Wie ticken die Bundesländer? Diesmal: Salzburg zwischen Massentourismus und sozialer Ungleichheit.
Indische Urlauber:innen kennen die Salzburger Berge aus Bollywood-Filmen. Chinesische Tourist:innen wollen einmal in ihrem Leben das echte Hallstatt im Salzkammergut sehen und nicht nur die Kopie in ihrer Heimat. Amerikanische Backpacker:innen machen sich nach Salzburg auf, um der singenden Familie Trapp aus dem Broadwaymusical „The Sound of Music“ nachzuspüren. Salzburg, das Land der Tourismusfolklore? Einerseits.
Auf der anderen Seite ist Salzburg mit Red Bull die Heimat einer der modernsten Wirtschaftsmarken der Welt. Die Festspiele bringen jeden Sommer internationale Hochkultur in die Stadt an der Salzach. Zu guter Letzt haben die Salzburger:innen im Frühling 2024 sogar einen Kommunisten beinahe zum Bürgermeister gewählt. Und das in der Geburtsstadt von Wolfgang Amadeus Mozart. Ganz schön viel los in einem Bundesland, das flächen- und einwohner:innenmäßig gerade einmal österreichischer Durchschnitt ist.
Tourismus, Hochkultur und Red Bull
„Salzburg ist sehr bäuerlich und bürgerlich geprägt. Es gibt kaum Industrie. Dafür wird das Bundesland stark vom Tourismus bestimmt“, sagt Armin Mühlböck, Politikwissenschaftler an der Universität Salzburg, zur WZ. Nach Tirol ist Salzburg das Bundesland mit den meisten Gästenächtigungen. Die Verbindung aus Hochkultur, schöner Landschaft und modernen Business-Brands hat Salzburg zum reichsten Bundesland in Österreich gemacht. „Die Faktoren Red Bull, Tourismus und Kultur ziehen weltweit“, stellt Mühlböck fest. Jedoch sind nicht alle glücklich mit den vielen Tourist:innen. Vor allem in Hallstatt und der Stadt Salzburg sind die Einwohner:innen den Massentourismus leid. Die Politik sucht bisher vergebens nach einer neuen Tourismusstrategie nach dem Motto „mehr Klasse, weniger Masse“.
Früher hatte der Salzhandel die Gegend geprägt, der im 16. Jahrhundert seinen wirtschaftlichen Höhepunkt erreichte. Im Vergleich zu den meisten Bundesländern hat Salzburg früh eine eigene Identität entwickelt und wurde bereits im Jahr 798 zur Erzdiözese erhoben. Endgültig in das Kaisertum Österreich eingegliedert wurde es jedoch erst 1816. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hält sich der Lokalpatriotismus im Salzburger Land aber in Grenzen. „Es gibt hier nicht so ein ausgeprägtes Selbstverständnis wie in Tirol oder der Steiermark, wo man von sich gern als Steirer oder Tiroler spricht“, meint Politikforscher Mühlböck. Und das, obwohl Salzburg gemeinsam mit Tirol und Vorarlberg häufig als Westachse Österreichs bezeichnet wird.
Dunkelrotes Novum im schwarzen Bundesland
Politisch zeigt das Bundesland allerdings ein klares Selbstverständnis. „In der Politik ist Salzburg ähnlich wie Tirol und Vorarlberg sehr stark von der ÖVP dominiert. Da gibt es kaum Schwankungen“, erklärt Mühlböck, der sich in seiner Forschung auf Gemeindedemokratie spezialisiert hat. Wirtschaftsbund, Bauernbund und der ÖVP-Bund der Arbeitnehmer:innen seien in Salzburg traditionell stark. Nur einmal in der Zweiten Republik gab es eine Ausnahme an der Spitze des Bundeslandes, als von 2004 bis 2013 mit Landeshauptfrau Gabriele Burgstaller die SPÖ regierte. Seit der Gemeinderatswahl im März 2024 stellt die ÖVP 75 Prozent aller Bürgermeister:innen. „Und das, obwohl die Volkspartei bei der Wahl stark verloren hat“, ergänzt Mühlböck. Bei der Nationalratswahl 2019 hat die ÖVP mit 46 Prozent bundesweit das beste Ergebnis in Österreich erreicht. Die SPÖ, so der Politikwissenschaftler, bleibe in Salzburg meistens hinter dem Bundesschnitt zurück. Einmal, nämlich bei der Nationalratswahl im Jahr 1999, hat sogar die FPÖ den ersten Platz im Bundesland erreicht. Mühlböck dazu: „ÖVP und FPÖ sind in Salzburg kommunizierende Gefäße. Wenn die einen verlieren, gewinnen die anderen.“
Die große Ausnahme in der politischen Landschaft stellt jedoch die Stadt Salzburg. In Mozarts Heimatstadt regieren zumeist SPÖ-Bürgermeister. Bei der letzten Wahl im Frühling 2024 stand allerdings der KPÖ-Politiker Kay-Michael Dankl kurz davor, als erster Kommunist zum Stadtoberhaupt gewählt zu werden. Am Ende wurde es zwar nur das Amt des Vizebürgermeisters, dennoch ein absolutes Novum in der Festspielstadt. Eine politische Neuheit gab es in Salzburg bereits in den frühen 1980ern, als die grünaffine Bürgerliste mit den Themen Erhaltung der Altstadt und Grünflächen sechs Mandate bei den Gemeinderatswahlen erreichte. Johannes Voggenhuber wurde daraufhin der erste grüne Stadtrat in Europa und die grüne Bürgerliste ist bis heute ein wichtiger Faktor in der Stadtpolitik.
