„Norwegische Jakobsmuschel“, sagt der Kellner und stellt einen wuchtigen Teller auf die schwarze Tischplatte. Wie eine vielschichtige Rosenblüte öffnet sich das Gericht auf der dunklen Keramik. Der Auftritt der Muschel ist raffiniert inszeniert. Er ist der Höhepunkt des Abends. Meeresfrüchte sind ein Klassiker im Konstantin Filippou, dem Sternerestaurant des gleichnamigen Starkochs in der Wiener Innenstadt.
Filippous Küche ist berühmt und teuer. 360 Euro verlangt er für neun Gänge. Filippou gilt als einer, der nur das Beste vom Besten in den Kochtopf steckt. Und als einer, der das auch selbstbewusst zur Schau trägt. In Interviews schwärmt er von der Qualität seiner Zutaten. Die norwegische Jakobsmuschel reichte Filippou zuletzt mit Mandeln, Artischocken und Trüffeln. Sie gilt als die beste Muschel der Welt, wird von Taucher:innen händisch geerntet, ist selten und exquisit. Die Spitze des guten Geschmacks.
Das Problem: Es war keine norwegische Jakobsmuschel, die bei Filippou auf dem Teller lag. Das sagen ehemalige Mitarbeitende. Anders als die Karte versprach, soll es günstigere Ware aus Japan gewesen sein. Nachdem wir Filippou im Februar mit den Vorwürfen konfrontierten, strich er die Muschel und andere Zutaten von seiner Menü-Karte. Denn die Muschel soll nicht die einzige Waren-Schummelei des Konstantin Filippou gewesen sein.
Die WZ hat mit acht seiner ehemaligen Mitarbeitenden unabhängig voneinander gesprochen. Sie standen teilweise jahrelang und bis vor wenigen Monaten in seiner Küche – und auf unterschiedlichen Ebenen in der Hierarchie des Restaurants. Ihre Aussagen decken sich. Fotos, Videos, Rechnungen, Dokumente, interne Chats belegen ihre Geschichten. Sie erzählen von schlechten Arbeitsbedingungen, Beschimpfungen und Täuschung. Sie lassen hinter die Fassade eines international gelobten Nobelrestaurants blicken. Und in einen Keller unter Filippous Restaurant.
Norwegische Muscheln aus Japan
Während die Gäste Champagner schlürfend in die polierte Schauküche blicken, packen Filippous Mitarbeitende eine Etage tiefer Muscheln aus. Der WZ liegen Fotos vor. „Gefrorene, geschälte Jakobsmuscheln“ steht auf einem weißen Plastik-Kübel. Daneben „FAO-61“. Das Kürzel zeigt an, wo die Ware herkommt. „FAO-61“ steht für Fischfanggebiet Nordwestpazifik. Die Muschel, die Filippou auf der Karte als „Norwegische Jakobsmuschel“ verkauft hat, stammt aus Japan, China oder Russland.
Auf mehreren Rechnungen, die der WZ vorliegen, taucht der Posten ebenfalls auf. „Jakobsmuschelfleisch (FAO 61)“ steht auf einer Rechnung des Gastro-Großhändlers „Transgourmet“. Jakobsmuscheln aus Norwegen suchen wir vergebens. Filippou will uns keine Rechnungen vorlegen. Er räumt aber ein, manchmal andere, „qualitativ genauso hochwertige“ Produkte zu verwenden, sollte die gewünschte Ware nicht lieferbar sein. In solchen Fällen würde das Personal die Gäste informieren. Dem widersprechen mehrere ehemalige Mitarbeitende. „Uns wurde gesagt, wir müssen norwegische Jakobsmuscheln sagen, aber es war immer minderwertigere Ware aus dem Osten“, sagt eine Ex-Köchin.
