Es war ein mühsamer Start in die neue Saison, gepaart mit vielen Fragen, vor allem, ob sich Tottenham am Transfermarkt verschätzt hat. Am vergangenen Wochenende gelang nun der Befreiungsschlag gegen Brentford. Die Frage die jedoch bleibt: Sind die Spurs zu sehr von Heung-min Son abhängig?
Holpriger Saisonstart
Noch letztes Jahr spielte Tottenham Hotspur unter dem damaligen Neo-Coach Ange Postecoglou teils fantastischen Fußball und viele Gegner an die Wand.
Dieses Jahr tut man sich deutlich schwerer, was daran liegt, dass sich die Gegner besser auf den Fußball der Spurs eingestellt haben.
Zwei Siege, ein Unentschieden, zwei Niederlagen und Platz 10 stehen derzeit für die Spurs zu Buche – erwartet hat man sich sicherlich mehr.
Befreiungsschlag gegen Brentford
Aber im Detail: Mit Niederlagen gegen Newcastle United und Arsenal, einem Unentschieden gegen Leicester City und Siegen gegen Everton und Brentford sind die Mannen aus London in die Saison gestartet.
Gegen Arsenal und Newcastle kann man verlieren, gegen Leicester zum Saisonauftakt Unentschieden zu spielen, wenn man die Aufstiegseuphorie beim Gegner einrechnet, mag auch argumentierbar sein. Gleiches gilt aber auch für den Sieg gegen den FC Everton, der derzeit auf Grund teils desaströser Leistungen am Tabellenende steht.
Mit Brentford konnte nun gegen eine am Papier nicht als Topmannschaft zu bezeichnenden aber unangenehmen Gegner gewonnen werden. Trotz eines Rückstandes bereits in Minute 1 gelang den Mannen von Coach Postecoglou dennoch ein deutlicher 3:1-Sieg gegen das Team von Thomas Frank.
Transferpolitik mit Fokus auf die Zukunft
Was bei den Spurs neben dem holprigen Saisonstart zu Diskussionen geführt hat, war die Transferpolitik. Mit Archie Gray und Lucas Bergvall hat man sich zwei Toptalente geangelt, mit Wilson Odobert einen hochveranlagten Spieler und mit Dominic Solanke einen der Toptorjäger der vergangenen Premier-League-Saison geholt. Dazu kommt die Verlängerung der Leihe von Timo Werner, der allerdings an seine schlechten Leistungen des Vorjahres anknüpft.
Kurzum: In London hat man im Sommertransferfenster die Zukunft adressiert, ohne die Gegenwart zu sehr im Fokus zu haben. Etwas, das bei vielen Experten für Unverständnis sorgt. Für Kopfschütteln sorgt vor allem auch die Ablöse für den neuen Toptorjäger Dominic Solanke, der 64 Millionen Euro kostete…
Solanke als Kane-Nachfolger?
Nach dem Abgang von Harry Kane war bei den Spurs im Sturmzentrum ein Vakuum entstanden, das man in der abgelaufenen Saison nicht ausfüllen konnte.
Solankes letzte Saison in Bournemouth hingegen war ein voller Erfolg. Groß gewachsen, beweglich, schnell, kopfballstark, Torinstinkt – so könnte man Solanke anhand der letzten Saison beschreiben und so scheint der Transfer des Engländers zu Tottenham eine nahezu logische Konsequenz. Auf den ersten Blick mutet es so an, als hätte man endlich einen Nachfolger für Harry Kane gefunden.
Blickt man jedoch genauer auf die Zahlen, so war die abgelaufene Saison für Solanke mit 19 Toren aber ein Ausreißer, denn in keiner der vorangegangen Saisonen kam der heute 26-jährige auf mehr als sechs Tore.
Dennoch lag die Ablöse jenseits der 60 Millionen Marke.
Ohne Son nur Mittelmaß
Blickt man nun auf die bisherigen Saisontorschützen, gehen je ein Tor auf das Konto von Pedro Porro, Cristian Romero, Dominic Solanke, Brennan Johnson, James Maddison sowie Yves Bissouma und zwei auf das Konto von Heung-min Son. Dan Burn steuerte im Spiel gegen Newcastle United ein Eigentor bei.
Von den acht durch Tottenham-Spieler erzielten Toren steuert Son zwei Tore und zwei Assists bei. Sprich: Son ist an 50% aller Tore direkt beteiligt und sofern er nicht direkt beteiligt ist, schafft er Räume für die anderen Offensivspieler bzw. bindet mindestens einen gegnerischen Verteidiger.
Abhängigkeit von Son zu groß?
Der Befund ist klar: Die Abhängigkeit in der Offensive vom mittlerweile 32-jährigen Heung-min Son ist zu groß. Nicht nur dieses Jahr, sondern bereits in den vergangenen Jahren.
Nach dem Abgang von Harry Kane lastete bereits in der abgelaufenen Saison der komplette Druck in der Offensive auf dem Südkoreaner. Daran hat sich durch die Transfers nichts geändert.
Son ist zwar ein absoluter Klassespieler, Tottenham wird durch die individuelle Abhängigkeit aber ausrechenbar. Und auch wenn man mit James Maddison einen hervorragenden Ballverteiler im Team hat, wird es erst dann gefährlich, wenn Son sich einschaltet.
Überspitzt formuliert: Ohne Son läuft im Angriff von Tottenham nicht viel.
Positiv erscheint zwar, dass Tottenham viele unterschiedliche Torschützen aufweisen kann, den Abgang von Harry Kane konnte man aber nie richtig kompensieren.
Toptorjäger oberste Priorität
Etwas, das für jeden Verein gilt: Ohne Toptorjäger sind die Chancen auf einen Titel gering. Das gilt auch für Tottenham.
Wenn man nun aber bedenkt, dass man in London viel Geld in die Dienste von Richarlison, Solanke, Johnson, Odobert und Kulusevski investiert hat, ist das Ergebnis eher bescheiden und der Befund klar: Ohne Son wären die Spurs kein Kandidat für die internationalen Plätze.
Will man Erfolg, braucht es einen Mann, der jedes Jahr 20 Tore oder mehr im Tank hat. Dass Solanke Kane langfristig ersetzen kann, scheint ebenso fraglich, wie dass der derzeit verletzte Richarlison noch einmal zum großen Torjäger wird.
Patrick Stummer, abseits.at