Armutsgefährdete Kinder und alternde Bevölkerung
Ein zentraler Faktor für den jüngsten Wahlerfolg der KPÖ war das Thema soziale Ungleichheit. 13 Prozent der Bürger:innen im Bundesland gelten als armutsgefährdet. Das sind 72.000 Menschen, davon 22.000 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren. Die Mieten in der Stadt Salzburg sind von 2018 auf 2022 um insgesamt 18 Prozent gestiegen. Leistbares Wohnen wird in der Tourismusmetropole immer schwieriger. Gerade in sozial ärmeren Stadtteilen konnte die KPÖ am meisten zulegen. „Unter der Festspielpanier sind längst die Dinge ins Rutschen geraten“, kommentierte die Salzburger Autorin Birgit Birnbacher die jüngsten Entwicklungen. Ins Wanken gekommen sind in Salzburg zuletzt auch die Neos – sowohl im Land als auch in der Stadt. Holten die Liberalen bei der Landtagswahl im Jahr 2018 noch drei Mandate und stellten sogar eine Landesrätin, verpassten sie 2023 den Einzug in das Landesparlament. Ähnlich erging es ihnen in der Stadt Salzburg, wo sie innerhalb weniger Jahre von fünf auf ein Mandat abfielen.
Ein Bild, das gern von der Stadt Salzburg gezeichnet wird, trifft im Übrigen tatsächlich zu. Und zwar auf das ganze Bundesland. Nämlich das Klischee von der alternden Stadt. „Was die Bevölkerungsentwicklung betrifft, stagniert das ganze Bundesland“, sagt Politologe Mühlböck. „Der Altersschnitt im Land der Festspiele wird daher weiter nach oben gehen“, so der Salzburger Forscher.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
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Nationalratswahl 2019: ÖVP 46,4%, SPÖ 16,4%, FPÖ 13,7%, Grüne 12,6%, NEOS 8,4%, Jetzt 1,4%, KPÖ 0,6%, Wandl 0,5%
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Landespolitik: Seit den Landtagswahlen 2023 gibt es in Salzburg eine ÖVP-FPÖ-Landesregierung. Landeshauptmann ist Wilfried Haslauer (ÖVP).
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Einwohner:innen und Größe: Das Land Salzburg hat 571.989 Einwohner:innen (6,2 Prozent der Bevölkerung in Österreich) und ist 7.154,48 km2 groß (8,5 Prozent der Fläche in Österreich). Nur das Burgenland, Vorarlberg und Kärnten haben weniger Einwohner:innen. Flächenmäßig ist es das sechstkleinste Bundesland. Nur Wien, das Burgenland und Vorarlberg sind kleiner.
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Arbeitslosenzahlen: Salzburg hat eine Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent. Das ist die zweitniedrigste in Österreich. Nur Tirol hat mit 3,2 Prozent eine geringere Quote.
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Tourismus: 30,133.487 Gästenächtigungen hatte das Land Salzburg im Jahr 2023 zu verbuchen. Nur Tirol hatte im gleichen Zeitraum mehr mit 48,407.048.
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Bruttoinlandsprodukt: Mit 62.600 Euro hatte das Land Salzburg im Jahr 2023 das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Österreich. Der Bundesschnitt lag bei 52.200 Euro. Auf dem letzten Platz landete das Burgenland mit 37.500 Euro.
Gesprächspartner
Armin Mühlböck ist Forscher am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Salzburg und ist spezialisiert auf Gemeindedemokratie und Wahlforschung.