Das ist keine harmlose Flunkerei. Der Unterschied zwischen den beiden Zutaten ist gravierend. Anders als Jakobsmuscheln aus Norwegen werden Filippous Muscheln mit Dredschen, also großen Schleppnetzen, die von Schiffen über den Meeresboden gezogen werden, abgeerntet und tiefgefroren verschifft. Das ist nicht nur schlecht für die Umwelt. Die Muscheln sind auch wesentlich günstiger als ihre norwegischen Artgenossen. Eine frische Jakobsmuschel aus Norwegen kostet etwa zwölf Euro. Das Fleisch einer tiefgefrorene Muschel aus Japan zwischen zwei und drei Euro.
Der Weg nach oben
Hat sich Filippou mit falschen Zutaten in den Olymp gekocht? Er hat es schnell weit gebracht. Als junger Koch lernte er bei den Großen, war bei Gordon Ramsay in London, bei den Oberauers in Werfen, bei Heinz Reitbauer im Wiener Steirereck. 2013 eröffnete er sein eigenes Restaurant. Und wurde auf Anhieb berühmt. Filippou tingelt durch Fernsehstudios. Er war Juror in einer ORF-Comedy-Kochshow, duellierte sich mit Tim Mälzer in „Kitchen Impossible”, lacht in „Seitenblicke“-Kameras. Mit wild zerzausten Haaren, dunklem Vollbart und stets in Schwarz gekleidet, philosophiert er über seine Küche zwischen Griechenland und Wien. Sogar Mick Jagger speist bei Filippou, wenn er in Wien ist. 2016 wurde er „Koch des Jahres“. Heute hat er fünf Hauben und zwei Sterne. Nur einer fehlt ihm noch zum absoluten Glück.
Wer drei Sterne will, braucht die besten Zutaten, die es gibt. Hochwertige Ware ist das Um und Auf in der Sterneküche. Filippou weiß das. Unter Belon-Austern und einer jahrelang gereiften Soja-Sauce machte es Filippou nicht. Zumindest auf dem Papier. Was er tatsächlich servierte, ist eine andere Geschichte.
Wir wollten es genau wissen und waren im Konstantin Filippou essen. Da Nobelrestaurants die Namen ihrer Gäste überprüfen, bevor sie sie bewirten, haben wir verdeckte Testesser:innen mit einem Fragenkatalog ins Konstantin Filippou geschickt.
Die falschen Austern
Im Speisesaal säuseln mediterrane Melodien. Ein moderner schwarzer Luster hängt über dem Tisch. Als erster Gang – oder Prolog, wie es bei Filippou heißt – steht Belon-Auster auf der Karte. Sie ist für Gourmets, was für Bergsteiger der Mount Everest ist: der Gipfel. Belon-Austern sind sehr selten. Nur wenn sie im Fluss Bélon in der französischen Bretagne veredelt werden, dürfen sie den Namen tragen. Die perfekte Mischung aus Süß- und Salzwasser verleiht ihnen ein einzigartig nussiges Aroma. Im Konstantin Filippou kommen sie mit Bierrettich, Äpfeln und Schalotten-Vinaigrette auf einem gläsernen Teller, durchsetzt von einer organischen Struktur aus Luftblasen. Er erinnert selbst an eine Meeresfrucht. Der Kellner bestätigt auf Nachfrage, was auch in der Karte steht: „Das sind Belon-Austern.“
„Sie sagen, es sind Belon-Austern, aber sie kaufen niemals Belon, sie kaufen Gillardeau-Austern“, sagt ein ehemaliger Koch. Tatsächlich stehen Gillardeau-Austern aus Aquakulturen auf mehreren Rechnungen, datiert mit den Tagen vor dem Besuch unserer Testesser:innen. Belon suchen wir vergebens. Wieder will uns Filippou keine Rechnungen zeigen. Anders als Belon-Austern sind Gillardeau-Austern nicht so selten. „Gillardeau ist einfacher zu bekommen“, sagt ein Fischhändler. Preislich schenken sich die Tiere nicht viel. Doch Filippou schreibt lieber die exklusive Ware auf die Karte.
