Wenn Unternehmer in die Pleite schlittern, reden sie in der Regel in der Öffentlichkeit kaum darüber. Lena Hoschek tut es. Die prominente Unternehmerin und Modedesignerin musste im Oktober des Vorjahres Insolvenz anmelden. Im Jänner wurde dann der Sanierungsplan genehmigt. Jetzt hat Hoschek knapp zwei Jahre Zeit, um alle Forderungen zu begleichen.
KURIER: Wie ging es Ihnen in den letzten Monaten?
Lena Hoschek. Das letzte halbe Jahr hat sehr viel an mir verändert. An meinen Sichtweisen, an meiner Einstellung. Und es hat mich definitiv abgehärtet.
Wann haben Sie erkannt, dass es sich nicht mehr ausgeht?
Im Sommer. Ich wollte bis zum Schluss die Anmeldung einer Insolvenz tunlichst vermeiden und habe einen eigenen Sanierungsplan entwickelt.
Und dann?
Dann sagte mein Wirtschaftsprüfer, dass ich keine positive Fortbestehensprognose bekomme. Das habe ich sehr offen mit meiner Bank besprochen. Die haben gesagt: „Sie wissen, was Sie jetzt zu tun haben.“ Ich dachte nur: Nein! Noch dazu blieb dann nur sehr wenig Zeit bis zur Anmeldung der Insolvenz. Es war für mich eine Art Crashkurs im Insolvenzrecht.
Sie haben in einer Aussendung damals Covid-Folgen, Lieferkettenprobleme und steigende Kreditzinsen als Gründe für die Insolvenz angegeben.
Ja. Das Hauptproblem waren die verspäteten Lieferungen. Wir müssen nämlich die Textillieferanten vorfinanzieren. Es läuft fast alles nur noch gegen Vorauskasse. Besonders seit dem Ukraine-Krieg. Die Vorfinanzierungen für die Kollektionen belaufen sich bei uns auf rund eine Million Euro pro Saison. Wenn sich da die Lieferungen dann verzögern…..
Lena Hoschek im Gespräch mit Wolfgang Unterhuber, Mitglied der Chefredaktion
Das Problem besteht aber ja weiterhin.
Ja. Mit dem müssen wir auch jetzt weiterkämpfen. Wir sind ein Betrieb, der chronisch unterfinanziert ist. Mein Rating war nie gut. Ich habe in der Vergangenheit nie eine wahnsinnig hohe Kreditwürdigkeit gehabt als wachsendes Unternehmen. Wir waren am Konto immer im Plus. Aber wir hatten immer einen Finanzierungsbedarf. Dann haben sich die Zahlungsbedingungen auch noch verschlechtert. So hat sich Lage zugespitzt.
Und Sie haben zu spät die Reißleine gezogen?
Ich muss gestehen, dass ich an jedem einzelnen Arbeitsplatz bis zum Schluss unbedingt festhalten wollte. Auch als wir im vergangenen Jahr einen Einbruch beim Umsatz hinnehmen mussten. Das waren zwar nur 500.000 Euro, aber das hat natürlich gereicht. Ich habe zu dem Zeitpunkt noch immer niemanden gekündigt. Ich hatte damals 64 Mitarbeiter.
Jetzt haben Sie um ein Drittel weniger. Ist Ihr Top-Designer Thomas Kirchgrabner noch an Bord?
Ja.
In den Online-Foren gab es auch Häme, als Sie Insolvenz anmelden mussten.
Die Wahrnehmung nach innen, also gegenüber meinen Kunden, meinen Geschäftspartnern, meinen Mitarbeitern, meiner Familie und meinen Freunden, war mir viel wichtiger als die öffentliche Wahrnehmung. Da habe ich schon ein wenig diese amerikanische Einstellung, dass Unternehmer auch einmal scheitern dürfen. Aber auf der persönlichen Ebene empfinde ich es trotzdem schwierig, weil man ja sehr wohl Schulden hinterlässt. Das fühlt sich fürchterlich an.
Wie ist die Stimmung in der Belegschaft?
Die Stimmung ist jetzt wieder sehr positiv. Vorher war Angst. Zwischen Oktober und Jänner wusste niemand, ob es weitergeht oder wie es weitergeht.
Und Ihre Kundschaft?
Wir haben einen unglaublichen Zustrom erlebt zwischen Oktober und Dezember. Knappe zwei Millionen Euro Umsatz.
Wie das?
Wir haben eine heilige Kuh geschlachtet. Wir haben unsere Bänderröcke in den Abverkauf gegeben. Das haben wir natürlich bis dahin nie getan, weil die Bänderröcke ein sehr werthaltiges Produkt sind. Deshalb hatten wir da einen hohen Lagerbestand. Mein Anwalt sagte: „Wirf es auf den Markt. Wenn Du in Konkurs gehst, tut es ein Anderer.“ So hat mich das erste Produkt, mit dem ich mich selbstständig gemacht habe, dann zum Schluss gerettet.
Zur Zukunft: Seit Genehmigung der Sanierung sind Sie wieder ihre eigene Herrin?
