medikamente aus der Klasse der Immunsuppressiva genommen werden, die die Aktivität der körpereigenen Abwehr in Schach halten. Auch Personen, die sich wegen schwerer Erkrankungen langen Krankenhausaufenthalten unterziehen müssen und dabei Wund- und Gewebeinfektionen erleiden, sind gefährdet. Und da jeder Mensch in jedem Alter eine schwere Erkrankung bekommen kann, können schlimmstenfalls alle von uns betroffen sein.
Je wärmer und feuchter es wird, desto besser gedeihen Pilzorganismen.
Amelia Barber
Candida parapsilosis ist verwandt mit dem etwas bekannteren Krankenhauskeim Candida auris. Beide sind gegen mehrere Medikamente immun, beide stellen eine Gefahr für Schwerkranke dar und beide verbreiteten sich in Spitälern von Mensch zu Mensch. Candida auris wurde 2009 entdeckt. Expert:innen zufolge verbreitet auch er sich in Deutschland. Laut einem Bericht des Senders ARD, der sich auf das Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen bezieht, wurde er 2023 in unserem Nachbarland 77-mal nachgewiesen – wie es heißt, sechsmal häufiger als in den Jahren davor. Die US-Behörde für Seuchenkontrolle stuft Candida auris als „serious global health threat“ ein, also als ernsthafte Gefahr für die globale Gesundheit.
Entwarnung für Österreich
Wie wird in Österreich mit dem Problem umgegangen? Noch geht man davon aus, es unter Kontrolle zu haben. Für Elisabeth Presterl, Leiterin der Universitätsklinik für Krankenhaushygiene der Medizinischen Universität Wien, „besteht aufgrund der guten Standardhygiene und grundsätzlichen Vorkehrungen in heimischen Krankenhäusern, die in anderen Ländern nicht selbstverständlich sind, derzeit keine Gefahr”. Infektionen mit resistenten Arten, wie Candida auris, dem genannten Stamm von Candida parapsilosis und anderen resistenten Pilzen hole man sich in heimischen Spitälern nicht. „Es kann aber vorkommen, dass sich jemand mit einer derartigen Infektion bei Reisen in Länder mit höherer Verbreitung infiziert. Es gibt sehr wenige Fälle von resistentem Candida auris in Österreich und diese sind ,importiert’.“
Das Wort „importiert“ bezieht sich auf Fälle, in denen Personen in Ländern, wo es Ausbrüche in Krankenanstalten oder Pflegeheimen gab, im Spital waren und nach ihrer Rückkehr in Österreich weiter behandelt werden. „Da kann der Pilz einfach mitreisen“, sagt Presterl. „In unseren Spitälern müssen solche Personen zunächst vorsorglich mit allen Schutzmaßnahmen in Einzelzimmern isoliert werden. Gleich nach der Aufnahme müssen sie getestet werden, damit sie nicht Quellen für Übertragungen sein können, und diese multiresistenten Erreger nicht in die Umgebung gelangen“, sagt die Medizinerin. Resistente Pilze seien „ernst zu nehmen“.
Einfach und effizient zu reinigende Oberflächen seien beim Spitalsmobiliar daher Pflicht. „Das Reinigungspersonal muss gut geschult sein, Kontrolle ist wichtig. Wenn es anfänglich zu Hygienefehlern kommt, bleiben resistente Pilze lang in der Umgebung“, betont sie und warnt vor übermäßigen Sparmaßnahmen. „Das Risiko von Hygienefehlern steigt, wenn es zu wenig Personal gibt oder Schulungen nicht wahrgenommen werden. Dann kann es zu Übertragungen und Ausbrüchen kommen.”
Manche sind groß, manche klein
Weltweit sind rund vier Millionen Pilzarten bekannt. Mehr als 200 von ihnen wurden als Krankheitserreger für Menschen beschrieben, von denen nur wenige wiederum schwere Infektionen auslösen. „Pilzsporen sind in der Umgebung normal. Das gilt auch für die Candida-Arten. Normalerweise ist das Immunsystem gegen sie so weit gerüstet, dass wir sie gar nicht bemerken“, erklärt Presterl.