Frische Krebse aus dem Tiefkühlfach
Exklusiv sollen auch Filippous Langostinos sein, oder „Kaisergranaten“, wie die hummerähnlichen Krebse auf Deutsch heißen. Blassorange heben sie sich dezent vom schwarzen Teller ab, als würden sie leicht über dem Porzellan schweben. Bei Filippou sind sie ein „Signature Dish“. So werden Gerichte bezeichnet, für die Lokale besonders bekannt sind. Sie stehen fast immer auf ihrer Karte. In einem Interview mit dem Standard erzählte Filippou im November 2023, wo er die Tiere kauft. Zweimal in der Woche würden sie frisch und lebendig aus Kroatien in sein Lokal kommen.
Frisch und lebendig waren sie nicht, sagen mehrere ehemalige Köch:innen. „Die Qualität der Langostinos war für den Arsch“, sagt einer. „Sie hatten alle Gefrierbrand.“ Andere Mitarbeitende bestätigen den Verdacht. „Die Langostinos waren nicht aus Kroatien, wie Filippou immer erzählte. Sie waren herkömmliche Massenware, tiefgekühlter Durchschnitt“, sagt eine Köchin.
Auf Rechnungen finden wir Langostinos aus Dänemark und den Niederlandengerösteten, mit dem Kürzel TK, tiefgekühlt also. Auf Nachfrage bestätigt Filippou, derzeit schockgefrorene Langostinos zu verwenden. Vor einem Jahr hätte er tatsächlich frische Langostinos aus Kroatien gehabt.
Ein ehemaliger Koch listet uns weitere angebliche Fake-Zutaten auf. Vieles, was noch Mitte Februar auf der Karte stand, sei nicht auf dem Teller gewesen. Der wildgefangene Zander sei aus niederländischen Aquakulturen gekommen. Die fünf Jahre lang gereifte Soja-Sauce aus dem 20-Liter Kikkoman-Kanister. Zu all diesen Zutaten liegen der WZ entsprechende Rechnungen vor. Den Gegenbeweis, also die Rechnungen für die Zutaten, die laut Karte und Service-Personal verkocht wurden, will uns Filippou nicht vorlegen. Nach unserer Anfrage verschwinden die noblen Zutaten vom Menü auf seiner Website.
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Köche wie Filippou werden oft mit Spitzensportlern verglichen. Wie im Spitzensport wird scheinbar auch in der Sterneküche getrickst. Kenner:innen der Branche vermuten Druck hinter Filippous Täuschungsmanövern. Die Luft ist dünn in der Nobelgastronomie. Wenige, meist männliche Köche kämpfen um Sterne und Hauben – und wenn sie welche haben, kämpfen sie darum, sie nicht mehr zu verlieren. Dafür sind manche bereit, weit zu gehen. Sehr weit.
Ignorierte Missstände
In der Szene kursieren die wildesten Geschichten von miserablen Arbeitsbedingungen. Es ist paradox. In einer Branche, in denen es den Gästen am besten geht, geht es den Mitarbeitenden am schlechtesten. Und alle scheinen das zu akzeptieren. Denn die Missstände beruhen auf einer stillen Vereinbarung: Junge Köch:innen lassen sich anschreien und erniedrigen, sie ignorieren ihre Rechte und bekommen dafür einen der wenigen Plätze in einem etablierten Hauben-Betrieb – ihrem Einstieg in die Spitzengastronomie.
Auch Konstantin Filippou ist so ein Türöffner. Wer hier kocht, kann auf der ganzen Welt kochen. „Für mich gibt es nichts Wichtigeres als die Mitarbeiter“, sagte Filippou vor fünf Jahren in einem Interview mit dem Gastro-Magazin Rolling Pin. Er prahlte mit der Vier-Tage-Woche, einer gelebten Work-Life-Balance und glücklichen Angestellten.
Die Angestellten sehen das anders. Von einer Vier-Tage-Woche wissen sie nichts. Von einer Work-Life-Balance auch nicht. Ganz im Gegenteil. Sie erzählen von 18-Stunden-Tagen, Beschimpfungen, Angst, Burnouts, enormen Druck.
