Startseite Kultur Sager wie jener mit der ‚Inzuchtpartie‘ richten sich selbst

Sager wie jener mit der ‚Inzuchtpartie‘ richten sich selbst

von Max

Etwas subtiler, aber auch platt ging der Steirische Herbst vor: Der in Wien lebende Japaner Yoshinori Niwa gestaltete ein Plakat, das die FPÖ parodiert, und rubbelt es bis 29. September („letzte Waschung“) ab.
Und das Team, das im Mai 2025  im Burgtheater Elfriede Jelineks Stück „Burgtheater“ aufführt, veröffentlichte einen Aufruf: „Keine einzige Stimme der FPÖ!“ Unterzeichnet war der Text u. a. von Mavie Hörbiger, Birgit Minichmayr, Caroline Peters und von Regisseur Milo Rau, dem Intendanten der Festwochen, der dem SPÖ-Personenkomitee „Wir für Andi Babler“ angehört. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) hat sich nun von der FPÖ den Vorwurf eingehandelt, das Kulturbudget missbräuchlich zu verwenden. 

KURIER: Das Kulturbudget des Bundes wird von allen Steuerzahlern finanziert – und daher auch von den erwerbstätigen FPÖ-Wählern?

Andrea Mayer: Ja.

Warum machen dann vom Bund finanzierte Kulturinstitutionen Aktionen nur gegen die FPÖ? Ist es z. B. die Aufgabe des Burgtheaters, gegen eine Partei zu wettern, die sich angeblich innerhalb des Verfassungsbogens befindet und in drei Bundesländern mitregiert?

Kunst ist per se immer politisch. Und meine Aufgabe ist es nicht, Zensur zu üben. Ich schaue darauf, dass die Rahmenbedingungen passen und dass es kluge Personalbesetzungen gibt. Für die künstlerischen Inhalte eines Hauses ist der jeweilige Leiter oder die Leiterin verantwortlich. Und die Grenzen werden durch die Förderverträge und die Rechtsordnung gesetzt.

Das war’s?

Ja. Ich kann nicht öffentlich sagen: „Dieses oder jenes gefällt mir nicht!“ Denn dann würden wir Zustände wie in der Slowakei haben, wo Theaterdirektoren und Museumsleiter ausgetauscht werden, weil sie nicht passen. Es gibt eben bei uns einen künstlerischen Freiraum und die Freiheit der Kunst. Ich möchte nicht als Zensurbehörde einschreiten.

Die FPÖ beklagt nun, dass Sie das Budget nutzen würden, „um gegen die freiheitliche Partei mobil zu machen“. Immerhin wurden Sie von einer Konkurrenzpartei ins Amt berufen.

Selbstverständlich nutze ich das Kulturbudget nicht für politische Zwecke. Es ist das Wesen der Satire, Grenzen auszuloten und zuweilen auch zu schockieren. Mir muss nicht alles gefallen, aber wir lassen es zu.

Sie könnten aber schon eine Freude damit haben, wenn gegen die FPÖ agitiert wird.

Wissen Sie, woran ich Freude habe? Dass wir in Österreich ein derart blühendes Kunst- und Kulturleben haben. Es ist trotz der Pandemie gelungen, das kulturelle Angebot zu erhalten und auszubauen. Und viele kulturpolitische Baustellen, über die jahrelang diskutiert wurde, haben wir geschlossen. Das ist mir eine Freude.

Was Milo Rau und Kay Voges machen: Führt das nicht zu einer Verhärtung der Fronten? Dann folgen eben Beschimpfungen wie „Inzuchtpartie“ …

Ich verstehe nicht, dass man sich über diesen Sager wundern kann. Seit über 30 Jahren verfolge ich, wie die FPÖ wettert – angefangen mit dem Plakat „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk … oder Kunst und Kultur?“ aus 1995. Sie will eben nicht Kreativität, Innovation und kritische Kunst. Solche Sager wie jener mit der „Inzuchtpartie“ richten sich selbst.

Aber schaukelt sich da nicht gegenseitig etwas hoch?

Ich verstehe Ihren Ansatz. Auch mir bereitet das Sorge: dass die Gesellschaft gespalten ist. Da müssen wir uns alle an der Nase nehmen. Man sollte nicht immer gleich urteilen, sondern mit Abstand beurteilen. Und man muss im Anderen immer den Menschen sehen. Das war jedenfalls mein Vorsatz in den letzten viereinhalb Jahren.

