Mit dem warmen Wetter geht es los: Die Eisvitrinen sind brechend voll mit gefrorenen Köstlichkeiten. Endlich, denn die Saison ist denkbar knapp. Im Oktober ist das Geschäft vorbei. 420 Eissalons gibt es in Österreich, davon 150 in Wien. Nirgendwo gibt es eine höhere Dichte an Gelaterien pro Einwohner als in Österreich. Mehr als 100 Millionen Euro setzen die Eisgeschäfte im Jahr um. Und doch ist es kein einfaches Geschäft.
„Wir sind von Schönwetter abhängig“, sagt Andrew Nussbaumer, Inhaber der Eismanufaktur Dolce Vita in Hohenems und Branchensprecher der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Der Umsatz müsse aber ein ganzes Jahr finanzieren. Und die Konkurrenz lauert auch in den Tiefkühltruhen der Supermärkte. 90 Prozent des gesamten Eiskonsums macht die Industrie aus. Wie ist es also möglich, einen Salon erfolgreich zu führen? Der KURIER hat sich einige Erfolgsrezepte verraten und vorrechnen lassen.
Markenauftritt
„Unsere Leute punkten mit Frische und mit regionalen Produkten“, betont Eismacher Nussbaumer. „Wir müssen zeigen, dass sie hochwertiger und gesünder sind, das ist die Challenge.“
Das Image und der Markenauftritt müssen also stimmen. Während viele italienische Salons auf ihre Geschichte setzen, betont der Eis-Greissler aus Krumbach etwa seine bäuerliche Herkunft. „Wir haben selber die Kühe, wir haben frische Milch. Wir sind ein Greißler, klein und fein. Bei uns darf man auch kosten“, sagt Eismacher Georg Blochberger, der sich mit einem seiner neun Standorte bewusst in den 1. Bezirk in Wien gesetzt hat und sich damit von den Gelaterien abgrenzt.
Georg und Andrea Blochberger vom Eis-Greissler
Eis-Greissler-Eis gibt es in neun Filialen bzw. Standorten in Österreich.
Eine Kugel kostet 2,50, zwei Kugeln 4, Euro. Im Angebot sind stets 18 Sorten, insgesamt hat Familie Blochberger bis zu 170 Sorten entwickelt.
Während Schoko-Chili (zu scharf) und Schoko-Whisky (zu stark) keine Renner waren, sind Sorten wie Butterkeks, Kürbiskernöl oder Ziegenfricschkäse stark nachgefragt
Veganista wiederum setzt seit zwölf Jahren auf veganes Eis und ein hippes Klientel. 80 Prozent der Kunden sind Stammkunden. Und der Erfinder der Eismarillenknödel, Tichy, restauriert jeden Winter liebevoll seine Einrichtung für den Retro-Charme. Mit den Trends wie veganes Eis müssen ohnehin alle gehen.
Jobs in der Eisbranche sind klassische Saisonjobs. Bei Nussbaumer etwa gibt es 16 ganzjährig angestellte Mitarbeiter, im Sommer sind es 70. Viele Betriebe sind breiter aufgestellt, Nussbaumer hat etwa ganzjährige Salons in Einkaufszentren und hat Abnehmer aus der Gastronomie. Auch Blochberger beliefert 200 Gastrokunden, zudem werden Einnahmen durch den Eis-Greissler Erlebnispark in Krumbach generiert.
Glühwein statt Eis
Inhaber kleiner Salons, die meist selbst im Lokal stehen, brauchen im Winter ein zweites Standbein, etwa mit Standeln auf Christkindmärkten oder einem kleinen Gastroangebot im Geschäft. Größere Manufakturen vermieten ihre Standorte unter. Dort werden dann – wie etwa beim Eis-Greissler – in Pop-up-Geschäften Kaiserschmarrn oder Postkarten verkauft.
Viele Eissalon-Mitarbeiter wechseln in die Skiorte oder die Heimat, viele sind – wie beim Eissalon Tichy – mit einer Wiedereinstellungsgarantie ausgestattet. 70 Prozent sind jede Saison dabei. Andere Betriebe setzen im urbanen Raum bewusst auf Jobs für Studenten. Nicht überall ist es so leicht. In Regionen wie Linz oder Lienz sei es schwer, Mitarbeiter zu finden, räumt Eis-Greissler Blochberger ein.