Vom Restaurant in die Depression
Einer von ihnen ist Leon. Seinen echten Namen will er der Öffentlichkeit nicht preisgeben. Der Redaktion ist er bekannt. Leon kam mit Anfang 20 zu Konstantin Filippou. „Es war mein großer Traum, in der Sterne-Gastro zu arbeiten. Ich war bereit, alles dafür zu tun“, sagt er. Leon biss die Zähne zusammen. Das enorme Arbeitspensum steckte er weg. An vielen Tagen hätte er von neun Uhr in der Früh bis nach Mitternacht gearbeitet. In der knappen Freizeit hätte er Einkäufe für Filippou erledigt. Frischhaltefolie, Milch, Kaviar – immer wieder musste er fehlende Produkte vom Supermarkt mitbringen. Selbst wenn er krank war, hätte er gearbeitet. „Ich wollte wichtig sein und es weit bringen, daher habe ich das alles gemacht. So viel zu arbeiten hat mich auch gar nicht so gestört, aber wie mit mir umgegangen wurde, hat mich fertiggemacht“, sagt Leon.
Trotz seines hohen Einsatzes wurde er nicht gelobt, sondern niedergemacht. „Mir wurde jeden Tag gesagt, wie wertlos ich bin, und irgendwann habe ich es leider geglaubt“, sagt Leon. Immer wieder hätte Filippou ihn und seine Kolleg:innen zusammengeschrien und ihnen die Schuld dafür gegeben, dass das Restaurant keinen dritten Stern bekommt. Alle hätten Angst vor ihm gehabt. Schon nach wenigen Monaten hielt es Leon nicht mehr aus und kündigte. Beim letzten Gespräch machte Filippou ihn noch einmal fertig: „Er hat mir eine halbe Stunde lang klar gemacht, dass ich niemals etwas in meinem Leben erreichen werde“, sagt er. Nach der Zeit bei Filippou schlitterte Leon in ein Burnout. „Ich hatte Depressionen und Angst“, sagt Leon. Sein Traum von der Sterne-Küche war vorbei.
Die Angst vor dem cholerischen Chef
Auch andere Ex-Mitarbeitende berichten vom rauen Arbeitsklima bei Filippou. „Wir wurden tagtäglich beschimpft. Ausdrücke wie ‚Arschloch‘ oder ‚Fick dich‘ sind Standard“, sagt einer von ihnen. Auf Anfrage der WZ bestätigt Filippou, die genannten Ausdrücke verwendet zu haben: „Diese Aussage ist mir zu meinem größten Bedauern in einem Stressmoment sicher passiert. Eine gewollte Beleidigung kann ich ausschließen.“
Wer in der obersten Liga kochen möchte, muss vieles in Kauf nehmen. Das wissen die Leute auch, die bei Filippou anfangen. „Wir sind alle darauf eingestellt viel zu arbeiten. Bei Filippou grenzt es aber an Ausbeutung“, berichtet ein Ex-Angestellter. Er hat schon in mehreren Spitzenrestaurants gearbeitet. Lange Schichten, Stress, Druck – das alles kennt er. In diesem Ausmaß hat er es aber noch nie erlebt. „Wir haben teilweise sechs Tage in der Woche gearbeitet. Manchmal sogar mehr als 18 Stunden am Stück. Dabei wurden wir für die Überstunden nicht fair entlohnt“, sagt ein Koch. Filippou selbst weist die Vorwürfe von so langen Arbeitszeiten zurück. Auf die Frage, ob Mitarbeitende für weniger Stunden bezahlt wurden, als sie tatsächlich arbeiteten, antwortet Filippou mit einem knappen „Nein“.
Der WZ liegt ein Schreiben der Arbeiterkammer Wien vor, in dem es heißt, dass ein Mitarbeiter „zahlreiche Überstunden geleistet hat, diese ihm trotz Aufforderung bis dato nicht ausbezahlt wurden“. Erst nachdem die Arbeiterkammer mit einem Prozess drohte, erhielt der Betroffene seine Vergütung.