Sie haben mit der FPÖ daher das Gespräch gesucht?

Ich hatte ein professionelles Verhältnis. Es gab pro Jahr mehrere Treffen mit den Kultursprechern, der Vertreter der FPÖ war dabei.

Mussten Sie auf Konfrontationskurs gehen? Oder gab es auch eine Schnittmenge?

Es gibt eine Schnittmenge. Die FPÖ interessiert sich für den Denkmalschutz und die Volkskultur. Also: Es gab sehr wohl eine Gesprächsbasis. Und im Kulturausschuss unter dem Vorsitz von Eva Blimlinger wurde anregend diskutiert. Ich habe das sehr geschätzt.

Eines Ihrer zentralen Themen war MeToo. Ich dachte, die Fälle wurden großflächig aufgearbeitet. Aber es gibt immer wieder neue …

Ja, es ist noch vieles aufzuarbeiten, aber zumindest wird jetzt offen darüber gesprochen, um Personen, die ein ungebührliches Verhalten an den Tag legen, Grenzen setzen zu können.

Die jüngsten Vorwürfe gelten Herbert Föttinger, dem Direktor der Josefstadt. Man hat dort jahrelang die Augen zugemacht?

Es gibt nun eine Untersuchung, es wird mit den Betroffenen und der Ensemblevertretung gesprochen.

Warum müssen erst die Medien berichten, damit die Politik reagiert?

Ich kann nur auf etwas reagieren, worüber es belastbare Informationen gibt. Da sieht man wieder, wie wichtig der Kulturjournalismus ist. Die Medien sind eine Säule unserer Demokratie.

Ein anderes Problem ist der Nepotismus. 

Ja, Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann setzt in mehreren Produktionen, die er aus Köln mitgebracht hat, seine Frau ein. Aber das ist vertraglich genau geregelt. Und natürlich kann es kein Berufsverbot von Partnerinnen des Theaterdirektors geben.

Wieso toleriert die Kulturpolitik, dass die Ehefrau des Direktors die ihm untergeordnete Mitarbeiterin ist – wie im Falle der Josefstadt und des Volkstheaters? Was ist das für ein Zeichen nach außen? Sie als Frau müssten doch sagen: Das geht nicht!

Wir haben Marie Rötzer als Nachfolgerin von Föttinger bestellt.

Sie fängt erst 2026 an.

Es wird Zeit, dass wir mehr Frauen in führenden Positionen haben.

Daher haben Sie die Albertina und das KHM mit Männern besetzt. Sie haben den Vertrag des Salzburger Festspielintendanten nochmals verlängert. Und im Theatermuseum ist auf eine Frau ein Mann gefolgt.

Aber die Volksoper, das MAK und das Mumok werden schon jetzt oder in Zukunft von Frauen geleitet, abgesehen von Vertragsverlängerungen von Frauen im Belvedere und in der Nationalbibliothek. Ich habe es mir bei den Personalentscheidungen nicht leicht gemacht, ich wollte immer die beste Person für ein Haus – unabhängig vom Geschlecht. Da kann man mir keinen Vorwurf machen.

Ein anderes wichtiges Thema war Ihnen Fair Pay. Aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Wir haben dafür 25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Und wir haben es geschafft, dass Fair Pay gemeinsam mit den Bundesländern umgesetzt wird. Denn nur dann kann diese Maßnahme erfolgreich sein. Jahrelang wurde nur darüber geredet – wir haben es auf den Boden gebracht!

Es gibt nun tatsächlich keine Selbstausbeutung der Künstlerinnen mehr?

Das ist jetzt ein großes Wort, aber wir haben jedenfalls unseren Beitrag geleistet, damit es fairere Gehälter oder bessere Honorare gibt.

Haben Sie auch etwas gegen die Altersarmut der Künstlerinnen getan?

Ja, viele leben in prekären Verhältnissen. Das lässt sich nicht in einer Legislaturperiode reparieren. Es gibt da noch viel zu tun. Das ist ein Thema, das bleiben wird.

Auch wenn die FPÖ künftig das Sagen hat?

Warten wir die Wahl ab. Vielleicht geht sie besser aus, als wir befürchten.

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