„Ich hatte zwischen 80 und 100 Überstunden im Monat, die 24-Stunden-Dienste haben oft noch länger gedauert, ich musste an freien Tagen arbeiten. Aber es waren auch kollegial sehr viele Dinge, wo ich gesagt habe: Nein, das möchte ich mir einfach nicht mehr geben“, erzählt Anna (ihr Name wurde geändert) im WZ-Podcast. Sie ist Anfang zwanzig, zierlich – und sie war eine Frau in einer Männerdomäne. Als solche hat sie Sexismus männlicher Kollegen erlebt. Bis es ihr zu viel war.
Wie es dazu gekommen ist, dass sie den Dienst quittiert hat, warum sie ursprünglich Polizistin geworden war und was sie jetzt stattdessen macht, erzählt sie in dieser Folge des WZ-Podcasts „Weiter gedacht“, durch die WZ-Host Petra Tempfer gemeinsam mit WZ-Host Mathias Ziegler führt, der mit Anna gesprochen hat.
Produziert von Marcel Kilic und Lukas Steinegger.
Infos und Quellen
Gesprächspartnerin
Anna (die in Wirklichkeit anders heißt) war nach der AHS-Matura ein lang in verschiedenen Ländern der Erde unterwegs, ehe sie sich für die Polizeischule bewarb. Insgesamt vier Jahre lang hat sie bei der Polizei gearbeitet, bis sie gekündigt und umgesattelt hat. Jetzt macht sie die Ausbildung zur Physiotherapeutin, dazwischen hat sie als Betreuerin in einem Kindergarten gejobbt.
Daten und Fakten
Der Frauenanteil bei der Polizei beträgt derzeit etwa 30 Prozent – in der Führungsebene sind es allerdings nur 10 Prozent. Im Führungskräftelehrgang „Erfolgreich Führen“ für Bedienstete aus dem Exekutiv- sowie dem Verwaltungsbereich sind immerhin 43 Prozent weiblich, berichtet das Innenministerium. In der Grundausbildung liegt der Frauenanteil derzeit bei 38 Prozent, manche Klassen seien sogar mehrheitlich weiblich. Die Drop-out-Quote wird mit 9 Prozent beziffert.
Zum Thema Sexismus ist es schwierig, konkrete Zahlen zu bekommen, weil es vermutlich eine hohe Dunkelziffer gibt. Seitens der Personalvertretung ist die Rede von „einigen Fällen“, die bekannt seien, „aber Polizisten sind wohl nicht sexistischer als andere Männer“.
Was Sexismus im Job insgesamt betrifft, so hat die Arbeiterkammer Wien in ihrer Arbeitsrechtsberatung in den vergangenen Jahren eine starke Zunahme von sexueller Belästigung verzeichnet. Stark betroffen sind grundsätzlich die Dienstleistungsbranchen, insbesondere der Tourismus, der öffentliche Verkehr und die Pflege. Die AK Wien, die Gewerkschaft vida und die Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Wien arbeiten deshalb gemeinsam an einem Schutzkonzept.
Zum im Podcast ebenfalls angesprochenen Personalmangel: Laut Innenministerium wurde im Jahr 2024 mit rund 32.000 Polizist:innen in Österreich ein neuer Höchststand erreicht, und etwa 2.500 Neuaufnahmen sind geplant. Trotzdem fehlen laut der Gewerkschaft mehrere tausend Polizist:innen, was vor allem bei den Überstunden zu spüren ist: Insgesamt zehn Millionen Überstunden wurden im Jahr 2023 verzeichnet – das wären pro Kopf im Durchschnitt 23 Überstunden im Monat. Allerdings leisten Innendienst und Sonderabteilungen weniger Überstunden, sodass diese Durchschnittszahl wenig Aussagekraft hat. Laut Personalvertretung kommt zum Beispiel der Streifendienst in einem Hotspot wie Wien-Favoriten zum Teil auf 50 bis 100 Überstunden pro Monat.
Die Problematik des Personalmangels sei nicht neu, sondern seit Jahrzehnten bekannt, so die Gewerkschaft. Denn vor vierzig Jahren gab es ebenfalls ein Personalproblem, und damals wurden viele neue Polizisten (Frauen gibt es erst seit 1991 im Streifendienst) aufgenommen – und die gehen jetzt in Pension. „Die Polizeiinspektionen sind leer, dort fehlen zwischen 30 und 40 Prozent an Personal“, warnt die Personalvertretung. Auch, weil es so viele Austritte aus dem Aktivbereich gibt wie noch nie. „Früher war das ein Einzelfall, jetzt bekommen wir täglich solche Nachrichten“, heißt es auf Nachfrage der WZ.
Seit Juni läuft dazu ein Volksbegehren „Polizei – kritischer Personalmangel“. Dessen Text lautet wörtlich: „Seit Jahrzehnten wird die Polizei in Österreich systematisch ausgedünnt und dezimiert. Auch geschönte Statistiken ändern nichts daran, dass vor allem in Wien, letztendlich aber in ganz Österreich, immer weniger Personal, sprich Exekutivbedienstete, zur Verfügung stehen. Durch ein Bundes-Verfassungsgesetz muss eine von der Wohnbevölkerung abhängige Mindestzahl an Polizisten:innen sichergestellt sein, was zu einer Aufstockung der Exekutive um mindestens 25% führt, sowie leistungsgerechte Gehälter.“