Ja. Und ich bin auch wieder Alleineigentümerin. Durch Covid hatten wir eine Beteiligung der „Stolz auf Wien“ Beteiligungs GmbH, ein Tochterunternehmen der Wien Holding, die uns weitergeholfen hat. Das ist jetzt sozusagen mit der Insolvenz entschuldet worden.
Suchen Sie einen Geldgeber, also einen Investor?
Ich bin offen für einen strategischen Partner. Denn nur Geld allein ist es nicht. Damit arbeitet man nicht an einer gemeinsamen Zukunft. Ich betrachte mein Unternehmen als ein potenzielles Familienunternehmen für spätere Generationen.
Haben Sie ein Nachfrageproblem?
Nachfrageprobleme hatten wir nie.
Wie teuer kommt der Standort Österreich Ihrem Unternehmen?
Ich liebe Österreich. Österreich ist meine Heimat. Der Lebensstandard, die Infrastruktur, das Umweltbewusstsein – das sucht international seinesgleichen. Und ja: Wir zahlen hier Steuern und die Lohnnebenkosten. Ich habe alle Mitarbeiter, die notwendig sind für die Produktion all meiner Linien, hier in Österreich beschäftigt. Die sogenannte Lohnarbeit, das eigentliche Nähen, ist outgesourct. Da befinden sich die Betriebe in Kroatien, in Rumänien, in Ungarn.
Die Stoffe kommen….
….aus Europa.
Nicht aus Fernost?
Für meine Rohmaterialien gebe ich mein Geld sehr bewusst bei europäischen Unternehmen aus. Aber es gibt sicher Händler, die ihre Ware aus Fernost beziehen. Seide zum Beispiel. Die Textilindustrie ist global.
Star-Designerin Lena Hoschek zu Gast im KURIER TV-Studio
Die international bekannte Modefirma Lena Hoschek GmbH mit Sitz in Wien betreibt Boutiquen in Graz und Wien sowie einen Onlineshop. Die Firma, welche die gebürtige Grazerin Hoschek 2005 als Einzelunternehmen gegründet hatte, musste Mitte Oktober 2024 Insolvenz anmelden.
Ende Jänner wurde die Sanierung genehmigt. Insgesamt wurden von 231 Gläubigern Forderungen in Höhe von rund 5,5 Millionen zur Anmeldung gebracht, wovon rund 5,4 Millionen Euro von der Insolvenzverwalterin als zu Recht bestehend anerkannt wurden.
Die vereinbarte Quote für die Gläubiger liegt bei 21 Prozent. Die erste Teilquote in Höhe von sieben Prozent wurde bereits bezahlt. Die restlichen Quotenzahlungen sollen aus dem Fortbetrieb des Unternehmens binnen zwei Jahren erwirtschaftet werden.
„Mit der Annahme des Sanierungsplans ist der Grundstein für eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens gelegt. Wenn die vereinbarte Gesamtquote von insgesamt 21 Prozent erfüllt wird, ist das Unternehmen endgültig von seinen finanziellen Altlasten befreit“, so David Schlepnik vom KSV1870.
Unter der Marke Lena Hoschek ist das Unternehmen in den Bereichen Design, Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Bekleidung, Wäschewaren, Accessoires, Geschenkartikel und Papierwaren sowie mit einer eigenen Schneiderei mit Maßanfertigung aktiv.
Stirbt das Handwerk in Europa aus?
Ich sehe in der Politik nicht, dass sie das Handwerk in Europa behalten möchte. Jeder Betrieb, der zusperrt, wird einfach verschrottet.
Sind da nicht auch die Konsumenten mit verantwortlich?
Jeder, der einkaufen geht, kann entscheiden, ob er Made in China kauft oder nicht. Das heißt nicht, dass das schlechte Produkte sind. Chinesen sind wahnsinnige Spezialisten auf ihren Gebieten. Oder Made in India: Da gibt es wunderschöne, bestickte Sachen und tolle Handwerker. Aber die Frage ist, ob man als Konsument damit einverstanden ist, zu welchem Preis dort die Mitarbeiter beschäftigt werden. Und das Schlimmste sind die Umweltkriterien. Denn dort werden die Farben, die Garne, wirklich zum Teil ungefiltert ins Abwasser entlassen.
Sie wären also für ein Lieferkettengesetz?
Ich bin definitiv dafür. Wofür ich nicht bin, ist, dass nach wie vor zollfreie Güter durchgeschleust werden, gegen die man mit umwelt- und sozial gerechten Produkten nicht ankämpfen kann.
Aber dauernd ist von Nachhaltigkeit die Rede.
Wir haben dieses Thema in den letzten gut 20 Jahren so zerredet, dass davon den Konsumenten schon die Ohren bluten. Zugleich wird man als Konsument am Handy ständig mit Werbung beschossen. Man kauft halt dann das, was einem Spaß macht. Aber die Menge an Schrott, die wir uns dabei leisten….also man kann es vergleichen mit Fast Food.
Wie das?
Fast Food macht dich krank und Fast Fashion macht den Planeten krank.
Haben Sie noch Spaß bei dem, was Sie tun?
Ich liebe es sehr. Ich bin sehr erleichtert, dass die Insolvenz gut abgewickelt worden ist und dass meine Mitarbeiter so viel Power und Treue und Stärke bewiesen haben.