Mit Minus in die Saison
„Wir haben den Saisonbetrieb einkalkuliert, wir haben in sieben Monaten die Einnahmen von zwölf“, sagt Xenia Tichy. Dem Traditionsbetrieb hilft, dass er nur einen Standort in der eigenen Immobilie betreibt und auf langjährige, ausgesuchte Handelspartner setzt. Vieles könne dadurch leichter kalkuliert werden. „Wir wissen, dass wir pro Saison etwa 50 Tonnen Haselnüsse brauchen“, sagt Tichy. Neben dem Eisgeschäft setzt der Betrieb auch auf den Verkauf von Eismarillenknödel (30.000 Stück pro Woche), Eistorten und anderen Fertigprodukte. Das helfe über Schlechtwetterperioden.
Xenia Tichy mit ihrem Vater Kurt
Der Eissalon Tichy wurde 1952 von Kurt und Marianne Tichy gegründet, seit 1955 besteht der Salon am Wiener Reumannplatz.
Anders als bei anderen Eissalons wird hier nicht nach Kugeln abgerechnet, sondern nach Tüten oder Becher. Die kleinste Tüte (für drei Sorten) kostet drei Euro, der kleinste Becher 3,10 Euro.
16 Eissorten gibt es bei Tichy stets im Angebot, insgesamt haben sie 36. Neben Eis-to-Go bietet Tichy auch eine große Auswahl an Eiscoups und natürlich die berühmten Eismarillenknödel
Um mit dem Saisongeschäft über das Jahr zu kommen, sollten optimalerweise sieben bis zehn Prozent Gewinn übrigbleiben, rechnet Branchensprecher Nussbaumer vor. „Im Frühling, im März, fängt man mit einem Minus an“, erklärt er. Bis Juni, Juli sollte es der Betrieb ins Plus geschafft haben, um sich dann einen Polster zuzulegen. Wichtig sei es, die Personalkosten, die 40 Prozent des Umsatzes ausmachen, schlank zu halten. Was bedeutet, dass in kleinen Salons der Chef selber anpackt. Der nächste große Brocken ist der Wareneinsatz. Dann kommen Miete, Strom und allgemeine Kosten.
Gerade die vergangenen Jahre waren sehr herausfordernd. „Die Strompreise haben sich vervierfacht, Grundprodukte wie Zucker oder Kakao verdreißigfacht“, erklärt Nussbaumer. Dann seien die Personalkosten um 20 Prozent gestiegen und auch die Mieten hätten angezogen. Als „Achterbahnfahrt“ bezeichnet Blochberger die vergangenen Jahre. Heuer, sind sich die Eismacher einig, sei das erste Jahr, in dem wieder gut kalkuliert werden könne.
Branchensprecher Andrew Nussbaumer
Die Turbulenzen schlagen sich auch auf die Preise nieder. 2,20 bis 2,50 Euro kostet eine Kugel im Schnitt. Um zehn Cent mehr als 2024. Im internationalen Vergleich ist das günstig.
Wie der Eissalon zu seinem Namen kam
Eis und Italien sind untrennbar miteinander verbunden. Dabei kommt das „Sorbet“ eigentlich aus dem arabischen Raum, die Besatzer brachten es ab 827 nach Sizilien. Bereits im 18. Jahrhundert war das Eis mit Sorten wie Bitterorange, Limone oder auch Sauerkirsche beliebt. Später war Ludwig van Beethoven Fan von Punsch- und Kaiserin Elisabeth von Veilcheneis.
Ende des 19. Jahrhunderts kamen italienische Eismacher mit ihren Eiswagen nach Wien. Familien wie Molin Pradel („Eissalon am Schwedenplatz“) betreiben heute noch ihre Gelaterien.
Die heimischen Zuckerbäcker sahen eine gefährliche Konkurrenz und setzten durch, dass die Gelaterien feste Geschäftssitze für eine Gewerbeberechtigung brauchen. Als Antwort mieteten diese kleine Läden und Wohnungen im Erdgeschoss und verkauften Eis aus dem Fenster. Die Eissalons entstanden. Der Begriff Eisdiele soll übrigens daher stammen, dass die Fenster für Kinder zu hoch waren und aus alten Brettern, Dielen, erhöhte Plattformen gezimmert wurden. Im 21. Jahrhundert erlangten heimische Eismacher internationale Bekanntheit, wie Charly Temmel, der die Hollywood-Prominenz verwöhnte.