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Timothée Chalamet und die Geburtsstunde von Bob Dylan

von Max

Timothée Chalamet ist im Blockbusterkino à la „Dune“ mittlerweile ebenso zu Hause wie im gefühlvollen Arthouse-Kino. Und als Bob Dylan ist der „Call Me By Your Name“-Star schlichtweg umwerfend. Ihm gelingt das Kunststück, sich die Person Bob Dylan bis hin zu einer verblüffenden Ähnlichkeit anzuverwandeln, gleichzeitig aber Timothée Chalamet zu bleiben: „Es geht nicht darum, Bob Dylan perfekt darzustellen“, bestätigte Chalamet bei einem Pressegespräch im Vorfeld der Berlinale: „Wir wollten einen Blick auf einen bestimmten Moment in der Entwicklung eines Künstlers zeigen. Das ist das Wesentliche. Regisseur James Mangold hat viel Material gesammelt – und besonders ab 1964 lassen sich auch online richtig tolle Sachen finden. Das hat mir sehr beim Verständnis meiner Rolle und der Zeit der Sixties geholfen. Letztendlich ist meine Darstellung aber nur eine Interpretation.“

Chalamets versteht seine Version des Popstar-Poeten ist eine von vielen möglichen – und so hat es auch Bob Dylan in seiner Selbstpräsentation immer gehalten. Dementsprechend sinnfällig kommt Mangolds Filmtitel „A Complete Unknown“ zur zweifachen Anwendung: Zum einen bezieht er sich auf Dylans wohl berühmtesten Song „Like a Rolling Stone“; zum anderen verweist er auf das ewige Rätsel, das die Person Bob Dylan immer schon darstellte. Bis heute ist der 83-Jährige mit seiner Band auf Tour und verweigert sich jeder definitiven Zuschreibung.

Intensive Rollenvorbereitung

Fünf Jahre hat sich Timothée Chalamet auf seine Rolle als Bob Dylan vorbereitet. Nicht nur singt er Dylans charismatische Songs selbst, sondern er spielt auch Gitarre und Mundharmonika. Die lange Vorlaufzeit war nicht unbedingt freiwillig gewählt, sondern der Pandemie und dem Streik in Hollywood geschuldet: „Die fünf Jahre Zeit, die ich für die Rollenvorbereitung hatte, fühlte sich endlos an“, beteuert Chalamet: „Es war echt spannend, einen so schwer fassbaren Künstler wie Bob Dylan darzustellen: Aus den Sechzigern gibt’s nicht viel Material; vor allem aus den Jahren 1961 bis 1963 sind die Infos ziemlich begrenzt – da finden sich hauptsächlich Radiointerviews und einige Musikdemos. Ich habe alles studiert, was visuell verfügbar war: D. A. Pennebakers Doku ,Don’t Look Back’ über Dylans Großbritannien-Tour 1965, Martin Scorseses Zweiteiler ,No Direction Home – Bob Dylan’, sowie die damaligen Radiointerviews und Biografien, die mit und über Dylan erscheinen sind. Ich bin seinem Weg durch Minnesota bis nach Chicago und New York gefolgt. Vor allem aber habe ich mich mit seiner Musik beschäftigt: Sie hat etwas Wunderschönes an sich. Alles, was er zwischen 1961 und 1965 herausbrachte, haben wir abgeklopft.“

Dylan selbst äußerte sich übrigens recht positiv, wenngleich etwas kryptisch zu dem Filmprojekt und tweetete, er sei sicher, „Timmy, ein brillanter Schauspieler, wird mich absolut glaubwürdig darstellen“. Ob er den Film tatsächlich gesehen hat oder je sehen wird, bleibt offen.

Trotzdem sei dieses Kompliment für ihn eine enorme Bestätigung gewesen, so Timothée Chalamet.

Parallele Liebesbeziehungen

„A Complete Unknown“ erzählt davon, wie Robert Zimmermann 1961 aus Minnesota nach New York kommt und sich dort als Bob Dylan neu erfindet. Er erobert die Folkszene im Sturm, wird als große Trophäe begeistert herumgereicht und schockiert seine Fans, als er 1965 auf dem Newport Folk Festival zur elektrischen Gitarre greift.

Regisseur James Mangold, von dem auch das Johnny-Cash-Bio-Pic „Walk the Line“ stammt, ließ sich für seinen Film von Elijah Walds „Dylan Goes Electric!“ inspirieren. Er bemühte sich darum, alles – etwa das New Yorker Village oder das Newport Folk Festival – möglichst echt aussehen zu lassen. Zudem erzählt er die parallelen Liebesgeschichten, die Dylan mit Suze Rotolo und der berühmten Folksängerin Joan Baez (verkörpert von Monica Barbaro, die ebenfalls selbst singt und Gitarre spielt) unterhielt und die letztlich beide Frauen verletzt zurückließen.

Dylan stand mit Mangold vor den Dreharbeiten in Kontakt und bestand darauf, dass man den Namen der mittlerweile verstorbenen Suze Rotolo fiktionalisierte, weil ihr Zeit ihres Lebens ihr Privatleben besonders wichtig war.

Im Film heißt sie Sylvie Russo und wird einfühlsam von Elle Fanning verkörpert.

Auch in anderer Hinsicht zeigte sich Bob Dylan hilfreich, erzählt Mangold: „Als ich vor dem Dreh mit ihm gesprochen habe, meinte er, dass die Sechzigerjahre eigentlich gar keine richtigen Sechzigerjahre waren. Die ersten fünf Jahre verliefen eher als eine Fortsetzung der Fünfzigerjahre. Erst Mitte der Sechziger hat sich die Zeit wirklich verändert und explodierte durch Bands wie die Beatles und die Stones. Das waren bewegte, politische Zeiten, die ich überaus spannend fand.“

Als Regisseur habe er überhaupt kein Interesse daran gehabt, eine Dylan-Biografie von der Wiege aufwärts zu erzählen, so Mangold. Vielmehr konzentrierte er sich auf einen signifikanten Zeitpunkt – auf die Geburtsstunde von Bob Dylan: „Er kam nach New York mit nichts als ein paar Cent in der Tasche und einer Gitarre auf dem Rücken und wollte für seinen Helden Woody Guthrie singen, der im Sterben lag. Das fand ich eine total romantische Geste, die man gar nicht mit ihm und seinen Charakter verbindet. Und dann wurde er selbst zur wichtigsten musikalischen Figur seiner Zeit und zu einer bedeutenden künstlerischen Persönlichkeit des Jahrhunderts.“

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