Zu lange Arbeitszeiten scheinen kein Einzelfall zu sein: Der WZ liegen Zeitaufzeichnungen mehrerer Mitarbeitenden vor. Einer kam in nur einem Monat auf über 200 Überstunden. Viele davon leisteten sie nicht in der glänzenden Küche im Restaurant, sondern einen Stock tiefer.
Der geheime Keller
Eine Treppe führt hinunter in den Keller des Sternelokals. Hier hat nur Personal Zutritt. Kühlschränke surren. Im Regal lagern Säcke mit Erdäpfeln, Karotten, Zwiebel und Knoblauch. Lebensmittel stehen am Boden, abgedeckt mit Frischhaltefolie. Auf einer mehlbestäubten Arbeitsfläche steht eine Küchenmaschine. Der Raum ist behördlich als Lager genehmigt, wie uns das Wiener Magistrat für den ersten Bezirk bestätigt. Hier darf nicht gekocht werden. „Hier wird nicht gekocht“, sagt auch Filippou.
Videos aus dem Keller zeigen das Gegenteil. Sie liegen der WZ vor. In einem filmt ein Mitarbeiter ein Loch in der Decke des Keller-Gewölbes. Es führt auf den Gehsteig vor dem Lokal. Ein Bauarbeiter verteilt mit einer Schaufel Schotter. Unter dem Loch rührt ein Mitarbeiter Schokomousse an. Daneben bereitet ein anderer Mitarbeiter die Röstzwiebelbutter für den Brot-Gang vor. „Der Dreck von der Baustelle ist reingerieselt, während wir gekocht haben“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.
Auch in einem internen Chat ist die Zubereitung von Speisen im Keller Thema. Ein Mitarbeiter postet ein Foto des Baustellenlochs. Ein anderer kommentiert: „Wurde das hygienetechnisch geklärt.” Und: „Sie könnten ja jederzeit vorbeikommen.“ Offensichtlich meint er die Behörde. Die Antwort einer Mitarbeiterin: „Dann haben wir soundso ein Problem.“ Und weiter: „Nur falls sie vorbeikommen und du bist da, den unteren Raum gibt es nicht, auch diese Stiege wird nicht benutzt.“
Am oberen Ende der Stiege schwitzt ein Koch in der glänzenden Schauküche. Mit einer Pinzette sortiert er Fischeier. Kaviar serviert Filippou mit geröstetem Reis und Dotter auf Feigenblattöl. Die Gäste schießen Fotos. Sie verbreiten sich in den Sozialen Medien. Ein kleines, filigranes Häppchen, perfekt auf dem Teller drapiert – so kennen wir die Küche des Konstantin Filippou. Der Schein trügt.
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Infos und Quellen
Genese
„Traut ihr euch das auch mit großen Namen?“ Diese Nachricht erreichte uns, nachdem wir die Missstände in den Szenelokalen Wirr und Adlerhof öffentlich gemacht hatten. In der Spitzengastronomie sind raue Arbeitsbedingungen kein Geheimnis, doch aus Angst, keinen Job mehr in den besten Restaurants des Landes zu bekommen, schweigen viele Betroffene. Nach der Berichterstattung meldeten sich jedoch ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sternerestaurants Konstantin Filippou bei der WZ – und brachten damit die Recherche über das Nobelrestaurant ins Rollen.
Gesprächspartner:innen
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Konstantin Filippou, Geschäftsführer und Eigentümer der Filippou Gastronomie GmbH
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Manuela Filippou, Co-Founder des Restaurants „Konstantin Filippou”
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Ehemalige Mitarbeiter:innen des Restaurants „Konstantin Filippou”
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Köch:innen
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Magistratisches Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk
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Alexander Hengl, Mediensprecher Magistratsabteilung 59, Marktamt der Stadt Wien
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Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft
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Österreichische Fischhändler
Daten und Fakten
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Konstantin Filippou eröffnete 2013 das gleichnamige Lokal auf der Dominikanerbastei in Wien. Er erhielt auf Anhieb drei Hauben. Ein Jahr nach Eröffnung wurde er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. 2015 eröffnete er neben dem Restaurant das Bistro O boufés. 2016 wurde er vom Restaurantguide Gault Millau zum „Koch des Jahres” gekürt. 2018 bekommt er den zweiten Michelin-Stern für sein Restaurant, 2020 fünf Hauben. 2023 eröffnete er sein drittes Lokal, Mama Konstantina, in Wien-Döbling (drei Hauben).
