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Rumäniens holprige Präsidentenwahl, der zweite Versuch

von Max

Ein radikaler, prorussischer Kandidat, der völlig unerwartet auf dem ersten Platz landete; Vorwürfe von ausländischem Einfluss; eine umstrittene Annullierung kurz vor dem zweiten Durchgang; und schließlich der Ausschluss von besagtem Kandidaten, begleitet von Krawallen. 

Als Rumänien im Herbst seinen Präsidenten wählen wollte, endete das im Desaster. Der Überraschungserfolg des Rechtsextremen Călin Georgescu stieß Debatten über Bukarest hinaus an, befeuerte etwa Diskussionen über ein EU-weites Verbot der Plattform TikTok, auf der Georgescu massiv präsent war

In rund zwei Wochen, am 4. Mai, schreiten die rumänischen Bürger erneut zu den Wahlurnen. Die Karten sind neu gemischt, es treten auch andere Kandidaten an. Nicht nur im Land selbst blickt man der Entscheidung nervös entgegen, auch Brüssel sieht angesichts altbekannter, teils stark polarisierender Bewerber wohl ganz genau hin. 

Denn aus Rumänien sitzt der Präsident, nicht wie etwa aus Österreich der Regierungschef, im Europäischen Rat, hat also in einigen Bereichen Vetorecht. Dazu kommt, dass Rumänien an der NATO-Ostflanke liegt und ein für das Verteidigungsbündnis wichtiger – und bislang verlässlicher – Partner ist. An der rumänischen Schwarzmeerküste entsteht gerade der größte NATO-Stützpunkt Europas.

Aktuell scheint die Präsidentschaft für vier Männer möglich. Politische Umfragen sind in Rumänien zwar mit Vorsicht zu betrachten, weil hinter vielen politische Akteure stecken.

Simion: Brüssels neues altes Schreckgespenst 

Als relativ sicher gilt dennoch, dass der Rechtspopulist George Simion es in die Stichwahl am 18. Mai schaffen wird. Vor ihm haben Proeuropäer schon bei der Wahl im Herbst gewarnt, er landete auf dem vierten Platz. Der Nationalist ist Impfgegner und großer Trump- sowie Meloni-Fan, herausgewachsen aus Rumäniens politischer Hooligan-Szene. 

Ihm dürfte laut der Polit-Analystin Katja Plate, die das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bukarest leitet, der Ausschluss Georgescus sehr in die Hände spielen, Stichwort Protestwähler. Georgescu hat sich mittlerweile weitestgehend zurückgezogen, sich aber indirekt für Simion ausgesprochen.

Rumäniens holprige Präsidentenwahl, der zweite Versuch

Viele von Georgescus (re.) Wählern dürften diesmal für Simion stimmen. 

In Moldau und der Ukraine ist Simion, der vergangenes Wochenende im niederösterreichischen Vösendorf aufgetreten ist, Persona non grata. Denn er vertritt die Haltung, dass Moldau Teil Rumäniens sein sollte, auch auf die Ukraine hat er bereits Gebietsansprüche gestellt. Das könnte ihm im Wahlkampf schaden: „Wenn der Präsident in zwei von fünf Nachbarländer nicht einreisen darf, ist das ein Problem“, sagt Plate. 

Die europäische Zusammenarbeit würde unter ihm wohl deutlich komplizierter, eben ganz besonders, was die Ukraine-Hilfen angeht. Im EU-Parlament sitzen die Abgeordneten seiner Partei AUR aber nicht ganz Rechtsaußen, sondern in der konservativen, teils rechtspopulistischen EKR, wie etwa auch die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni

Plate hält Simion nicht für „den Systemsprenger, als der er sich gibt“, aber eine Blockadehaltung im Stile eines Viktor Orbán sei schon vorstellbar. Die NATO-Beteiligung würde er bestimmt weniger anrühren, glaubt Plate, sie sei aktuell einfach zu wichtig, die Bedrohung durch Russland zu groß. 

Dan: Der Bürgermeister

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Ein ganz anderes Wählerklientel bedient der unabhängige Kandidat Nicușor Dan, der amtierende Oberbürgermeister von Bukarest und einstige Gründer der liberalen Partei USR. 

„Er steht nach wie vor für das bürgerlich-liberale Spektrum. Zu ihm tendieren jene, die einen ganz klaren pro-EU und pro-NATO-Präsidenten wollen“, so Plate über ihn. 

Aufgrund seines jetzigen Jobs wisse man aber, dass der Mathematiker „eher ein Mikromanager, aber kein großer Kommunikator und Koordinator“ sei – Qualitäten, die als Präsident wichtig wären. Dazu kommt, dass Dan in Bukarest und anderen Städten zwar bekannt ist, am Land aber weniger.

Ponta: Die Skandalnudel

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Dann ist da noch der ehemalige Premierminister Victor Ponta, eine in der rumänischen Politik höchst umstrittene Figur. Nach einem tödlichen Brand in einem Nachtclub 2015 musste er aufgrund von Korruptionsvorwürfen zurücktreten. „Viele fragen sich, wer eigentlich seine Kampagne finanziert und wer hinter ihm steht“, sagt die Polit-Analystin.  

Ihm werden Verbindungen nach China, aber auch nach Serbien nachgesagt. Kürzlich sorgte er für einen Skandal, indem er salopp in einem Interview erzählte, wie er 2014 als Premier einen Damm öffnen und somit vier rumänische Dörfer an der Donau überfluten ließ – um Belgrad vor einer Katastrophe zu verschonen. Dafür habe er die serbische Staatsbürgerschaft erhalten. 

Ponta ist zudem ein noch größerer Bewunderer Trumps als Simion. Sein Wahlkampfslogan: „Romania first“. 

Antonescu: Der von früher

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„România, înainte“ steht auf den Plakaten von Crin Antonescu, dem Kandidaten der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten, Liberalkonservativen und der ungarischer Minderheitenpartei. Das kann zwei Dinge bedeuten: „Rumänien vorwärts“; oder aber „Rumänien, davor“. Das passt – denn Antonescu sehen viele als den Establishment-Kandidaten eines alten, überholten Rumäniens. 

Er war auch nicht die erste Wahl der Koalition, sondern eine Kompromissentscheidung. Dennoch werden auch ihm Chancen auf den Sieg zugestanden. Er vertritt – mal mehr, mal weniger überzeugend – eine proeuropäische Linie. Die vergangenen zehn Jahre war er politisch nicht aktiv. 

Die Konservative Elena Lasconi, die bei der annullierten Wahl auf dem zweiten Platz landete, liegt in den meisten Umfragen im einstelligen Bereich und abgeschlagen. Ihre Partei hat ihr bereits die Unterstützung entzogen und sich für Dan ausgesprochen. 

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„Rumänen wünschen sich normalen, funktionierenden Staat“

Wer auch immer es letztlich in die Stichwahl schafft: Plate erwartet, dass einige der Wähler vom letzten Mal die Wiederholung auslassen werden. Manche hätte das Polit-Chaos der letzten Monate verschreckt. Andere seien verärgert und würden rechtspopulistischen Narrativen verfallen, wonach dem Establishment unpassende Kandidaten wie Georgescu sowieso sabotiert würden. 

Die meisten Rumänen würden sich einen „normalen, funktionierenden, europäischen“ Staat mit einer „richtigen Demokratie“ wünschen. „Dafür müsste man aber ganz unten im Fundament ansetzen. Da bräuchte es einen Präsidenten, der das politische System dazu zwingt.“

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