Pilzorganismen können sich an verschiedenste Umwelten anpassen und je nach Wachstumsbedingungen ein anderes Aussehen an den Tag legen. Manche sind groß, manche klein, manche haben haarige und manche glatte Oberflächen. Sie können zwischen sexueller und nichtsexueller Vermehrung wechseln. Harmlos, aber lästig sind Scheiden-, Nagel- und Hautpilze, gefährlich können neben den beschriebenen Candida-Arten auch Cryptococcus und Mucurales sein. Mucurales kann etwa über die Atemwege oder die Haut in den Körper dringen und bei Menschen mit Diabetes oder Leukämie Gewebe und Knochen zerstören.
Mehr Pilze durch den Klimawandel
Soweit die von faszinierend bis furchteinflößend reichende Bandbreite der Pilze. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt auf ihrer „Fungal Priority Pathogens List“ (2022) 19 Pilzerreger als besonders bedrohlich auf, zu denen sich bald wohl auch der resistente Stamm von Candida parapsilosis gesellen wird. Laut Berechnungen eines Teams um David W. Denning von der britischen Universität Manchester, die im Fachjournal „The Lancet“ erschienen sind, erkranken weltweit jährlich 1,565 Millionen Menschen an einer Candida-Blutbahninfektion, an der rund 995.000 Menschen versterben.
Übrigens könnte der Klimawandel die Entwicklung resistenter Pilze beschleunigen. „Eine abschreckende Perspektive ist, dass wir lang in Europa relativ geschützt waren, weil viele Pilzorganismen bei kälteren Temperaturen nicht überleben. Doch je wärmer und feuchter es wird, desto besser gedeihen sie“, erklärt Amelia Barber. In den letzten Jahren habe die Häufigkeit von Stämmen, die gegen Medikamente immun sind, „bereits so dramatisch zugenommen, dass diese Infektionen viel schwieriger zu behandeln sind“, bestätigt die Universität Jena in einer Aussendung zur Studie: „Bezeichnenderweise war der Stamm aus den Berliner Krankenhäusern eng mit Stämmen verwandt, die in Kanada, im Nahen Osten und in Ostasien gefunden wurden, was die weltweite Ausbreitung arzneimittelresistenter Pilze belegt.“
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Infos und Quellen
Genese
WZ-Redakteurin Eva Stanzl fand eine Studie über Pilzresistenzen der Universität Jena und fragte sich, wie gefährlich diese sind und ob das auch in Österreich ein Problem ist.
Gesprächspartnerinnen
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Amelia Barber, geboren im US-Bundesstaat Colorado, ist Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe Fungal Informatics der Friedrich-Schiller-Universität in der deutschen Stadt Jena. Ihr Forschungsinteresse gilt der Frage, wie Umweltpilze ohne direkte evolutionäre Selektion menschliche Krankheiten verursachen und Resistenzen gegen Medikamente entwickeln. Amelia Barber promovierte an der University of Utah über die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Erreger bei der Infektion mit E. coli, bevor sie sich der Welt der Pilzorganismen zuwandte.
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Elisabeth Presterl, geboren 1963 in Klagenfurt, ist Leiterin des Klinischen Instituts für Krankenhaushygiene an der Medizinischen Universität Wien. Zu ihren Fachgebieten zählt das Thema Keime, die an Oberflächen von Kathetern und Prothesen haften, und auf diesem Weg Patient:innen in Spitälern infizieren.
Daten und Fakten
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt auf ihrer „Fungal Priority Pathogens List“ (2022) 19 Pilzerreger als besonders bedrohlich auf, zu denen auch die gegen Medikamente immunen (resistenten) Stämme zählen. Wie werden Pilze resistent? Ähnlich wie Bakterien gewöhnen sie sich an ihr Gegengift, und lernen, damit zurechtzukommen. Auf dem Baum des Lebens sind uns Menschen die Pilze näher, als es die Bakterien sind. Sie sind größer und genetisch stabiler als die Mikroben und schwimmen, anders als diese, nicht in Zytoplasma, sondern haben, wie wir Menschen, Zellen mit Zellkern und Chromosomen, in die ihr Genom verpackt ist. Der stabile Pilz bildet daher nur selten Resistenzen. Wenn er es allerdings tut, ist die genetische Veränderung nachhaltig. Plötzlich ist der immune Keim da, öffnet im Körper Tür und Tor zu anderen Infektionen und ist damit nichts, was man sich wünscht.