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Die Hauben-Bewertung gibt es seit 1969. Sie wurde von den Journalisten Henri Gault und Christian Millau ins Leben gerufen. In Österreich erschien der Gault-Millau-Restaurantführer erstmals 1980. Er wertet Restaurants nach Punkten (0 bis 20). Ab 11 Punkten gibt es eine Haube, ab 19 Punkten fünf Hauben. Der Restaurantguide bewertet unter anderem die Frische und Qualität der Produkte, die Kreativität und die Beschaffenheit von Suppen und Saucen.
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Der Guide Michelin ist einer der renommiertesten Restaurant- und Hotelführer der Welt. Die begehrten Michelin-Sterne werden an außergewöhnliche Restaurants auf der ganzen Welt verliehen. 1889 gründeten die Brüder Michelin das gleichnamige Reifenunternehmen. Sie dachten aber schon weiter und brachten Straßenkarten heraus, wo neben Werkstätten und Tankstellen auch Restaurants gelistet waren. 1926 wurde der Stern eingeführt, der in den kommenden Jahrzehnten zum weltweiten Gütesiegel für gehobene Gastronomie geworden ist. Laut Guide Michelin bedeutet 1 Stern: Eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert. 2 Sterne: Eine Spitzenküche – einen Umweg wert. 3 Sterne: Eine einzigartige Küche – eine Reise wert.
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Im Jänner 2025 wurden seit 15 Jahren erstmals wieder Restaurants aus ganz Österreich ausgezeichnet. Insgesamt wurden 82 Sterne vergeben. Die höchste Bewertung, drei Sterne, erhielten nur zwei Lokale. Konstantin Filippous Restaurant wurde mit zwei Sternen heuer bestätigt.
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Die Arbeitsinspektion antwortet auf Anfrage der WZ, das Restaurant Konstantin Filippou zuletzt im Juni 2020 kontrolliert zu haben. „Es wurden damals Verletzungen von ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften festgestellt, der Arbeitgeber vom Arbeitsinspektorat gemäß § 9 Abs. 1 ArbIG entsprechend beraten und schriftlich zur Mängelbehebung aufgefordert. Die Mängel wurden vom Betrieb umgehend behoben. Um welche Mängel es sich dabei konkret gehandelt hat, können wir im Hinblick auf die Amtsverschwiegenheit nicht offenlegen”, heißt es aus dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.
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Die WZ hat dem Magistratischen Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk die Situation im Raum im Keller, der behördlich als Lager genehmigt ist, geschildert. „Die Aufstellung von Kühlgeräten in Lagerräumlichkeiten ist üblich und entspricht der bewilligten Nutzung. Inwiefern durch die beschriebenen Tätigkeiten und Maschinen eine genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage herbeigeführt wurde, kann nur durch eine individuelle Beurteilung durch einen Sachverständigen festgestellt werden”, heißt es in der Antwort.
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Die WZ führte nach der Anfrage mit Konstantin Filippou ein persönliches Gespräch. Wir haben uns mit ihm und seiner Frau über die Vorwürfe unterhalten.
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Die Beschäftigungsdauer in der Gastro liegt bei durchschnittlich 33 Monaten und ist damit wesentlich kürzer als in anderen Branchen. Laut einer Studie der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA), die im Auftrag der Arbeiterkammer Wien erstellt wurde, ist das Arbeitsklima im Hotel- und Gastgewerbe häufig schlecht. Beschäftigte berichten von einem unangemessenen Umgangston, Diskriminierung und sexueller Belästigung. Knapp die Hälfte der Beschäftigten in der Gastro ist im Ausland geboren. Zudem arbeiten im Hotel- und Gastgewerbe sehr viele Menschen, die erst seit kurzer Zeit in Österreich leben.