Mit großer Spannung schaut die Welt auf die USA und die Entscheidung im Präsidentschaftsrennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump. Die Doku „Vienna in Amerika“ (21.20, ORFIII) holt das Votum aus der Aufgeregtheit der Politzirkel und erdet es.
Nicht Politik-Analysten, nicht Prominente kommen hier zu Wort. „Wir wollten schauen, wie die Menschen in ‚Smalltown America‘ denken, welche Sorgen und Probleme sie haben und warum sie so wählen werden, wie sie wählen werden“, sagt Dokumentarist Gerhard Jelinek. Er und sein in Berlin lebender Sohn Johannes, selbst Filmer, sind dafür durch (fast) alle Orte namens Vienna, USA, gefahren.
Die Idee dazu fußt auf einer Arbeit vor 31 Jahren. „Da habe ich zur Wahl von Bill Clinton eine Doku in Vienna, Illinois, gemacht. Seitdem denke ich, das wäre ein Aufhänger für eine
Vater-Sohn-Roadmovie
US-Wahl-Geschichte.“ Seinem Sohn sei er mit dem Projekt ständig in den Ohren gelegen. „Jetzt war es endlich möglich, das umzusetzen.“
Ihr Roadmovie, das mit feiner Musik von Resi Reiner bis Bruce Springsteen hinterlegt ist, blickt schlaglichtartig auf das Leben im „Flyover-Country“. Gestartet ist man in Maine. Das Vienna hier liegt 4.225 Meilen von der österreichischen Bundeshauptstadt entfernt. Das Vater-Sohn-Gespann stößt hier zum „Men’s Breakfast“ dazu und sie treffen einen Maler, dem ein Berg gehört, dessen Gipfel er nicht besteigt, weil er sich die Imagination nicht zerstören will.
Drogenkrise und Supermarkt-Preise als Wahlargumente
Der Sheriff von Vienna, Illinois, erzählt über die Fentanyl-Drogenkrise. „Es ist eines der Hauptthemen für die Wahlentscheidung“, sagt Gerhard Jelinek. Und Bürgermeister Mike Penrod spricht über die Ängste vor Migration und die Sorgen wegen der Inflation: „Geht in den Supermarkt, und ihr wisst, wen die Menschen wählen.“
In Vienna, Virginia, kosten die Jelineks am Farmer’s Market einen „sensationell guten“ Apfelstrudel, den eine Kärntner Familie erzeugt und verkauft. Die beiden checken zudem auf dem Flughafen in Vienna, Ohio, ein, der seit sieben Jahren auf ein Flugzeug wartet. Und „wir treffen eine Wählerin, die Donald Trump für einen Idioten hält, ihn aber dennoch wählen wird.“ Auch eine Begegnung mit Kristina von Trapp, Enkelin Maria von Trapps in der familieneigenen Brauerei gibt es, wo gemeinsam mit der Brauerei Hofstetter aus Oberösterreich ein „Vienna Lager“ gebraut wird.
Hurrikan als Störfaktor
Für Turbulenzen beim Dreh sorgte Hurrikan „Helene“. „Der hätte uns beinahe auf dem Weg nach Vienna, Georgia, erwischt. Wir mussten nach Atlanta ausweichen, konnten aber zurück, nachdem der Hurrikan seine Bahn geändert hatte“, sagt Gerhard Jelinek.
Und in Missouri waren sie selbst Gegenstand der Berichterstattung – ihre Dreharbeiten waren der Regionalzeitung Advocate eine Schlagzeile wert. Am Ende der dreiwöchigen Reise kocht ihnen Eduard Frauneder in New York City ein stilechtes Wiener Schnitzel.
Rationale Politiker gesucht
Der Haubenkoch im „Schilling“ meint: „Jeder versucht an diesem ,Make America great again‘, an dieser Nostalgie festzuhalten, wie Amerika vor 20 Jahren war. Aber ich glaube, der Zug ist abgefahren, so wie in Europa.“ Die zukünftigen Probleme „müssen Politiker lösen, die rational und wissenschaftlich an Politik rangehen.“
Auch Frauneder hat eine Beziehung zu „Vienna in Amerika“ – er hat seine Tochter „Vienna Rose“ getauft. Bei der Passkontrolle am Flughafen Schwechat sorge das immer für ein Schmunzeln.