Tamuna Sirbiladze, 1971 in Tiflis geboren, begann ihre künstlerische Ausbildung an der dortigen Staatlichen Akademie der Künste – einige relativ kleinformatige, vergleichsweise konventionell gemalte Porträts am Beginn der Schau legen davon Zeugnis ab. Relativ schnell begann sich aber eine groteske Note in Sirbiladzes Bilder einzuschleichen – die maskenhaften, karnevalesken Gemälde des belgischen Sonderlings James Ensor kommen einem in den Sinn, zugleich sind Anleihen an Alte Meister („Masaccio“, 1994) eingebaut: Die Malereigeschichte so scheint es, fungierte selbst als Farbtopf.
Nicht akademisch
Doch Sirbiladzes Malerei erscheint nie akademisch, nie linear. Die Ausstellung erzählt auch von mehrerenBrüchen: Bei einem fiel eine Schaffenskrise um 2000 mit der Entdeckung der – noch sehr rudimentär ausgebildeten – Bildersuche im Internet zusammen, der Kurzschluss von Bild und Wort ließ offenbar einen Inspirationsfunken hervorspringen. „The Mirror Error“ oder „Housewife“ heißen diese flächigen Bilder, die gleichzeitig poppig und wild anmuten.
Ein weiterer Bruch zeigt sich in einer 2005/’06 entstandenen Bildserie, in der Sirbiladze mit dünner Farbe heftige Körperzustände übersetzt: „Kotzen“, oder „Suicide Painting“ oder „When a Baby was Pissing in Her Belly“, lauten hier die eher drastischen Bildtitel.
Man kann viel Biografisches vermuten, würde dann vielleicht aber auch wieder in eine Falle tappen, die den Blick auf Künstlerinnen zu oft verstellt: Die Idee einer Befindlichkeitsmalerei, ebenso wie einer Befindlichkeitslyrik oder eines Befindlichkeits-Songwriting, gesteht der schöpferischen Person nämlich nicht zu, sich mit ihrem künstlerischen Medium und seinen Möglichkeiten intensiv und kritisch auseinandergesetzt zu haben.
Mehr als Befindlichkeiten
Dass Sirbiladze das sehr wohl tat, ist in der Schau aber offensichtlich: Mit ihrer gleichsam lockeren wie sicheren Schnellmalerei eignete sie sich Edouard Manets Spargel-Stilleben aus dem 19. Jahrhundert ebenso an wie Andy Warhols Blumenbilder, zitierte, verdrehte und spielte.
Das Zitathafte wird dabei gerade als Merkmal jener „postmodernen“ Epoche sichtbar, in der sich die Künstlerin zweifellos bewegte: Das Wissen, dass ein Bild immer mehr als einen Autor hat, hinderte sie nicht am Malen, im Gegenteil. Es trifft sich auch gut, dass die Malerin Eva Beresin, Sirbiladzes Galerie-Genossin und auch Leihgeberin der Schau, parallel in der Albertina ausstellt: Beide Ausstellungen können helfen, veraltete Malerei-Definitionen über Bord zu hieven.
Dass Sirbiladze mit Franz West verheiratet war, der das Bild vom Künstler als Anti-Genie vielleicht mehr als alle anderen verkörperte, erscheint dazu nur passgenau: Eine Installation mit zwei Chaiselongues in einem von Sirbiladze malerisch gestalteten Raum ist dann auch in die Schau integriert.
Die Künstlerin sollte West, der im Juli 2012 starb, um nur dreieinhalb Jahre überleben. Sie schuf noch hoch lebendige Zeichnungen, die von einer großen Freiheit im Tun und im Wollen erzählen. Um die vielen Erzählungen von Sirbiladzes Werk, seine Wahlverwandtschaften und Inspirationen, zu erkunden, ist mit der Schau ein guter erster Schritt getan. Weitere sollten folgen.